Kippt die Bundesregierung nun auch die positiven Ansätze im Energiekonzept?
Berlin, 23.09.10: Mit der Vorstellung der Kampagne "100 Prozent Zukunft" setzen wichtige Akteure einen Kontrapunkt zum Energiekonzept der Bundesregierung, das auf immer wackeligeren Füßen steht. So mehren sich in der CDU-CSU-Fraktion die Stimmen, die die wesentlichen Errungenschaften des Entwurfes in Frage stellen. Damit wackelt das zentrale Ziel einer 80prozentigen Treibhausgas-Reduktion bis 2050. Die Effizienzziele für den Gebäudesektor und das Bonus-Malus-System als zentrale Eckpunkte des Entwurfs werden in Frage gestellt. Von den großen Energieversorgern gibt es Forderungen, den Vorrang der Einspeisung von Erneuerbarem Strom in Frage zu stellen. "Mit den Laufzeitverlängerungen für Kernkraftwerke und dem Weiter-so für Kohle baut schon der Entwurf des Energiekonzepts ein gewaltiges Investitionshemmnis für Energieeffizienz und Erneuerbare Energien auf. Wenn jetzt noch das 80-Prozent-CO2-Reduktionsziel, die ehrgeizige Gebäudestrategie oder der Einspeisevorrang für Erneuerbare Energien gekippt werden, fällt die von der Kanzlerin angekündigte Energie-Revolution gänzlich in sich zusammen", kommentiert Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch. Im Rahmen der Kampagne "100 Prozent Zukunft" demonstrieren Germanwatch und eine wachsende Zahl von Partnern, dass eine Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien bis 2050 auch mit einem Festhalten am Atomausstieg und ohne den Neubau von Kohlekraftwerken möglich ist.
Als Ergänzung zum Ausbau der Erneuerbaren Energien sind für eine Übergangszeit vor allem flexible Kraftwerke notwendig, nicht die eingeschränkt regelbaren Großkraftwerke auf Basis von Braun- und Steinkohle oder Uran. "Mit ihrem Beschluss zur Laufzeitverlängerung treibt die Bundesregierung den Systemkonflikt zwischen Atomenergie und Ökostrom auf die Spitze und die Gesellschaft in einen neuen Fundamentalkonflikt. Die Diskussion über den Einspeisevorrang von Strom aus Wind und Sonne wird sehr bald in aller Härte losbrechen", befürchtet Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse bei der Deutschen Umwelthilfe. Dies führe zwangsläufig zu einem Konflikt zwischen dem Ausbau der Erneuerbaren Energien und dem Festhalten an Atom- und Kohlekraftwerken. Sollte der Vorrang der Erneuerbaren Energien nicht erhalten bleiben, würde das den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv gefährden. Die schwarz-gelbe Regierung kalkuliert das in ihrem Energiekonzept schon mit ein. "In ihrem erst vor wenigen Wochen vorgelegten Nationalen Aktionsplan für erneuerbare Energien schreibt die Bundesregierung lediglich den bisherigen Ausbautrend fort. Trotzdem wächst der Anteil der Erneuerbaren in diesem Aktionsplan deutlich schneller, als im nun vorgelegten Energiekonzept, mit dem die Bundesregierung angeblich ihre ehrgeizigen Klimaziele erreichen will. Das ist absurd", meint Rosenkranz.
Atomkraftwerke werden als Brücke nicht gebraucht, denn sie blockieren die Erneuerbaren Energien. Könnten die Erneuerbaren so ausgebaut werden wie bisher, müssten Atomkraftwerke immer häufiger abgeschaltet werden. Die AKWs könnten dann nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Damit die Stromkonzerne also weiterhin Milliardengewinne einfahren können, muss der Ausbau der Erneuerbaren Energien deutlich begrenzt, ja behindert werden. "Während die Konzerne weiter abkassieren und ihre Marktmacht festigen können, werden eine Zukunftsbranche, die in Deutschland bereits mehr als 300.000 Stellen geschaffen hat, und mit ihr viele mittelständische Unternehmen hart ausgebremst," so Fred Jung, Vorstand der Juwi Holding AG. Erneuerbare Energien sind ein Schlüssel zur Lösung des Klimaproblems. Und sie sind, realisiert in vielen über die Regionen verteilten dezentralen Anlagen, der Schlüssel für eine bedarfsgerechte, sichere, unabhängige und vor allem preiswerte Energieversorgung. "100 Prozent Erneuerbare Energien sind möglich - und zwar nicht erst morgen, sondern schon heute. Schon bald wird erneuerbarer Strom günstiger sein als der konventionelle Strom aus der Steckdose. Je schneller wir 100 Prozent erneuerbar erreichen, desto schneller bekommen wir auch preiswerten Strom", erklärt Jung.
Mit Europas führender Nachhaltigkeitsbank, der Triodos-Bank, steht der Kampagne "100 Prozent Zukunft" ein Partner zur Seite, der einer der Pioniere in der Finanzierung Erneuerbaren Energien in Europa ist und eine klare Position gegen nicht-nachhaltige Energiequellen hat. "Der Finanzwirtschaft kommt eine Schlüsselposition zu, um die große Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft hin zu 100 Prozent Erneuerbaren Energien innerhalb der kommenden Jahrzehnte zu erreichen," sagt Alexander Schwedeler, Geschäftsleiter der deutschen Niederlassung der Triodos Bank. Er kündigt an, die Bank werde sich im Rahmen der Kampagne "100 Prozent Zukunft" in den Schlüsselregionen der Kampagne verstärkt Realisierungs- und Finanzierungsmöglichkeiten für Solar- und Windenergieprojekte anschauen.
Damian Ludewig, Geschäftsführer des FÖS und Mitglied im SprecherInnenrat der Klima-Allianz meint: "Die Bundesregierung redet vom Ausbau der Erneuerbaren Energien, verlängert aber gleichzeitig die Laufzeiten der Atomkraftwerke und will die Kohle weiter subventionieren. Deshalb fordern wir: Schluss mit den Tricks!" Mit ihrem alternativen Energiegipfel habe die Klima-Allianz deutlich gemacht, dass ein Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien kostengünstig und wirtschaftlich verträglich zu realisieren sei. Darauf werde auch in den nächsten Wochen mit gezielten Plakat- und Wahlkreisaktionen hingewiesen. "Wer auf Kohle und Atom setzt, der steht für die Vergangenheit. Wir brauchen eine nachhaltige Energieversorgung mit neuen Jobs, mehr Energieeffizienz und weniger Energieimporten - eben 100 Prozent Zukunft", so Ludewig abschließend.
Für Rückfragen und Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an:
- Brick Medak, Referent für deutsche Klima- und Energiepolitik, Kampagnenleiter "100 Prozent Zukunft", Germanwatch, Tel. 030/2888 356-7, Mobil: 0179-1329859, Mail: medak@germanwatch.org