Pressemitteilung | 13.11.2021

Klimagipfel bringt Kohle weltweit in die Defensive – doch verletzlichste Opfer der Klimakrise werden allein gelassen

1,5 Grad-Limit trotz erheblicher Dynamik beim Klimaschutz noch nicht in Reichweite – Erwartungen nun auf neue Klimaziele insbesondere in China gerichtet
Pressemitteilung

Glasgow (13. Nov 2021). Die Weltklimakonferenz hat aus Sicht der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch ein zentrales Ziel verfehlt: Das 1,5 Grad-Limit ist noch nicht in Reichweite. „Leider haben China und Indien bisher keine verbesserten Klimaziele eingereicht. Ohne diese wird aber das 1,5 Grad-Limit nicht erreichbar sein“, betont Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „In den USA ist es zudem unsicher, dass die Klimaziele umgesetzt werden. Immerhin hat die gemeinsame Erklärung von China und den USA die Hoffnung genährt, dass im nächsten Jahr entscheidende Schritte gegangen werden sollen.“ Einen weltweiten Beschluss zum Kohleausstieg haben in letzter Minute China, Indien sowie die großen Ölproduzenten Iran und Venezuela verhindert. Sie schwächten die Sprache auf ein „Runterfahren“ der Kohle ab – dennoch kann der Text als Wendepunkt zum weltweiten Ausstieg aus der Kohle gesehen werden.



Stärken des Textes sind die Schärfe bei der Darstellung der klimawissenschaftlichen Fakten und der Aufruf zum Handeln verbunden mit der Aufforderung an alle Staaten, bis 2030 ihre Emissionen gemeinsam um 45 Prozent zu senken. Wer die Klimaziele für 2030 noch nicht oder unzureichend nachgebessert hat, soll dies bis Ende nächsten Jahres tun.



Der beschleunigte Kohleausstieg in Industrie- und Schwellenländern und gar das Überspringen des fossilen Zeitalters für Länder des Globalen Südens wird erhebliche Anstrengungen und entsprechende Unterstützungsangebote für diejenigen erfordern, die ihre wirtschaftliche Entwicklung ohne Kohle, Öl und Gas vorantreiben sollen. Die neu vereinbarte Partnerschaft Deutschlands mit Südafrika für einen sozial gerechten Kohleausstieg kann dafür Vorbildcharakter entwickeln. Bals: „Weitere Länder haben bereits Interesse an einer solchen Partnerschaft signalisiert. Deutschland sollte im Rahmen einer neuen Klimaaußenpolitik dieses Partnerschaftsmodell auf Länder wie Indonesien, Pakistan, die Philippinen und Ruanda ausweiten. Eine solche Übereinkunft mit Indien könnte ein internationaler Meilenstein werden.“



Ernst der Lage und Relevanz der Klimaanpassung endlich erkannt



Eindeutig wird der Abschlusstext bei der Beschreibung der aktuellen Situation. „Nie zuvor hat ein UN-Klimagipfel-Dokument die Dramatik der Klimakrise so eindeutig festgehalten. Die Wissenschaft schlägt Alarm und Debatten darum, ob die Situation wirklich so ernst ist, sind endgültig beendet“, sagt Rixa Schwarz, Leiterin des Teams Internationale Klimapolitik bei Germanwatch. Das Ausmaß der Folgen der Klimakrise wird ebenso mit „größter Besorgnis“ festgestellt. Dass ein zweijähriges Arbeitsprogramm zum globalen Klimaanpassungsziel aufgesetzt werden konnte, ist daher ein wichtiger Schritt – auch für eine bessere Balance der Verhandlungen zwischen Klimaschutz und -anpassung.



Keine Antworten auf Umgang mit klimabedingten Schäden & Verlusten



Die Industrieländer haben ihr Versprechen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und -anpassung in Entwicklungsländern zu mobilisieren, nicht eingehalten. Sie haben nun angekündigt, das Ziel spätestens 2023 zu erreichen und dann überzuerfüllen. Aber die US-Regierung hat verhindert, diese Zusage verbindlich zu machen. „Das Minimum wäre gewesen, dass die Industrieländer sich klar verpflichten, über die kommenden fünf Jahre tatsächlich im Schnitt 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr bereitzustellen. Dabei sind auch diese 100 Milliarden schon meilenweit vom tatsächlichen Bedarf der Ärmsten und Verletzlichsten entfernt. Deutschland muss während der kommenden G7-Präsidentschaft den notwendigen Paradigmenwechsel in der internationalen Klimafinanzierung einläuten – sie muss sich am tatsächlich Notwendigen orientieren“, fordert David Ryfisch, Co-Leiter des Teams Internationale Klimapolitik bei Germanwatch.



Immer deutlicher zeigt sich, dass der konsensorientierte UN-Prozess keine angemessene Antwort auf den Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten verabschieden kann. Leider wurde lediglich ein halbherziger Dialog mit ungewissem Prozess aufgesetzt. „Die Verweigerung wichtiger Industrieländer, finanzielle Mittel für den Umgang mit Schäden und Verlusten bereitzustellen, ist schwer zu überwinden – offenbar vor allem aus Angst, letztlich haften zu müssen. Es ist beschämend, wenn in Deutschland problemlos 30 Milliarden Euro für klimabedingte Schäden und Verluste im eigenen Land aufgebracht werden, aber für die Ärmsten und Verletzlichsten weltweit gerade mal ein paar Millionen zusammenkommen“, sagt Rixa Schwarz.



Das wichtigste positive Signal bei der internationalen Klimafinanzierung ist immerhin, dass das Geld für die Klimaanpassung verdoppelt werden soll.



Regelbuch zum Pariser Klimaabkommen fertig



Die ausstehenden Elemente des Regelbuchs zum Pariser Abkommen konnten abgeschlossen werden. Bei den Marktmechanismen unter Artikel 6 des Pariser Abkommens konnten die größten Schlupflöcher der Doppelzählung vermieden werden, erlaubt wurde gleichzeitig allerdings die Übernahme von ab 2013 unter den alten Regeln des Clean Development Mechanism ausgestellten Zertifikaten. Über das Ausmaß dieses Schlupfloches gibt es unterschiedliche Abschätzungen. „Die Anzahl der Zertifikate, die so in das System kommen ohne zusätzlich dem Klima zu dienen, ist nicht genau bekannt. Die angekündigte Expertengruppe des UN-Generalsekretärs zur Rechenschaft von Ankündigungen nicht-staatlicher Akteure muss klare Regeln aufstellen, damit Unternehmen sich nicht mit zweitklassigen Zertifikaten eindecken, um auf dem Papier ihre Klimaneutralitätsziele zu erreichen“, so Ryfisch. Positiv sei aber, dass 5 Prozent der Einnahmen aus den Zertifikaten unter dem neuen Mechanismus an den Anpassungsfonds fließen und weitere 2 Prozent der Zertifikate gelöscht werden und damit dem Klima zugute kommen.



Der zweite wichtige Beschluss zum Regelbuch ist die Einigung auf einen erweiterten Transparenzrahmen samt den Berichtsformaten. Ziel des Transparenzrahmens ist es, mit Fortschrittsberichten, die alle zwei Jahre eingereicht werden müssen, gegenseitiges Vertrauen zwischen den Vertragsstaaten zu schaffen. Die Berichte bilden nicht nur die Grundlage für den Global Stocktake (globale Bestandsaufnahme) sondern liefern auch Informationen über die kritischen Marktmechanismen. „Ein Gewinn bei der Berichterstattung ist die – freiwillige – Ergänzung um Informationen zu klimabedingten Schäden und Verlusten“, sagt Rixa Schwarz.



Zur regelmäßigen Einreichung von nationalen Klimaplänen ist die Option, dies nur alle zehn Jahre zu machen, vom Tisch. Alle Staaten werden „ermutigt“ alle fünf Jahre neue Pläne einzureichen. Es gilt, nun ausreichend Druck aufzubauen, dass sich die Länder an diese Ermutigung halten.

In Kürze finden Sie hier eine ausführliche Analyse der Ergebnisse des Klimagipfels COP26: https://germanwatch.org/de/21167