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In Bonn wurden einige kritische Entscheidungen vertagt - Technische Detailfragen werden die Tagesordnung der Klimakonferenz in Marrakesch bestimmen.
Der Klimagipfel in Marrakesch (COP7) wird aller Voraussicht nach nicht so viel Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen wie die COP6b-Konferenz in Bonn, die in diesem Jahr ein großes Spektrum an Akteuren angezogen hatte. Es wäre jedoch falsch anzunehmen, dass COP7 unwichtig sei, oder dass jetzt sogar alles glatt ablaufe.
Ein wichtiges Abkommen aller Staaten - mit einer Ausnahme
Entgegen der weitverbreiteten Auffassung wurden auf der diesjährigen COP6b nicht alle offenen Fragen entschieden, als ein Abkommen zwischen allen Vertragsparteien - mit der bemerkenswerten Ausnahme eines Staates - geschlossen wurde.
Es ist wahr, dass das politische Abkommen von Bonn hinsichtlich einiger Artikel des Kyoto-Protokolls den Weg dafür geebnet hat, dass es ratifizierbar wird, insbesondere nach dem atemberaubenden Scheitern des Den Haager Klimagipfels (COP6) im letzten Jahr und nach dem darauffolgenden Affront der Bush-Administration, als sie ihre Teilnahme an diesem Abkommen im März 2001 aufkündigte.
Werden beschlossene Punkte wieder aufgemacht?
Allerdings kann das insgesamt zufriedenstellende politische Abkommen von Bonn nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele grundsätzliche technische Fragen noch in Marrakesch entschieden werden müssen. Und einige Staaten haben bereits angedroht, bestimmte Punkte wieder aufzumachen und wiederzuverhandeln.
Dies gilt sowohl für Russland als auch für manche nichteuropäische OECD-Staaten. Die Punkte, die sie wiederaufmachen möchten, betreffen die Allokation von Senken (im Falle von Russland, das beträchtlich höhere anrechenbare Mengen heimischer Kohlenstoffbindung über Waldmanagement zugestanden bekommen möchte) oder die hochgradig umstrittenen Fragen im Zusammenhang mit der Erfüllungskontrolle, bei denen wahrscheinlich Japan, Australien und Kanada sehr unbequeme Positionen vertreten werden.
Zu den wichtigsten technischen Fragen, die in Marrakesch diskutiert und entschieden werden müssen (in Form von "Technical Papers" als Anlagen zu der Bonner Vereinbarung) gehören Schlüsselfragen zu Treibhausgasinventaren, Verifikation und Monitoring ("5,7,8"-Fragen, entsprechend den Artikeln 5,7, und 8 des Kyoto-Protokolls).
Verifikation und Monitoring sind wichtige Voraussetzungen für die Berechtigung von Staaten und Unternehmen zur Teilnahme an den Flexiblen Mechanismen, z.B. Emissionshandel, Clean Development Mechanism und Gemeinsame Umsetzung (Joint Implementation).
Definitionen und Modalitäten für Senkenprojekte
Es müssen aber auch umweltintegre Standards für die Anrechnung von Senken vereinbart werden, zusätzlich zur Anwendung geeigneter Monitoring- und Verfikationssysteme, noch bevor auch nur eine einzige Tonne Kohlenstoff, die in Wäldern oder Böden gebunden wurde, angerechnet werden kann. Das Bonner Agreement bittet die Nebenorgane der Konvention (SBSTA und SBI) und das IPCC, bis zur COP9 Definitionen und Modalitäten für Senkenprojekte im Rahmen des CDM zu entwickeln, um Leakage (Lecks), Non-Permanence (Nicht-Dauerhaftigkeit) und Projekte, die für die Biologische Vielfalt schädlich sind, zu vermeiden. Dies sollte stark unterstützt werden.
Gleichermaßen wurden noch keine Referenzszenarien ("Baselines") vereinbart, gegen die sich Investoren Kohlenstoffreduktionen anrechnen lassen können, die aus zusätzlichen Anstrengungen im Rahmen des projektbasierten Emissionshandels mit Entwicklungsländern (CDM) in einem Gastland resultieren - was sowohl für Energie- als auch für Wiederaufforstungsprojekte gilt.
Obwohl das Bonner Agreement immer noch - im Vergleich zu den sonst eher üblichen Projekten im CDM - die bevorzugte Behandlung von relativ kleinen Projekten mit Erneuerbaren Energien und für Energieeffizienz vorsieht, muss noch im Detail vereinbart werden, wie das umgesetzt werden soll.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass technische Fragen oben auf der Tagesordnung stehen - auf den ersten Blick weniger attraktiv als die "großen Fragen", aber bekanntlich steckt der Teufel im Detail: Diese technischen Fragen haben große politische Relevanz für die Ratifizierung, Umsetzung und nicht zuletzt für die Glaubwürdigkeit und Ökologische Effektivität des Kyoto-Protokolls. In der Vergangenheit geschah es oft, dass scheinbar technische Fragen in ihrer politischen Bedeutung unterschätzt wurden und sich als Hauptengpässe für integre Abkommen erwiesen haben.
Integres Abkommen notwendig
Die Geschichte hat oft gezeigt: je detaillierter und technisch ausgefeilter Abkommen abgefasst wurden, umso besser war dies für die Sicherheit der Teilnehmer (und Investoren) und für die Klarheit aus Sicht der Regierungen.
Und genau das wird benötigt: integre Vereinbarungen mit einem hohen Maß an technischer Sicherheit - so dass Regierungen sofort nach Marrakesch mit der Ratifizierung des Vertrags beginnen können, um zu gewährleisten, dass sein Inkrafttreten bis Rio+10 gesichert ist.
Autoren: Stephan Singer, WWF International, und Christoph Bals, Germanwatch