Ein Wendepunkt für die Kohle - aber 1,5 Grad-Limit noch nicht in Reichweite und große Lücken bei Schäden und Verlusten
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Das Ergebnis der UN-Klimakonferenz ist zwiespältig: Es gibt eine starke Dynamik für den Ausstieg aus Kohle und Druck auf Zögernde beim Klimaschutz – aber damit das 1,5 Grad-Limit in Reichweite kommt, muss insbesondere China das Klimaziel bald nachbessern und die USA ihres gut umsetzen. Hinzu kommt ein kümmerliches Ergebnis bei dem Thema Schäden und Verluste.
- Einleitung und Überblick
- Verhandlungsthemen
2.1. Minderung
2.2. Anpassung
2.3. Klimabedingte Schäden und Verluste
2.4. Klimafinanzierung
2.5. Regelbuch (Artikel 6, Transparenzrahmen, 5-Jahres-Zeitrahmen) - Ausblick
Die Erwartungen an den 26. Klimagipfel COP26 im schottischen Glasgow im November 2021 waren enorm. Ein Sommer der Extremwetter, der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC und in Deutschland eine Bundestagswahl, die stärker als je zuvor vom Klimathema geprägt war, erhöhten den politischen Druck für wichtige Ergebnisse und Beschlüsse, die der Dringlichkeit des Handelns im Klimaschutz und beim Umgang mit Klimafolgen – Anpassung sowie Schäden und Verluste – gerecht werden.
Die britische COP-Präsidentschaft verhalf sich mit täglichen positiven Ankündigungen von Staaten und nicht-staatlichen Akteuren zu einem positiven Presseecho. Thementage befassten sich unter anderem mit Finanzierung, Energie, Anpassung sowie Schäden und Verlusten oder auch mit Verkehr. Zentrale – unverbindliche – Ankündigungen von Ländern und nicht-staatlichen Akteuren waren:
- Unter dem "Global Methane Pledge" verpflichten sich Staats- und Regierungschefs, die Methanemissionen bis 2030 um 30 % zu senken. Dies ist eine internationale Initiative der USA und der EU zur kurzfristigen Verlangsamung der Erwärmung, der mehr als 100 Länder beitraten.
- Die neue Beyond Oil and Gas Alliance (BOGA) vereint Länder, die sich verpflichten, die Öl- und Gasförderung innerhalb ihrer Grenzen zu beenden. Die Kernmitglieder des BOGA sind Costa Rica, Dänemark, Frankreich, Grönland, Irland, Schweden, Wales und die kanadische Provinz Quebec.
- Die Unterstützer der Vereinbarung zur Beendigung der internationalen Finanzierung fossiler Brennstoffe werden bis Ende 2022 die neue direkte öffentliche Unterstützung für den internationalen Energiesektor mit unverminderten fossilen Brennstoffen beenden. Als sich Deutschland der Initiative anschloss, wies Staatssekretär Jochen Flasbarth bei der Finanzierung von Gas auf die begrenzten und klar definierten Fälle hin, die mit der Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C und damit den Zielen des Pariser Abkommens vereinbar sind.
- Nach der Zusage der schottischen Regierung von 2 Millionen Pfund für Schäden und Verluste durch den Klimawandel hat eine Gruppe von Philanthropie-Organisationen bereits weitere 3 Millionen Pfund zugesagt.
- Auch Deutschland sagte 10 Millionen Euro im Kontext der Finanzierung des Umgangs mit Schäden und Verluste zu, die aber ausschließlich zur Unterstützung des Santiago Netzwerks für Schäden und Verluste vorgesehen sind.
Den Auftakt der COP26 bildete der World Leaders Summit. Hier waren die Staats- und Regierungschefs aufgerufen, fünf (wegen der Verschiebung des Gipfels aufgrund der Coronapandemie sechs) Jahre nach Paris ihre nachgebesserten Klimaziele für 2030, Langfriststrategien bis Mitte des Jahrhunderts, nationale Umsetzungsaktivitäten und Erwartungen an die COP26 zu kommunizieren. Besonders hervor tat sich dabei Indien. Premierminister Narendra Modi kündigte fünf neue Elemente für den Klimaschutz an: Darunter ist die Erhöhung der nicht-fossilen Energien auf 500 GW und 50 % der Stromgewinnung aus nicht-fossilen Energien bis 2030 sowie ein eher geopolitisch kalkuliertes als energiepolitisch durchgerechnetes net-zero-Ziel für Indien in 2070. Diese Nachbesserung der Ziele ist Teil des Ambitionsmechanismus, der in Paris beschlossene wurde, um die massive Lücke zwischen den nationalen Klimazielen der Staaten und dem verabschiedeten globalen Temperaturziel stetig zu schließen.
Danach standen die eigentlichen Verhandlungen und deren Beschlüsse im Zentrum des Klimagipfels. Auf der Agenda: Konkretisierung des 1,5 Grad-Limits, mehr und schnellerer Klimaschutz, der Ausstieg aus den fossilen Energien, der Schutz der besonders Betroffenen von Schäden und Verlusten, bessere internationale Klimafinanzierung und der Abschluss des sogenannten Regelbuchs des Pariser Klimaabkommen.
Im Rückblick könnte dieser Klimagipfel eines Tages als Wendepunkt zum Ausstieg aus der Kohle weltweit gesehen werden. Und das obwohl China, Indien, der Iran, Venezuela und Kuba in letzter Minute den Kohletext von ‚aussteigen‘ in ‚runterfahren‘ abgeschwächt haben. Aber trotz der Dynamik, die dieser Klimagipfel für den weltweiten Ausstieg aus der Kohle und mehr Klimaschutz aufgebaut hat, ist das 1,5 Grad-Limit ohne schnelle Nachbesserungen der Ziele der größten Emittenten und deren Implementierung nicht mehr in Reichweite. Die Verschärfung des Klimaziels für 2030 in China und eine glaubwürdige Umsetzung der US-Ziele sind nun entscheidende nächste Schritte – aber auch Indien muss die auf der COP26 angekündigten Nachbesserungen der nationalen Klimapläne (engl.: Nationally Determined Contributions, NDCs) einreichen und dann umsetzen.
Wir haben deutlich mehr Dynamik für Klimaschutz und Kohleausstieg von Staaten, Unternehmen, dem Finanzsektor und der Zivilgesellschaft weltweit als je zuvor. Es gilt diese nun zu nutzen, um jetzt international, in der EU, in Deutschland mit der neuen Bundesregierung und durch solidarische internationale Kooperation auf gesellschaftliche Kipppunkte hinzuarbeiten, die das 1.5°C-Temperaturlimit in Reichweite bringen. Auf dem G20-Gipfel – direkt vor der Klimakonferenz – hatten alle G20-Staaten Treibhausgasneutralitätsziele für Mitte oder um Mitte des Jahrhunderts herum angekündigt. Notwendig ist, verkündete Klimapläne und Langfristziele für Mitte des Jahrhunderts nicht nur zu beschwören, sondern vor allem umzusetzen. Überhaupt hat sich bei diesem Gipfel deutlich wie selten zuvor gezeigt, dass die auf dem G20-Gipfel akzeptierte Sprache die Grundlage für wichtige Kompromisse bei den UN-Klimaverhandlungen ist. Andererseits ist die G7-Sprache oft ein Wegbereiter für entsprechende G20-Sprache.
Die politische COP-Entscheidung sollte – neben den Zielnachbesserungen der Staaten – eine Antwort auf die hohen Erwartungen an den Gipfel („letzte Chance“ usw.) geben. Das Ergebnis hebt den „Alarmruf“ und die „allergrößte Besorgnis“ der Wissenschaft hervor; sie macht deutlich, dass sich inzwischen das 1,5°C-Limit als die notwendige Interpretation von „deutlich unter 2°C“ des Paris-Abkommens durchgesetzt hat. Und dieses Temperaturziel wird, basierend auf dem IPCC, operationalisiert: die globalen Emissionen müssen zwischen 2010 und 2030 global um 45 % sinken. Derzeit aber – so der Beschluss – lassen die Ziele einen Anstieg um 13 % bis 2030 erwarten. Wer die Klimaziele für 2030 also noch nicht oder unzureichend nachgebessert hat, wird dringlich aufgefordert, dies bis Ende nächsten Jahres zu tun. Dieser Aufruf zur Umsetzung der gesetzten Ziele und Maßnahmen hätte noch stärker ausgedrückt werden können, immerhin geht es hier darum, ob das 1.5°C-Limit noch in Reichweite bleibt. Zudem werden alle Länder gedrängt, möglichst schon im nächsten Jahr ihre Ziele so nachbessern, dass sie zu 1.5°C passen. Um die bestehende Lücke zu schließen, wurde (1) ein Arbeitsprogramm beschlossen, (2) ein Synthesebericht der Langfriststrategien in 2022, (3) jährliche Aktualisierungen des Syntheseberichts der nationalen Klimabeiträge und (4) Ministertreffen zu den 2030-Zielen vereinbart. Auch die (5) notwendige Ausrichtung der 2030-Ziele am Langfristziel der Treibhausgasneutralität wurde festgehalten.
Im Rückblick könnte dieser Klimagipfel eines Tages, wie bereits in der Einleitung erwähnt, als Wendepunkt zum Ausstieg aus der Kohle weltweit gesehen werden. Und das obwohl China, Indien, der Iran, Venezuela und Kuba in letzter Minute den Kohletext von ‚aussteigen‘ in ‚runterfahren‘ abgeschwächt haben. Aber die 1.5°C-Szenarien, etwa der Internationalen Energieagentur (IEA), zeigen deutlich, dass mit diesem Temperaturziel ein Ausstieg aus der Kohle in den Industrieländern bis 2030 und in den Schwellenländern bis 2040 notwendig ist. Dieser beschleunigte Kohleausstieg in Industrie- und Schwellenländern und gar das Überspringen des fossilen Zeitalters für Länder des Globalen Südens erfordern erhebliche Anstrengungen und entsprechende Unterstützungsangebote für die ärmeren Staaten, die ihre soziale und wirtschaftliche Entwicklung ohne Kohle, Öl und Gas vorantreiben wollen. Die am Rande der COP26 neu vereinbarte Partnerschaft Deutschlands, der USA, Großbritanniens und der EU-Kommission mit Südafrika für einen sozial gerechten Kohleausstieg kann dafür Vorbildcharakter entwickeln. Weitere Länder haben bereits Interesse an einer solchen Partnerschaft signalisiert. Die neue Bundesregierung muss die deutsche Klimaaußenpolitik mit einem entsprechenden Mandat und der notwendigen finanziellen sowie personellen Ausstattung im BMU, BMZ und Außenministerium versehen. Länder wie Indonesien, Pakistan, die Philippinen, Ruanda, aber auch Giganten wie Indien sind mögliche Partner in der nächsten „Runde“. Eine solche Übereinkunft mit Indien könnte ein internationaler Meilenstein werden, um das 1.5°C-Limit in Reichweite zu rücken.
Die globale Veränderung der Durchschnittstemperatur – und damit einhergehende Verschiebungen der Jahreszeiten sowie die zunehmende Häufigkeit und Heftigkeit extremer Wetterereignisse sowie die langsam voranschreitenden Veränderungen wie der Meeresspiegelanstieg oder die Ausdehnung von Wüsten bis hin zum immer größeren Risiko der sogenannten Kipppunkte zu erreichen – all dies erfordert von Ländern und lokalen Entscheidungsträger:innen eine Durchführung von Anpassungsmaßnahmen. Sie müssen auf die bereits eingetretenen Auswirkungen des Klimawandels reagieren und sich auf unvermeidbare zukünftige Auswirkungen vorbereiten. Aber trotz dieser realen Notwendigkeit hat Anpassung im UNFCCC-Prozess - besonders im Vergleich zum Klimaschutz - noch nicht die notwendige Relevanz gefunden. Es war daher für die besonders betroffenen und weniger anpassungsfähigen Länder des Globalen Südens wichtig, bei der COP26 eine stärkere Anerkennung von Anpassung zu erwirken. Dies ist in der politischen Entscheidung und einem neu aufgesetzten Arbeitsprogramm "Glasgow-Sharm el-Sheikh Work Programme on the global goal on adaption" ein Stück weit gelungen. Dass das in Paris beschlossene globale Anpassungsziel (engl.: global goal on adaptation, GGA) endlich präzisiert und ausgestaltet werden soll, war dabei eine zentrale Forderung der Entwicklungsländer. Dieses zweijähriges Arbeitsprogramm unter den Nebenorganen SBSTA und SBI ist ein wichtiger Beschluss, um die fehlende Balance zwischen Klimaschutz und Anpassung im UNFCCC-Prozess zu etablieren. Für die ersten zwei der jährlich vier Workshops haben sich bereits die Malediven und Ägypten als Veranstalter angeboten. Außerdem werden die Zwischenverhandlungen im Juni 2022 das Arbeitsprogramm aufgreifen. Thematisch wird der kommende Bericht der Arbeitsgruppe II des IPCCs zu Anpassung in die Diskussionen einbezogen. Einen ersten Bericht zum Arbeitsprogramm des GGA wird es auf der COP27 geben, einen weiteren zur COP28. Die ägyptische COP27-Präsidentschaft hat bereits Interesse am GGA angekündigt und wird ausloten müssen, welche konkreten Beschlüsse von den besonders verletzlichen Ländern gefordert und von den Industrie- und Schwellenländern mitgetragen werden können.
Wesentliche Fortschritte konnten auch im Bereich der Anpassungsfinanzierung erzielt werden (s. 2.4.).
2.3 Klimabedingte Schäden und Verluste
Klimawandelfolgen sind für Millionen von Menschen weltweit bereits eine Realität, vor allem für die arme Hälfte der Weltbevölkerung, die am wenigsten (nur 10 %) zur Klimakrise beigetragen haben. Auf der COP26 hat die Staatengemeinschaft dabei versagt, den am stärksten gefährdeten Menschen endlich angemessene, bedarfsgerechte und der Größenordnung der Probleme entsprechende Unterstützung zur Verfügung zu stellen, um mit Schäden und Verlusten umgehen zu können. Es zeigt sich immer wieder, wie der an Konsens gebundene UNFCC-Prozess zu Schäden und Verlusten (engl. loss and damage, L&D) durch das vehemente Veto von Staaten wie den USA, Japan oder Frankreich versagt, angemessene Antworten für diese Herausforderung zu finden. Als Minimallösung hat die COP26 entschieden, den "Glasgow Dialog" zwischen Verhandlungsparteien, relevanten Organisationen und Interessensgruppen aufzusetzen, um bis Juni 2024 (SB60) Möglichkeiten für die Finanzierung von Maßnahmen zum Umgang mit Schäden und Verlusten zu erörtern. Dieser muss zum Ausgangspunkt dafür werden, um schon im nächsten Jahr auszuloten, wie innerhalb und außerhalb des Prozesses angemessene Antworten auf diesen Gerechtigkeitsskandal gefunden werden können. Für das Ahrtal wurde mit 30 Milliarden Euro ein Vielfaches mehr an öffentlichen Geldern zugesagt, als von der gesamten Weltgemeinschaft für die in den armen Ländern Betroffenen der Klimakrise.
Die Verhandlungsgruppen der verletzlichen Länder (G77, LDCs und AOSIS), die rund ⅔ der Verhandlungsparteien vertreten, hatten einen Vorschlag für eine Finanzfazilität für den Umgang mit Schäden und Verlusten in den Prozess eingebracht, deren Einrichtung aber am Widerstand der Industrieländer scheiterte. Der dann während der COP26 aufgesetzte Prozess des Glasgow-Dialogs muss nun im nächsten Jahr – bei der COP27 in Afrika (Ägypten) – Wege aufzeigen, wie dem zynischen Herauszögern von Lösungen ein Ende gemacht werden kann. Es ist zu hoffen, dass von der G7 und vom Petersberger Klimadialog hierzu wegweisende Vorschläge erarbeitet werden. Lösungsvorschläge und die entsprechende finanzielle Unterstützung dürfen sich nicht bis 2024, dem Endpunkt des Dialogs, hinziehen.
Auch fehlten Verweise auf Schäden und Verluste in der politischen COP-Entscheidung über das neue kollektive quantifizierte Finanzierungsziel und waren in der Abschlusserklärung nur in sehr begrenztem Umfang enthalten.
Positiv – aber weit unterhalb des Notwendigen – ist die Operationalisierung des in Madrid auf der COP25 eingerichteten "Santiago Netzwerks für Schäden und Verluste", inklusive der Festlegung konkreter Funktionen, zu bewerten. Beschlossen wurde auch die finanzielle Unterstützung des Netzwerkes mit Ressourcen für die technische Unterstützung von Entwicklungsländern bei der Umsetzung einschlägiger Ansätze zur Abwendung, Minimierung und Bewältigung von Verlusten. Ein Prozess wird die institutionelle Ausgestaltung des Netzwerks bis zur COP27 klären. Deutschland hat als einer der ersten Staaten bereits 10 Millionen Euro für das Santiago Netzwerk angekündigt.
Ein vor allem symbolisch wichtiges Signal war, dass die schottische Regierung, wie in der Einleitung erwähnt, die allererste spezifische Zusage zur Bewältigung von Schäden und Verlusten (2 Millionen Pfund) ankündigte, Private Stiftungen ergänzten die Ankündigungen darüber hinaus (um 3 Millionen Dollar).
Die Klimafinanzierung hat als wichtiges Umsetzungs- und Vertrauenselement bei Klimaverhandlungen allgemein einen hohen Stellenwert. Die COP26 markierte zudem einen besonderen Meilenstein mit (1) der erstmaligen Bewertung der Zusage der Industrieländer ab 2020 100 Milliarden US-Dollar für Entwicklungsländer bereitzustellen sowie (2) mit dem Beginn der Beratungen über das neue kollektive quantifizierte Ziel für die Klimafinanzierung nach 2025.
Das Eingeständnis der Industrieländer nur wenige Tage vor Beginn der COP26, dass das Ziel von 100 Milliarden US-Dollar jährlich voraussichtlich erst 2023 erreicht wird, führte bereits vor Beginn der Verhandlungen zu einem erheblichen Vertrauensverlust auf Seiten der Entwicklungsländer. Die Entwicklungsländer machten zudem deutlich, dass eine angemessene Klimafinanzierung zur Einhaltung des 1,5°C-Temperaturziels und der Bewältigung der Auswirkungen tatsächlich um ein Vielfaches höher ausfallen müsste. Die Industrieländer vermieden es, den offensichtlichen Bezug zwischen dem 1,5°C-Ziel und der Klimafinanzierung herzustellen – wohl aus Sorge vor den damit einhergehenden Größenordnungen an notwendiger Klimafinanzierung. Andererseits würde dann die Notwendigkeit für Finanzierung von Anpassung sowie Schäden und Verlusten weniger schnell steigen. Die Europäische Union, traditionell eine der progressiveren Stimmen innerhalb der Industrieländer, agierte aus Sorge einer möglichen Lücke bei Nichtzahlung anderer Geber (insbesondere Verlässlichkeit der USA) passiv. Die möglichen Auswirkungen der bevorstehenden amerikanischen Zwischenwahlen spielten hierbei eine hemmende Rolle. Die USA agierten – wie üblich – bremsend bei Klimafinanzierungen. Durch ihre Blockade wurde weder eine Zusage gemacht, die 100 Milliarden US-Dollar durchschnittlich zwischen 2020 und 2025 zu erreichen, noch sich verbindlich zu verpflichten spätestens 2023 die Summe bereitzustellen.
Angesichts der stärker werdenden Auswirkungen des Klimawandels auf der ganzen Welt, stellten Entwicklungsländer die Anpassungsfinanzierung sowie die Finanzierung von Schäden und Verlusten als Priorität ins Zentrum ihrer Forderungen auf der COP26. Sie forderten eine deutliche Aufstockung der Anpassungsfinanzierung, mit dem Ziel, perspektivisch das im Pariser Abkommen festgehaltene ausgewogene Verhältnis von Finanzierung für Anpassung und Minderung zu erreichen. Die Forderungen zur Anpassungsfinanzierung wurden immerhin teilweise akzeptiert. Die Abschlusserklärung wertet Anpassungsfinanzierung mit einem eigenen Kapitel auf und fordert von Industrieländern zumindest eine kollektive Verdopplung der Anpassungsfinanzierung bis 2025 gegenüber 2019. Zudem machten mehrere Industrieländer neue Zusagen über insgesamt 356 Millionen US-Dollar für den Anpassungsfonds – dem bisher höchsten Betrag, der dem Fonds zugesagt wurde. Gleichzeitig versäumten sie es, durch mehrjährige Zusagen für Vorhersehbarkeit zu sorgen und gaben keine Zusicherungen, dass dieser Aufwärtstrend beibehalten werden würde. Auch sind diese Zusagen zwar ein wichtiges Signal, aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn, nach Schätzung der Umweltorganisation der Vereinten Nationen, in 2030 jährlich etwa 300 Milliarden US-Dollar in Anpassungsfinanzierung von Entwicklungsländern benötigt werden. Die Abschlusserklärung verlor im Laufe der Verhandlungen einen wichtigen Bezug zur Bedeutung von Zuschüssen und stark konzessionären Mitteln. Auch dies geschah vermutlich auf Drängen der USA, die auf eine stärkere Rolle des Privatsektors in der Bereitstellung der Klimafinanzierung abzielen, obwohl Anpassungsfinanzierung weiterhin stark von Zuschüssen abhängig ist. Die ergänzenden Entscheidungen, beispielsweise zur Langfristfinanzierung, fielen schwächer aus. Der potenzielle Beitrag zur Anpassungsfinanzierung aus den Kohlenstoffmärkten gemäß Artikel 6 (siehe 2.5.1.) wurde geschmälert, indem der zwischenstaatliche Handel unter 6.2 trotz deutlicher Forderungen nur auf freiwilliger Basis zur Anpassungsfinanzierung beiträgt. Die USA widersetzten sich, da sie es als eine Besteuerung interpretierten und diese Zustimmung durch den Kongress erfordern. Immerhin sieht der Beschluss von Glasgow vor, dass eine auf unter dem 6.4-Mechanismus gehandelte Emissionszertifikate erhobene 5 % Gebühr in den Anpassungsfonds fließen soll. Dies ist zu begrüßen.
Ein weiteres zentrales Thema der Finanzagenda war die Frage des Zugangs zur Klimafinanzierung. Klassischerweise wurde dieses Thema in Industrieländern primär als Kapazitätsproblem auf Entwicklungsländerseite betrachtet. Auch dieses Mal wurde der Mangel an starken Rahmenbedingungen in den Entwicklungsländern als Teil des Problems diskutiert. Immerhin wurde aber andererseits anerkannt, dass auch eine wirksame und kohärente Klimafinanzierungslandschaft eine Voraussetzung für einen besseren Zugang zu Finanzmitteln für Entwicklungsländer ist.
Zunehmend gewinnen Aspekte über die klassische Klimafinanzierung von Industrie- an Entwicklungsländer hinaus in den Verhandlungen an Bedeutung. Dies verdeutlichen die Verhandlungen zum neuen Klimafinanzierungsziel für die Zeit nach 2025. Insbesondere China, bei dem immer mehr Entwicklungsländer verschuldet sind, wollte Bezüge zur Verschuldung, zu Fiskalpolitik und Subventionen für fossile Energieträger ebenso ausschließen, wie die Debatte über die notwendige Ausweitung der Geber. Dabei spielt die hohe Verschuldung vieler Entwicklungsländer beim Zugang zur Klimafinanzierung bereits jetzt eine wichtige Rolle. In der Abschlusserklärung wurde dies immerhin erstmals mit Besorgnis erwähnt, allerdings lediglich im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie.
Weiterhin wenig Raum bieten die Verhandlungen für Diskussionen um das dritte Langfristziel des Pariser Abkommens: Die Finanzströme mit einem Weg zu niedrigen Treibhausgasemissionen und einer klimaresistenten Entwicklung in Einklang zu bringen. Trotz eines eigenständigen Kapitels im zweijährigen Bericht des Ständigen Finanzausschusses bleibt unklar, wo die Welt hinsichtlich dieses Ziels steht. Während es bei Klimaschutz das 1.5°-Limit gibt, bei Anpassung ein neues globales Ziel in den nächsten zwei Jahren diskutiert werden soll, ist in Bezug auf das Umschichten der Finanzströme ein solches globales Ziel noch nicht in Vorbereitung. Dies ist mit Blick auf die erste globale Bestandsaufnahme in 2023 eine ernstzunehmende Lücke. Insbesondere auch weil einerseits die Abschlusserklärung zum Abbau ineffizienter Subventionen für fossile Brennstoffe aufruft und andererseits außerhalb des UNFCCC-Prozesses zu Beginn der Verhandlungen weitreichende Ankündigungen des Finanzsektors, darunter die "Glasgow Financial Alliance for Net Zero" (GFANZ) – eine globale Koalition von Finanzinstitutionen, die sich für die Beschleunigung der Dekarbonisierung der Wirtschaft einsetzt – gemacht wurden. Doch ohne Kriterien für die Umsetzung des Ziels fehlt es an einem Rahmen, diese Ankündigungen wirkungsvoll zu operationalisieren.
2.5.1 Artikel 6 (Marktmechanismen)
Mit drei Jahren Verspätung konnten sich die Vertragsstaaten zu den Regularien für Artikel 6 des Pariser Abkommens einigen. Der Artikel ermöglicht Staaten den internationalen Handel mit quantifizierten Emissionseinsparungen. Der im Pariser Klimaabkommen versprochene Zusatznutzen für das Klima ist durch die Regelung aber nicht wirklich erreicht. Und während viele Detailregeln die Umweltintegrität gut schützen, wurde mit der Übernahme von Kyoto-Zertifikaten ein nicht unerhebliches Schlupfloch geöffnet.
Direkt anschließend an die COP26 veröffentlichte eine Koalition von Staaten um die im Vorlauf der COP25 in Madrid veröffentlichten "San Jose Prinzipien" eine Stellungnahme, in der sie sich verpflichteten bei der Nutzung des Artikels über die Ergebnisse von Glasgow hinauszugehen. Sie identifizierten die Ergebnisse von Glasgow als unzureichend – verglichen mit den selbst gesetzten Prinzipien. Die EU sollte diesem Beispiel folgen. Deutschland hatte bei der COP25 als erstes Industrieland die Prinzipien mitgetragen. Zentral ist, dass a) diese Ziele nicht auf die bestehenden Ziele (55 % der EU, 65 % in Deutschland) angerechnet werden können, sondern nur für zusätzliche Ziele über dieses Niveau hinaus. Außerdem b) können die Kyoto-Zertifikate, die keinen zusätzlichen Nutzen für das Klima bieten, hier nicht genutzt werden.
Positiv am Beschluss von Glasgow ist zu bewerten, dass ein lange, insbesondere von Brasilien, gefordertes Schlupfloch – die doppelte Anrechnung von Emissionseinsparungen – vermieden werden konnte. Einmal Klimaschutz auf zwei Länderziele anrechnen hätte die Umweltintegrität des Paris-Abkommens torpediert. In den letzten Jahren war die Frage der Anrechnung einer der Hauptstreitpunkte. Wenn sich Staaten nun Emissionseinsparungen aus anderen Ländern auf ihr Klimaziel anrechnen wollen, muss es eine entsprechende Angleichung in den Bilanzen geben. Auch wirkt sich positiv aus, dass sich die Vertragsstaaten auf die ambitionierteste Lösung bei der Berechnungsgrundlage zur Feststellung der Emissionsreduktionen einigten. Zwischenzeitlich stand zu befürchten, dass auch Zertifikate aus Waldprojekten im Rahmen des projektbasierten Handels anerkannt werden könnten. Der Beschluss enthält nun keine entsprechende Erlaubnis. Das ist wichtig, da der entsprechende Vorschlag die Ambition des Pariser Abkommens untergraben hätte. Positiv ist ebenfalls, dass ein unabhängiger Beschwerdemechanismus eingerichtet werden soll, der es der lokalen Bevölkerung erlaubt, auf potentiell negative Auswirkungen von Projekten und Programmen aufmerksam zu machen. Richtig aufgesetzt, kann dieser Beschwerdemechanismus dazu beitragen, dass Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Klimaschutzprojekten verhindert werden. Abgesehen davon enthält der Text jedoch noch keine ausreichend starke Sprache hinsichtlich Safeguards, Gender und Menschenrechten.
Allerdings ist die Einigung in Hinblick auf den Zusatznutzen des Handels für das Klima enttäuschend. Der internationale Handel unter Artikel 6 soll kein Nullsummenspiel sein. Es wurde in Glasgow die Chance verpasst, sicherzustellen, dass die Marktmechanismen einen nennenswerten Nutzen für die Gesamtbilanz der Emissionen erzielen. Der Beschluss von Glasgow hat dies wie folgt operationalisiert: Unter dem 6.4-Mechanismus müssen verpflichtend nur wenige einstellige Prozent der gehandelten Zertifikate stillgelegt werden. Das bedeutet, dass sich weder der:die Käufer:in noch der:die Verkäufer:in diese Reduktionen anrechnen darf und sie zusätzlich dem Klima zugutekommen. Bei Transaktionen, die unter 6.2 stattfinden, ist eine entsprechende Stilllegung nur freiwillig. Diese Ergebnisse sind sehr enttäuschend. Ein wirklicher Zusatznutzen für das Klima wäre entstanden, wenn das Ziel bei mindestens 20 % gelegen hätte, doch alle relativ ambitionierten Vorgaben wurden auf Druck, u.a. der USA, Australiens und Brasiliens abgeschwächt. Um den versprochenen Zusatznutzen für das Klima sicherzustellen, dürfen die Industrieländer nun in der Umsetzung den Art. 6 nur für Zusatzziele, die über die im NDC zugesagten nationalen Ziele hinausgehen, nicht jedoch um die bisherigen Ziele zu erreichen, eingesetzt werden.
Hinsichtlich eines klaren Schlussstriches unter den Clean Development Mechanism (CDM) bzw. das Kyoto-Regime bleibt der Beschluss deutlich hinter den Erwartungen zurück. Bis zum Schluss war in Glasgow hoch umstritten, inwiefern Zertifikate aus dem CDM für die Zielerreichung unter dem Pariser Abkommen verwendet werden dürfen. Staaten wie Indien, die ein Interesse am Verkauf von CDM-Zertifikaten haben, setzten sich dafür ein, dass eine große Zahl an alten Zertifikaten für die NDC-Erreichung genutzt werden dürfen und damit rechnerisch so getan wird, als würde neuer Klimaschutz umgesetzt. Diese Zertifikate aus der Kyoto-Zeit stellen keine zusätzliche Emissionsminderung unter dem Pariser Abkommen dar. In Glasgow hat es hier einen Kompromiss gegeben: Zertifikate aus Projekten, die nach dem 1.1.2013 registriert wurden, dürfen verwendet werden. Die Schätzungen zur Menge der Zertifikate variiert dabei erheblich. Dieser Kompromiss ist ein herber Rückschlag für die Ambition des Pariser Abkommens. Positiv zu bewerten ist lediglich das Verfallsdatum dieser alten Zertifikate (Nutzung nur für das erste NDC eines jeden Staates).
Allerdings bestehen Möglichkeiten, die negativen Auswirkungen der Übernahme von Zertifikaten aus dem CDM zu limitieren. Alle integren Industrieländer sollten sich verpflichten, diese Zertifikate in ihrem Rechtsraum nicht zu nutzen. Es könnten sich einige Geberländer bzw. private Stiftungen zusammentun, um diese Zertifikate kostengünstig aufzukaufen und ohne Schaden für das Klima stillzulegen: Praktisch eine rückwirkende Klimafinanzierung für bereits erfolgte Resultate. Auch wird es wichtig werden, dass die Zivilgesellschaft den Privatsektor eng begleitet, damit dieser keine billigen, zweitklassigen Zertifikate nutzt, um seine selbstgesteckten Treibhausgasneutralitätsziele ohne eigene Anstrengungen zu erfüllen. Die vom UN-Generalsekretär angekündigte Expert:innengruppe zur Begleitung der Ankündigung nicht-staatlicher Akteure wird hier eine Schlüsselrolle spielen, um mögliche Risiken von Beginn an einzugrenzen.
Der zweite wichtige Beschluss zum Regelbuch ist die Einigung auf einen erweiterten Transparenzrahmen samt seinen Berichtsformaten. Bei den Transparenzregeln geht es darum, dass die Länder detaillierte Informationen darüber übermitteln, ob sie ihre Zusagen aus den NDCs einhalten und ihre Klimaziele umsetzen und vor allem, ob diese Informationen zuverlässig sind. Sie stellen sicher, dass eine Tonne CO2 in Afrika oder China einer Tonne CO2 in der EU oder Brasilien entspricht. Auch über Klimafinanzierung und Anpassungsmaßnahmen müssen die Länder alle zwei Jahre berichten. Ein Gewinn bei der Berichterstattung ist die – freiwillige – Ergänzung um Informationen zu klimabedingten Schäden und Verlusten.
Ziel des Transparenzrahmens ist es somit, mit Fortschrittsberichten, die alle zwei Jahre eingereicht werden, gegenseitiges Vertrauen zwischen den Vertragsstaaten zu schaffen. Die Berichte bilden nicht nur die Grundlage für die globale Bestandsaufnahme (engl.: Global Stocktake, GST), sondern liefern auch Informationen über die kritischen Marktmechanismen.
Darüber hinaus hatte es bei den Verhandlungen im Laufe des Jahres von Schwellenländern Bestrebungen gegeben, die Flexibilität neu zu verhandeln – also darüber zu diskutieren, in welchem Maße, Umfang und Konkretheit Schwellen- und Entwicklungsländer über die Umsetzung ihrer NDCs berichten müssten. Schwellenländer betonten beim Transparenzrahmen durchgängig die Notwendigkeit von Flexibilität (China, Brasilien und die Afrikanische Verhandlungsgruppe) und Unterstützung beim Capacity Building (Afrikanische Verhandlungsgruppe und die Inselstaaten) für ihre Berichterstattung. China wollte gar ganze Berichtstabellen streichen. Die Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder hob hervor, dass die Flexibilität nicht als Ausrede für Untätigkeit genutzt werden darf. Die Schweiz betonte für die Ländergruppe der Umweltintegrität, dass die Beschlüsse zum Transparenzrahmen keinen Rückschritt gegenüber den Beschlüssen der COP24 in Katowice (“modalities, procedures and guidelines”, MPGs) darstellen dürfen. Schlussendlich wurde Flexibilität dahingehend integriert, dass Länder, die nicht im vollen Umfang über ihre Fortschritte bei der Emissionsreduktion berichten können, dafür Gründe angeben müssen. Der Grad der Flexibilität bleibt also ein Stück weit selbst bestimmt. Da es den Schwellenländern aufgrund der starken Positionen der USA (und der EU) immerhin nicht gelang ganze Tabellen zu streichen, ist dies im Großen und Ganzen ein akzeptabler Kompromiss für den gemeinsamen Transparenzrahmen, soweit zumindest die G20 Länder, die 75% der globalen Emissionen verantworten, hier vollständig berichten. Im Vergleich zum früheren System ist die wichtigste Errungenschaft dieses gemeinsamen Transparenzrahmens unter dem Pariser Klimaabkommen somit, dass er tatsächlich für alle Länder gilt.
Die Länder sind nun dazu verpflichtet bis Ende 2024 ihren ersten zweijährlichen Transparenzbericht und ihren ersten nationalen Inventarbericht vorzulegen. Zur Qualitätssicherung werden die Fortschrittsberichte aller Länder einer technischen Überprüfung durch Experten (“technical expert review”) und einem multilateralen Prozess (“facilitative multilateral consideration of progress”) unterzogen.
Ein weiterer Verhandlungserfolg war außerdem die Entscheidung für einen gemeinsamen 5-Jahres-Zeitrahmen (engl.: Common Timeframe, CTF) für die Einreichung und Umsetzung der NDCs ab 2031 im Einklang mit dem in Paris festgelegten Fünfjahresrhythmus zum GST. Viele Zeichen deuteten in die richtige Richtung. Die EU hatte sich kurz vor der COP auf fünf Jahre geeinigt und auch China und die USA erklärten, dass beide im Jahr 2025 ein NDC für den Zeitraum bis 2035 vorlegen würden. Während der Verhandlungen sprach sich eine große Mehrheit der Staaten deutlich für einen 5-Jahres-Zeitrahmen aus. Und obwohl sich einige wenige Staaten die Option eines 10-Jahres-Zeitrahmens offenhalten wollten, deuteten auch diese – vermutlich aus taktischen Gründen – Flexibilität und Verhandlungsmöglichkeiten an.
In Glasgow wurde nun vereinbart, dass alle Staaten „ermutigt“ werden, alle fünf Jahre neue Pläne einzureichen – die Möglichkeit dies alle zehn Jahre zu tun fiel unter den Tisch. Es gilt nun ausreichend Druck aufzubauen, dass sich die Länder an diese Ermutigung halten. Dies würde den Zielerreichungsmechanismus des Paris-Abkommens, regelmäßig gemeinsam seine Ziele zu verschärfen, erheblich stärken und untermauern. Da zudem die Berichterstattung über die jeweiligen Anstrengungen der Länder vergleichbar wird, was wiederum die ebenfalls fünfjährige globale Bestandsaufnahme unterstützt, passt der fünfjährige Rhythmus gut. Außerdem ermöglicht ein gemeinsamer Zeitrahmen, Druck auf alle Länder gleichzeitig aufzubauen und dadurch eine Dynamik zu entwickeln, die dazu führt, dass die NDCs nachgebessert und mit den vereinbarten globalen Zielen in Einklang gebracht werden.
Mit der Verabschiedung des Regelbuches kann nun das – durch die Coronapandemie ein Jahr verspätet begonnene – Jahrzehnt der Umsetzung beginnen. Es besteht massiver Druck auf die Länder, die ihr NDC für 2030 noch nicht eingereicht haben, wie China und Indien, aber auch die Länder mit viel zu schwachem NDC wie Australien und Brasilien, dies im Jahr 2022 zu tun. Aber von allen Staaten wird erwartet, dass verschärfte 2030-Ziele und/oder eine Langfriststrategie vorlegen, mit denen ihre Klimapolitik kompatibel mit dem 1.5°C-Limit werden soll. Das wird auch von der EU und Deutschland erwartet.
Von Ländern, die in der Umsetzung ihres NDCs schwächeln, allen voran den USA, aber etwa auch Deutschland, wird ein Schnellstart erwartet, diese Lücke zu schließen. In Deutschland wächst damit der Druck auf ein wirkungsvolles Sofortprogramm im Koalitionsvertrag.
Klimapartnerschaften, wie die zwischen Südafrika einerseits, Deutschland, UK, der EU-Kommission und den USA andererseits, um den Ausstieg aus Kohle, den massiven Ausbau von Erneuerbaren Energien und die sozio-ökonomischen Perspektive im Sinne einer „Just Transition“ zu fördern, werden nun mit einer Reihe wichtiger Staaten erwartet. Der derzeit verhandelte deutsche Koalitionsvertrag sollte für eine solche Klimaaußenpolitik ein klares Mandat geben sowie das notwendige Geld und Personal dafür im BMU, BMZ und Außenministerium bereitstellen.
Für den Bereich der klimabedingten Schäden und Verluste haben sich die Entwicklungsländer auf die Agenda gesetzt, in Ägypten auf der COP27 die schon für Glasgow angestrebte Finanzierungsfazilität zu beschließen. Wenn dies, wie derzeit absehbar, am Veto einiger reicher Länder scheitert, muss eine Vorreitergruppe eine entsprechende ernsthafte Finanzierungsoption auf den Weg bringen. Deutschland kann dafür im Rahmen der G7-Präsidentschaft und beim Petersberger Klimadialog den Weg bahnen. Die finanzielle Unterstützung des Santiago Netzwerks durch Deutschland war ein positives Signal, adressiert aber die Herausforderungen von L&D in den betroffenen Ländern noch nicht.
Die bestehenden Diskussionen um 100 Milliarden US-Dollar jährlich an Klimafinanzierung laufen an den tatsächlichen Bedarfen der Entwicklungsländer vorbei. Mit Blick auf das neue Klimafinanzierungsziel für nach 2025 braucht es einen Paradigmenwechsel. Das Ziel wird sich an den Bedarfen der Entwicklungsländer und dem 1,5°C-Temperaturziel ausrichten müssen – dies bedeutet auch Finanzierung für den Umgang mit Schäden und Verlusten einhergehen. Bisher sind jegliche Schätzungen der tatsächlichen Bedarfe jedoch unausgereift. Dies hat der erste Bericht zur Bedarfsermittlung gezeigt. Deutschland sollte deshalb Länder in den nächsten zwei Jahren dabei unterstützen, ihre tatsächlichen Bedarfe zu ermitteln. Dies wird in Summe zu gänzlich neuen Dimensionen in der Klimafinanzierung führen. Dies erfordert auch, dass die rigide Unterteilung von Industrie- und Entwicklungsländern aufgebrochen wird und Akteure wie China, Südkorea und die Golfstaaten auch formell zu Gebern werden. Auch werden neue Finanzinstrumente wie die Nutzung von Sonderziehungsrechten eine Rolle spielen. Barbados hat hierzu bereits einen Vorschlag gemacht und auch Frankreich und Italien haben sich für den Einsatz ausgesprochen. Die neue Bundesregierung muss hierfür das Bundesbankengesetz anpassen, damit auch Deutschland seine Sonderziehungsrechte zum Wohl der Ärmsten und Verletzlichsten weiterreichen darf.
Über die Klimafinanzierung hinaus wird es große Summen an privater Finanzierung für die Transformation brauchen. Mit GFANZ und weiteren Initiativen hat sich der Finanzsektor als dritte treibende Kraft bei der Umsetzung des Pariser Abkommens positioniert. Der Erfolg dieser neuen Initiativen wird jedoch stark von Ernsthaftigkeit und Integrität ihrer Umsetzung abhängen. Dies hängt von den Rahmenbedingungen ab, die die Politik ihnen setzt. Hier hat Deutschland die Chance, gemeinsam im G7- und G20-Kontext die Sustainable-Finance-Agenda weiter voranzutreiben sowie auch innerhalb der EU, beispielweise bei der Taxonomie, klare Linie zu beziehen. Dies muss dazu beitragen, potenzielle Schlupflöcher in den groß angekündigten Initiativen zu schließen. Hierbei spielt nicht zuletzt die vom UN-Generalsekretär angekündigte Expert:innengruppe zur Begleitung der Ankündigungen nicht-staatlicher Akteure eine wichtige Rolle. Sie muss mit ihren Empfehlungen Standards setzen, die verhindern, dass die Ankündigungen letztlich nur nutzloses Greenwashing werden.
Zusammenfassend hat die COP26 aus der Sicht von Germanwatch einige wichtige Entscheidungen bewirkt. Der UN-Klimaprozess wird nächstes Jahr auf nationaler Ebene – beispielsweise zu den NDCs – genauso weitergeführt werden wie auf G7- und G20-Ebene zu u.a. den wichtigsten Fragen der Klimafinanzierung. Auch die Vorbereitung auf die für November 2022 in Ägypten stattfindenden COP27 wird arbeitsintensiv, um politisch schwierige Beschlüsse zur Schäden und Verluste-Finanzierung zu erzielen.
Autor:innenChristoph Bals, Rixa Schwarz, David Ryfisch, David Eckstein, Bertha Argueta, Julia Grimm, Laura Schäfer, Vera Künzel, Kerstin Opfer, Anne Gläser |