Blogpost | 26.11.2021

Startschuss für eine explizite und kohärente deutsche Klimaaußenpolitik

Analyse des Koalitionsvertrags
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Die Ziele des Pariser Klimaabkommens sind nur durch Zusammenarbeit mit anderen Ländern erreichbar. Basierend auf dieser Einsicht, kündigt der Koalitionsvertrag zwischen Bündnis 90/Die Grünen, SPD und FDP erstmals explizit eine deutsche Klimaaußenpolitik an. Die künftigen Regierungsparteien sprechen sich für eine kohärente sowie “gemeinsame, konsequente Klimaaußenpolitik und Klimagerechtigkeit im Sinne des European Green Deal, der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens” aus. Damit kann das Klimathema endlich ins Zentrum bi- und multilateraler Beziehungen rücken. Dies ist Voraussetzung, um gemeinsam mit Partnern die notwendige Dynamik beim Klimaschutz und dem Umgang mit der Klimakrise zu entwickeln, die Auswirkungen der Klimakrise auf globale Stabilität und menschliche Sicherheit weltweit zu begrenzen und die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen.

Es fällt bei der Lektüre des Koalitionsvertrags auf, dass im Vergleich zu anderen neuen Ansätzen der Außenpolitik – etwa feministischer Außenpolitik oder Digitalisierungs-Außenpolitik – die Aussagen zur Klimaaußenpolitik weniger konkret und detailliert sind. Umso wichtiger ist es, den Anspruch der “konsequenten Klimaaußenpolitik” jetzt mit Leben zu füllen. Mit einer klaren Strategie und ausreichender personeller und finanzieller Ausstattung muss die deutsche Klimaaußenpolitik in die Lage versetzt werden, mit viel mehr Wirksamkeit diplomatische Initiativen – oft im EU-Kontext – anzustoßen und umzusetzen. Methodische Schranken, wie das Konsensprinzip der Abteilungen bei Vorlagen für die Außenministerin, die verhindern, dass diese auch mutigere Vorschläge von Einzelabteilungen überhaupt zu Gesicht bekommt, müssen aufgelöst werden.

Positiv ist die Zielvorgabe einer deutschen Außenpolitik “aus einem Guss”, für die ressortübergreifend gemeinsame Strategien erarbeitet werden sollten. Eine der ersten Strategien, die vorgelegt werden, sollte eine Klimaaußenpolitik-Strategie der gesamten Bundesregierung sein, die Ziele formuliert, die die Ministerien gemeinsam in wichtigen internationalen Institutionen und Prozessen, in der Außenwirtschaftspolitik und in den bilateralen Beziehungen mit anderen Staaten erreichen wollen. Neben engeren Partnerschaften und einer Stärkung der EU-Klimaaußenpolitik, muss in der Strategie auch deutlich werden, dass Klimaaußenpolitik globale Strukturpolitik ist. Das bedeutet beispielsweise, dass die von Deutschland in den Gremien der multilateralen Entwicklungsbanken und anderer internationaler Organisationen vertretenen Positionen konsequent am 1,5°C-Ziel und den weiteren Zielen des Pariser Abkommens ausgerichtet werden müssen. Eine solche Strategie sollte im Parlament und mit der Zivilgesellschaft – auch aus den Partnerländern – diskutiert und noch 2022 im Bundeskabinett verabschiedet werden. Danach sollte mit einem jährlichen Fortschrittsbericht über die Umsetzung der Strategie berichtet werden. Ein bereits im Koalitionsvertrag vereinbarter positiver Schritt zu einer kohärenteren Klimaaußenpolitik ist ihre Koordinierung durch das Klimakabinett, in dem das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium bislang nicht vertreten waren. Dies ist zentral, um Synergien und unterschiedliche Expertisen bestmöglich nutzen zu können. 

Die deutsche G7-Präsidentschaft wird der erste Lackmustest dieser neuen Klimaaußenpolitik. Mit dem Ziel der Einrichtung einer neuen Klimaallianz (”Klimaclub“) und der Gründung von Klimapartnerschaften stellt die Ampel dabei zwei kooperative Instrumente ins Zentrum ihrer anstehenden Präsidentschaft. Es wird entscheidend, dass die neue Regierung die Klimaallianz wirkungsvoll mit dem CO2-Grenzausgleich verknüpft und sich nicht auf das Kriterium eines globalen einheitlichen CO2-Preises versteift, sondern den verschiedenen nationalen Ansätzen Rechnung trägt. Nur mit umfangreichen Unterstützungsangeboten an Länder des Globalen Südens kann die Klimaallianz Legitimität erhalten. Klimapartnerschaften könnten denjenigen Staaten die Tür zur Klimaallianz öffnen, die eine ausreichende Ambition haben. 

Klima- und Energiepartnerschaften mit Ländern des Globalen Südens als zentrales Instrument

Mit den Klima- und Energiepartnerschaften stellt die Ampel ein potentiell transformatives Instrument ins Zentrum ihrer globalen Zusammenarbeit. Positiv zu bewerten ist die breite thematische Ausrichtung der Partnerschaften, die über Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen sowie Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität und zur Stärkung der Klimaresilienz reichen. Mit Südafrika wurde bereits dieses Jahr eine erste Partnerschaft ins Leben gerufen – weitere sollten im ersten Jahr der Ampel folgen. Die beiden nächsten G20-Präsidentschaften – Indonesien und Indien – sind hier wichtige mögliche Kandidaten. Germanwatch begrüßt deshalb das „herausragende Interesse“ an der deutsch-indischen Partnerschaft und der EU-Indien-Konnektivitätspartnerschaft.

Die mit Afrika angestrebte enge Partnerschaft im Rahmen der EU-Afrika-Strategie sollte ebenfalls Klimaaspekte ins Zentrum rücken. Die Partnerschaft muss so gestaltet werden, dass sie in erster Linie den Bedarfen der afrikanischen Bevölkerung entgegenkommt, einen stärkeren Fokus auf die Bekämpfung von Ungleichheiten legt und die afrikanische Führung und Eigenverantwortung sowie die Beteiligung der Zivilgesellschaft unterstützt. Erfolgreiche Initiativen im Rahmen der EU-Afrika-Strategie müssen in Afrika verwurzelt sein, dort ihren Ursprung haben und auf der wichtigen Arbeit aufbauen, die auf dem Kontinent bereits begonnen wurde. Dabei sollte sie sich eng an den Bedarfen der afrikanischen Bevölkerung orientieren, beispielsweise, wie angekündigt, einen Schwerpunkt auf den ”Einsatz gegen Folgen der Klimakrise” umsetzen. Ein wichtiger Ansatz wäre hier die Umsetzung des Europäischen Green Deals als faires Kooperationsangebot für die Länder Afrikas auszugestalten. Die reine Förderung von geopolitischen und unternehmerischen Interessen der EU und von Deutschland (z.B. im Rahmen von Wasserstoffpartnerschaften) muss vermieden werden. Zentral wäre etwa, den Kontinent bei der Entwicklung und Selbstversorgung mit Erneuerbaren Energien für seinen eigenen, schnell wachsenden Energiebedarf zu unterstützen; sowohl um den Aufbau moderner, klimaneutraler Industrien voranzutreiben als auch die Energiearmut zu überwinden und dadurch ineffiziente fossile Energiequellen abzulösen.

Kurzsichtig erscheint, dass im Abschnitt zur Zusammenarbeit mit China das Wort “Klima” nicht vorkommt. Der Dialog mit China ist auch in diesem Politikfeld nicht einfach und konfliktfrei, aber von größter Bedeutung. Ohne Formen der klimapolitischen Koordination mit dem größten Treibhausgasemittenten wird es sehr schwierig sein, das 1,5°C-Temperaturlimit in Reichweite zu halten. Die vor kurzem von der EU angekündigte Strategie „Global Gateway“, auf die der Koalitionsvertrag Bezug nimmt, sieht internationale Partnerschaften für grüne und nachhaltige Entwicklung durch den Bau von Infrastruktur vor – mit einem Fokus auf Afrika. Sie ist als Gegenangebot für Staaten gedacht, denen China die Finanzierung fossiler Infrastruktur bietet. Aber wenn China Ernst macht mit dem Stopp der Finanzierung von Kohlekraft im Ausland und einer stärkeren “grünen” Ausrichtung der Seidenstraßen-Initiative, sollte geprüft werden, ob hier nicht Chancen für ein koordiniertes Vorgehen mit China liegen. Das könnte für die Partnerländer die Finanzierung der erforderlichen Klimatransformation erheblich einfacher machen. 

Auch mit europäischen Nachbarn sollte die klimapolitische Zusammenarbeit verstärkt werden. Die Ampelkoalition legt Wert auf starke europäische Zusammenarbeit, scheut sich aber leider davor, den Klimaschutz als zentralen Baustein der Zusammenarbeit, insbesondere mit Frankreich und Polen, hervorzuheben. Hier sollte in Zukunft der Schwerpunkt liegen. Gut ist, dass das Weimarer Dreieck als Zusammenarbeitsformat der drei Staaten explizit erwähnt wird. Das Dreieck sollte nun aber auch genutzt werden, die Konsensbildung für eine ambitionierte Ausverhandlung und Umsetzung des Europäischen Green Deals voranzubringen. Erfreulich ist, wie klar die Ampel den Ausbau der für die Stabilität in Europa so wichtigen Energiewendepartnerschaft mit der Ukraine ankündigt. Leider fehlt ein ähnlich starkes Bekenntnis für den Westbalkan. Die neue Bundesregierung sollte nun den Berlin-Prozess intensiver nutzen, um die Länder des Westbalkans in grenzüberschreitenden Klimapartnerschaften bei ihrem Kohleausstieg zu unterstützen. 

Keine klare Aussage macht der Vertrag dazu, dass Deutschland sich auch auf EU-Ebene dafür einsetzen sollte, dass auch der Europäische Auswärtige Dienst und die Europäische Kommission für die Weiterentwicklung und Umsetzung der Klimaaußenpolitik der EU personell und finanziell deutlich besser ausgestattet werden. Das wird aber erforderlich sein, damit die Klimaaußenpolitik Erfolg hat. 

Notwendiger Paradigmenwechsel in der Klimafinanzierung wird nicht angestoßen

Große Fragezeichen wirft der Koalitionsvertrag hinsichtlich der Finanzierung der Klimapartnerschaften und anderen Instrumenten auf. Mit dem Verweis darauf, lediglich bestehende Verpflichtungen zu erfüllen und perspektivisch die Klimafinanzierung zu erhöhen, verpasst die Ampelkoalition die Gelegenheit, klar Position zu beziehen und einen notwendigen Paradigmenwechsel bei der internationalen Klimafinanzierung einzuläuten. Kein Bezug wird auf die tatsächlichen Bedarfe der Verletzlichsten genommen. Hier muss die neue Bundesregierung ambitionierter werden, damit Deutschland die bisherige Vorreiterrolle in der internationalen Klimafinanzierung nicht verliert. Bei der anstehenden G7-Präsidentschaft sollte Deutschland einen Anstoß geben, die internationale Klimafinanzierung in ganz anderen Dimensionen neu zu denken: ein Vielfaches an Geld, mehr beitragende Akteure, neue Finanzierungsinstrumente und eine Kombination mit Entschuldung. 

Unterstützung von Ländern des Globalen Südens im Umgang mit Klimawandelfolgen als ein Schwerpunkt

Als ein Schwerpunkt der Klima- und Entwicklungspartnerschaften sollen Partnerländer bei der Klimaanpassung und der Stärkung der Klimaresilienz unterstützt werden. Positiv zu bewerten ist die Erwähnung, der am Verursacherprinzip orientierten Klimarisikoversicherungen als eine zentrale Maßnahme. Die Voraussetzung für die effektive Umsetzung solcher Instrumente sind der Zugang zu Wissen und Daten – auch dies soll im Rahmen der „Science Diplomacy“ als integraler Teil der Klimaaußenpolitik verbessert werden. Ein Lichtblick ist, dass die Koalition erstmals indirekt auch Bezug auf den Umgang mit nicht-ökonomischen, klimabedingten Schäden und Verlusten nimmt. Im Rahmen der auswärtigen Bildungs- und Kulturpolitik sollen Maßnahmen wie der KulturGutRetter – ein Mechanismus für die schnelle Hilfe zum Schutz und Erhalt von Kulturerbe in Krisensituationen weltweit – auch vor dem Hintergrund der Klimakrise ausgebaut werden. Auf diesen Maßnahmen aufbauend sollte der Umgang mit Klimafolgen prominent auf die Agenda der deutschen G7-Präsidentschaft gesetzt werden. Ziel sollte sein, Instrumente zum Umgang mit ökonomischen und nicht-ökonomischen Klimawandelfolgen voranzubringen, die Betroffenen im Globalen Süden im Umgang mit Extremwetterereignissen (z.B. Wirbelstürmen) aber auch langsam voranschreitenden Klimawandelfolgen (z.B. Meeresspiegelanstieg) unterstützen.

Der Koalitionsvertrag ist der lange benötigte Startschuss für eine explizite und kohärente deutsche Klimaaußenpolitik. Damit dieser Schuss ins Ziel trifft, muss die neue Regierung eine klare Strategie entwickeln, um die notwendigen Ressourcen zu mobilisieren und die angekündigten Maßnahmen, allen voran Klima- und Energiepartnerschaften mit Ländern des Globalen Südens, jetzt effektiv umzusetzen und auch finanziell angemessen zu unterstützen.



 - Eine umfassende Germanwatch-Analyse des Koalitionsvertrages finden Sie hier. -

Autor:innen

Laura Schäfer, Vera Künzel, David Ryfisch, Kerstin Opfer, Lutz Weischer, Rixa Schwarz, Martin Voß

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Bereichsleiter Zukunftsfähige Finanzflüsse

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Referent für Klimadiplomatie und Kooperation – Asien/China

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Bereichsleiter Deutsche und Europäische Klimapolitik