Klimaschutz nach Kyoto: der Teufel steckt im Detail
Einleitung | Welche Ergebnisse wurden in Kyoto erzielt und was bedeutet dies für die anstehenden Verhandlungen? |
Verhandlungskrimi in Kyoto | Ein Erlebnisbericht aus Kyoto |
Flexibilitätsmechanismen | Wie können Reduktionsverpflichtungen im Ausland erfüllt werden?
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Non-Compliance-Mechanismus | Wie wird die Einhaltung der Verpflichtungen gewährleistet? |
Senken | Nach welchen Kriterien können CO2-Senken einbezogen werden? |
Flugverkehr | Wie werden Emissionen aus dem Flugverkehr im Klimaregime berücksichtigt und mit welchen Maßnahmen werden sie beschränkt? |
Einbeziehung der Entwicklungsländer | Inwieweit und wann wird es zusätzliche Verpflichtungen für Entwicklungsländer geben? |
Demonstrable Progress (nachweisbarer Fortschritt) | Welchen Nachweis über Fortschritte soll es schon vor der ersten Verpflichtungsperiode geben? |
Zweite Verpflichtungsperiode | Welche Reduktionsziele sollten in der zweiten Verpflichtungsperiode (nach 2012) gelten? |
Einleitung | Welche Ergebnisse wurden in Kyoto erzielt und was bedeutet dies für die anstehenden Verhandlungen? |
Ein zentrales Ergebnis des Erdgipfels in Rio de Janeiro 1992 war die Verabschiedung der Klimarahmenkonvention (Framework Convention on Climate Change, FCCC). Die erste Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, COP) 1995 in Berlin beschloß dann die Erarbeitung eines Zusatzprotokolls mit konkreten Verpflichtungen für Industrieländer ("Berliner Mandat"). Dieses Protokoll wurde Ende 1997 in Kyoto auf der COP 3 verabschiedet - nicht zuletzt dank des Geschicks von Verhandlungsführer Estrada. Es sieht u.a. vor, den jährlichen Treibhausgas-Ausstoß der Industrieländer bis zum Zeitraum von 2008-2012 um durchschnittlich 5,2 % gegenüber 1990 zu reduzieren (näheres siehe folgender Kasten).
Die Beschlüsse von Kyoto
Auf der UN-Klimakonferenz, die im Dezember 1997 in Kyoto stattfand, wurden u.a. folgende Beschlüsse gefaßt:
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Dies kann nur ein erster Schritt sein. Die Vertragsstaaten hatten sich in Artikel 2 der Konvention dazu verpflichtet, die atmosphärischen Treibhausgaskonzentrationen auf einem ungefährlichen Niveau zu stabilisieren und somit Schaden von Landwirtschaft und Ökosystemen abzuhalten. Daß hierzu sehr viel weitergehende Ziele nötig gewesen wären, hätten sie aus dem 2. Bericht des unabhängigen, internationalen Wissenschaftlergremiums IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) herauslesen können. Diesen hatten die Vertragsstaaten als "derzeit umfassendste und maßgebliche Bewertung der Wissenschaft" bezeichnet.
Wenngleich das Protokoll also noch viel zu schwache Reduktionsverpflichtungen enthält, die zudem für einen sehr späten Zeitraum (2008-2012) vorgesehen sind, so weist es doch bereits in die richtige Richtung. Immerhin kann man davon ausgehen, daß - wenn die Staaten ihre Emissionsziele erfüllen - wegen des bisherigen Wachstumstrends die Emissionen der Industrieländer im Jahre 2012 um etwa 30 % niedriger liegen werden, als es ohne ein Umsteuern der Fall gewesen wäre.
Das Protokoll tritt allerdings erst in Kraft, wenn es von mindestens 55 Staaten ratifiziert worden ist und dadurch gleichzeitig mindestens 55 % der 1990 von Industrieländern ausgestoßenen CO2-Emissionen abgedeckt sind. Diese gehen zu rund 34 Prozentpunkten auf das Konto der USA. Zudem werden viele Länder vermutlich erst dann ratifizieren, wenn die USA diesen Schritt vollzogen haben. Letztere haben folglich eine Schlüsselposition für das Inkrafttreten des Protokolls inne, machen ihre Ratifizierung jedoch vor allem von einer Bedingung abhängig: die Entwicklungsländer, zumindest zentrale Schwellenländer, sollen "aussagekräftige Verpflichtungen" übernehmen. Diese Konstellation birgt ein nicht unerhebliches Konfliktpotential für das Verhältnis zwischen Nord und Süd und könnte zu einem Scheitern des gesamten Prozesses führen (näheres siehe Abschnitt "Einbeziehung der Entwicklungsländer").
Zu vielen Punkten, die für die Wirksamkeit des Protokolls entscheidend sind, konnten in Kyoto nur sehr unkonkrete Beschlüsse gefaßt werden. Aufgabe der Konferenz in Buenos Aires (COP 4, November 1998) wird es sein, hier erste Klarstellungen vorzunehmen. Vom 2. bis zum 12. Juni 1998 treffen sich Vertreter der Vertragsstaaten in Bonn, um diesbezüglich Vorverhandlungen zu führen. So ermöglicht das Protokoll z.B. noch einige Tricks, mit denen auf dem Papier Emissionsreduktionen nachgewiesen werden können, obwohl die Atmosphäre nicht um eine einzige Tonne Treibhausgas entlastet wird. Sie stehen vor allem in Zusammenhang mit:
- dem Handeln (Trading) mit solchen Emissionskontingenten, die nicht vorher durch konkrete Maßnahmen eingespart worden, sondern - ohne jegliche Klimaschutzmaßnahme - durch ein unrealistisch niedriges Reduktionsziel (im Fall von Rußland ist es ein Stabilisierungsziel) für einige Länder zustandegekommen sind ("Hot Air" und "Tropical Air", näheres siehe Abschnitt "Flexibilitätsmechanismen") und
- der methodisch sehr ungesicherten Anrechnung von Wäldern als CO2-Senken, bei deren Verankerung im Protokoll sogar noch ein Anreiz zum Abholzen von Urwäldern geschaffen werden könnte (näheres siehe Abschnitt "Senken").
Eng verknüpft mit diesen beiden Fragen ist ein weiterer, noch im Detail zu regelnder Punkt, der auch ganz allgemein für die Wirksamkeit des Protokolls bedeutsam ist: die Schaffung eines Mechanismus, der Hilfen und Sanktionen für den Fall vorsieht, daß ein Land seine Klimaschutzziele nicht erreicht (siehe Abschnitt "Non-Compliance-Mechanismus").
Wissenschaftliche Erkenntnisse über den menschgemachten Treibhauseffekt und die zunehmende öffentliche Diskussion haben auch bei der Wirtschaft bedeutende Entwicklungen angestoßen. Mit dem US Business Council for Sustainable Energy und dem European Business Council for a Sustainable Energy Future (e5) formierten sich 1992 bzw. 1996 zwei Zusammenschlüsse von Unternehmen, die stärkere Klimaschutzmaßnahmen einfordern und stetigen Mitgliederzuwachs verzeichnen. Schon vor Jahren waren ähnliche Forderungen in den Reihen der Versicherungswirtschaft laut geworden, die die Risiken des globalen Klimawandels fürchtet. Mehr als 70 Versicherer weltweit haben sich inzwischen in der UNEP-Initiative der Versicherer zusammengeschlossen. Und mittlerweile orientieren sich selbst Mineralölkonzerne wie British Petroleum (BP) und Shell schrittweise um.
Ein Großteil der Wirtschaftslobby bremst jedoch ein effektives Klimaschutzregime und nimmt dabei sehr widersprüchliche Positionen ein. So lehnt etwa die Internationale Handelskammer (ICC) auf EU-Ebene zahlreiche CO2-Reduktionsmaßnahmen mit dem Argument ab, aus Wettbewerbsgründen sei ein OECD-weites oder gar weltweites Vorgehen notwendig. Bei den Klimaverhandlungen hingegen blockiert sie genau solche harmonisierten, aufeinander abgestimmten Maßnahmen der Industrieländer und agitiert entschieden dagegen, diese im Protokoll zu verankern.
Mit ihren Beschlüssen von Kyoto hat die internationale Staatengemeinschaft an die gesamte Wirtschaft ein unüberhörbares Signal ausgesandt und den Anfang vom Ende des fossilen Zeitalters eingeläutet. Jedoch wird erst das tatsächliche Inkrafttreten des Protokolls - im Zusammenhang mit einigen notwendigen Konkretisierungen - ein nachhaltiges Umsteuern einleiten.
Verhandlungskrimi in Kyoto | Ein Erlebnisbericht aus Kyoto |
Nicht am 10. Dezember 1997 wie vorgesehen, sondern erst am Nachmittag des 11. Dezember gegen 14.30 Uhr Ortszeit verabschiedete die dritte Vertragsstaatenkonferenz zur Klimarahmenkonvention das Dokument, das als Kyoto-Protokoll möglicherweise einen Markstein der Wende hin zu einer Politik der zukunftsfähigen Entwicklung setzt. Der Vorsitzende des Vorbereitungsausschusses für das Abkommen, der Argentinier Raúl Estrada-Oyuela, den man ohne Übertreibung Vater und gleichzeitig Geburtshelfer des Protokolls nennen kann, wie auch die anderen zentralen Verhandlungsakteure hatten damit nach 30 Stunden Verhandelns ohne Schlaf und fast ohne Pausen (und weiteren ganz kurzen Nächten der beiden vorhergegangenen Tage des Ministersegments) einen (Teil) Erfolg der Politik über die traditionellen Wirtschaftskräfte zustande gebracht.
Dabei gab es Momente, in denen es danach aussah, als würde die zweieinhalbjährige Arbeit von Hunderten, ja Tausenden der weltweit fähigsten Diplomaten, Politiker, Wissenschaftler, von Vertretern der Nichtregierungsorganisationen (dem "Gewissen der Menschheit") und der Wirtschaft ohne ein greifbares Ergebnis bleiben.
Es war 4 Uhr des Nachts, bereits vier Stunden nach Ablauf der für die gesamten offiziellen Verhandlungen vorgesehenen Zeit. Der Vorbereitungsausschuß (der lediglich eine Empfehlung an die beschlußfassende Vertragsstaatenkonferenz abgeben kann) befindet sich bei Anwesenheit aller weit über Hundert an der Konferenz teilnehmenden Länder in seiner letzten Sitzung. Diskutiert wird immer noch Artikel 3 als erster von insgesamt 28 Artikeln des Protokollentwurfs. Bereits seit zweieineinhalb Stunden. Die Zeit verrinnt. Um sechs Uhr werden die Simultanübersetzer weggehen. Seit einer Stunde dreht sich die Diskussion um Emissionshandel im Kreis. Estrada ist besorgt und warnt, möglicherweise werde gerade die Chance für ein Übereinkommen vertan. Er hätte schon mehrfach gesagt, daß einige im Saal den Prozeß am liebsten zum Platzen bringen wollten.
Dann gibt er bekannt, die Sitzung werde für fünf Minuten unterbrochen. Die Pause dauert länger. Zehn, Fünfzehn Minuten. Eine halbe Stunde. Viele haben den Glauben an den Abschluß des Protokolls verloren. Fünfundvierzig Minuten ohne sichtbare Bewegung. Einige sind eingeschlafen. Der Lauf der Zivilisation scheint einen Moment innezuhalten, als würde er sich kurz besinnen, ob er wirklich anfangen sollte, von seinem zerstörerischen Werk abzulassen.
Kurz vor fünf geht es weiter. Estrada schlägt vor, den Emissionshandel in einen neuen Artikel nach hinten zu verschieben. Und der Hammer saust nieder, einen Widerspruch der USA ignorierend. Von nun an hämmert er die restlichen 27 Artikel durch. Die Übersetzer sollen doch erst um acht Uhr gehen. Um Acht hämmert Estrada immer noch. Einige Delegierte müssen die Versammlung verlassen, um ihren Flieger für die Heimreise noch zu erreichen. Viertel vor Neun gehen die Übersetzer dann wirklich. Und die Chinesen, Araber usw. hören von nun an ungefiltert Estradas Englisch. Schließlich, kurz vor Zehn, kommen als letztes die (Reduktions) Zahlen dran. Rußland und die Ukraine waren bis zum Schluß unbeugsam, widersetzen sich jeder Verringerung, weil sie später so viel wie möglich "heiße Luft" verkaufen wollen. Die angestrebten und bereits im Protokollentwurf stehenden 6 Prozent Emissionsreduktion in der ersten Verpflichtungsperiode (2008 - 2012) gegenüber 1990 müssen deshalb nach unten (auf 5,2 Prozent) korrigiert werden. Der Protokollvorschlag steht nun. Estrada empfiehlt der Vertragsstaatenkonferenz mit einstimmigem Votum, diesen Protokollvorschlag anzunehmen. Der zentrale Vorbereitungsausschuß endet unter dem stehenden Applaus der Delegierten und Beobachter.
Die gleichen Personen treffen sich dann zwei Stunden später, um in der Vertragsstaatenkonferenz die formalen Beschlüsse zu fassen.
Flexibilitätsmechanismen | Wie können Reduktionsverpflichtungen im Ausland erfüllt werden?
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Das Kyoto-Protokoll gibt den Vertragsstaaten im Rahmen der sogenannten "neuen ökonomischen Instrumente" verschiedene Möglichkeiten, Reduktionen auch gemeinsam durchzuführen. Ziel dieser Vorgehensweise ist es, Emissionen auch in anderen Ländern reduzieren zu können, wenn dies dort kostengünstiger ist. Den Staaten wird hierdurch mehr Flexibilität (Flexibility) beim Erreichen ihres Emissionsziels gegeben.
Das Protokoll gibt den Vertragsstaaten hierzu folgende Verfahren an die Hand:
- Staaten können untereinander mit Emissionskontingenten handeln (Emissions Trading). Wenn ein Staat in der Periode 2008-2012 weniger Treibhausgase emittiert als ihm zugestanden wurde, kann er dieses Kontingent an andere Staaten verkaufen, die ihre Emissionsziele nicht erreichen. Möglicherweise wird demnächst entschieden, daß das Recht zu solchem Handel auch an Privatunternehmen delegiert werden kann. Dieses in Artikel 17 des Protokolls behandelte Verfahren ist nur zwischen Industrieländern zugelassen, d.h. zwischen den im Anhang B des Prokolls aufgeführten Staaten.
- Ein Industrieland kann in einem anderen Staat Klimaschutzprojekte durchführen und sich die hierdurch eingesparten Emissionskontingente für sein eigenes Emissionsziel gutschreiben lassen. Wird ein solches Projekt in einem anderen Industrieland durchgeführt, spricht man von "Joint Implementation" (dieser Begriff taucht jedoch in Artikel 6, wo das Verfahren geregelt wird, nicht auf). Das Durchführen von solchen Projekten in Entwicklungsländern hingegen findet im Rahmen des sogenannten Clean Development Mechanism (CDM) statt (Artikel 12), für den andere Bestimmungen gelten (s.u.).
Die neuen ökonomischen Instrumente können einerseits ein effizientes Instrument sein, um kostengünstig Klimaschutzziele zu erreichen. Sie bergen andererseits einige ernsthafte Gefahren. Es gibt einige Akteure, die sofort die neuen ökonomischen Instrumente benutzen wollen, ohne daß die entsprechenden Richtlinien im Detail ausgearbeitet sind. Durch ihren Übereifer drohen sie die Seriosität dieser Mechanismen zu zerstören.
Emissions Trading - Hot Air
Manche Industrieländer haben sich auf der Kyoto-Konferenz ein unrealistisch niedriges Emissionsziel erkämpft - oder besser: ertrotzt. So muß z.B. Rußland seine Emissionen nicht reduzieren, wird jedoch auch ohne zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen (d.h. bei einem "Business-as-usual-Szenario") im Jahr 2010 voraussichtlich mindestens 10 % unter dem Niveau von 1990 liegen. Dies liegt vor allem am Zusammenbruch großer Teile seiner Wirtschaft in den 90er Jahren und gilt in ähnlichem Maß für die meisten Länder, die sich im Übergang zur Marktwirtschaft befinden (Countries in Transition). Diesen Staaten werden folglich große Emissionskontingente, die in diesem Fall als "Hot Air" bezeichnet werden, zum Verkauf zur Verfügung stehen, ohne daß sie dafür irgendwelche zusätzlichen Klimaschutzmaßnahmen ergreifen müssen.
Eine ähnliche Situation könnte entstehen, sobald sich - worauf derzeit v.a. die USA drängen - auch Entwicklungsländer am Emissions Trading beteiligen können, nachdem sie auf freiwilliger Basis rechtlich verbindliche Emissionsziele akzeptiert haben. Hier besteht die Gefahr, daß ihnen Emissionsziele zugestanden werden, die - wie bei den Countries in Transition schon in Kyoto geschehen - weit über einem realistischen Business-as-usual-Szenario liegen. Dies würde die Möglichkeit schaffen, große Kontingente "virtuell eingesparter Emissionen" (in diesem Zusammenhang als "Tropical Air" bezeichnet) zu verkaufen.
Die USA beispielsweise haben großes Interesse am Ankauf solcher "Hot Air" bzw. "Tropical Air", weil sie dann im eigenen Land weniger Maßnahmen umsetzen müßten. Dem Klimaschutz ist damit nicht gedient: die Kontingente wurden nicht durch reelle Klimaschutzmaßnahmen eingespart, erlauben dem Käuferland jedoch tatsächlich, mehr Treibhausgase auszustoßen.
GERMANWATCH fordert daher:
- Maximal ein Drittel der Emissionsmenge, die laut Kyoto-Protokoll gegenüber 1990 verringert werden muß, darf im Ausland (d.h. über die neuen ökonomischen Instrumente) reduziert werden. Die Rückkehr zu den Emissionen von 1990 - viele Länder haben ihre Emissionen seit 1990 noch einmal kräftig gesteigert - sollten sie auf jeden Fall im eigenen Land verwirklichen. Alternativ zu dieser Begrenzung schlägt GERMANWATCH vor, daß ein Land nicht mehr als 5 % seiner Emissionen von 1990 als Emissionskontingente kaufen oder verkaufen darf.
- Eingekaufte Emissionen müssen entweder nachweislich durch Klimaschutzmaßnahmen reduziert worden sein, oder das eingenommene Geld muß solchen Maßnahmen zugutekommen.
- Auf jeden Fall aber gilt: Bevor ein Emissions Trading zugelassen wird, muß ein funktionierender Mechanismus zu Monitoring, Verifikation und Sanktionen vorhanden sein.
Der 'Clean Development Mechanism': 'Joint Implementation' für Entwicklungsländer?
Bei Joint Implementation (JI) und Clean Development Mechanism (CDM) werden nicht Emissionskontingente anderer Länder gekauft. Sondern Akteure eines Landes führen in einem anderen Land Klimaschutzmaßnahmen durch, die sich ersteres von seiner "Bringschuld" ganz oder teilweise abziehen lassen kann. Ein Hauptunterschied zwischen JI und CDM ist, daß ersteres nur zwischen Akteuren aus Industrieländern eingesetzt werden kann, während bei letzterem Projekte in Entwicklungsländern durchgeführt werden. Es gibt jedoch noch weitere, wichtige Unterschiede:
- Der CDM soll, wenn bis dahin die Detailrichtlinien verabschiedet sind, bereits im Jahr 2000 beginnen, während JI-Projekte erst mit Beginn der Zielperiode (2008) angerechnet werden können,
- Der CDM führt dazu, daß die Industrieländer zusammengenommen mehr Treibhausgase ausstoßen können, als in Kyoto festgelegt wurde.
- Mit dem CDM ist ein Finanzierungsmechanismus für vom Klimawandel betroffene Entwicklungsländer verbunden. Dessen Details sind jedoch noch völlig ungeklärt.
Sowohl beim CDM als auch bei JI könnten verschiedene Probleme entstehen:
- Es besteht die Gefahr, daß im Rahmen von Joint Implementation und Clean Development Mechanism Projekte gefördert werden, die sich als Bumerang erweisen werden. So würde z.B. der Transfer von Kernkraftwerkstechnologie ein nicht unerhebliches Sicherheits- und Proliferations-Risiko darstellen. Andere Technologien, wie etwa effizientere Kohlekraftwerke, könnten zwar unter Umständen zu kurzfristigen Emissionseinsparungen führen, würden aber auf lange Sicht im Vergleich zu Kraft-Wärme-Kopplung oder regenerativen Energiequellen weitaus klimaschädlicher wirken. Bei Projekten zur Schaffung von CO2-Senken ergäbe sich ein anderes Problem: hier bestehen derzeit noch große methodische Unsicherheiten, wie ihre Wirksamkeit genau zu quantifizieren ist. Eventuell wird dadurch sogar ein Anreiz geschaffen, alte, naturnahe Wälder durch Plantagen schnell wachsender Hölzer zu ersetzen.
- Bei der Ermittlung der durch ein Projekt erzielten Emissionseinsparungen besteht die Gefahr, daß diese vorsätzlich zu hoch angesetzt werden, da beide beteiligten Parteien ein Interesse daran haben.
Vor dem Hintergrund all dieser Probleme fordert GERMANWATCH:
- Im Rahmen von Joint Implementation und Clean Development Mechanism dürfen auf keinen Fall Projekte anerkannt werden, die den Transfer von Kohle- oder Kernkrafttechnologien beinhalten. CO2-Senken sollten erst, sobald die Methode wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, einbezogen werden. Im ersten Schritt sollten nur Projekte zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Einführung von erneuerbaren Energieträgern durchgeführt werden.
- Es muß ein Mechanismus eingerichtet werden, der Betrug im Rahmen von Joint Implementation und Clean Development Mechanism mit empfindlichen Sanktionen ahndet.
Non-Compliance-Mechanismus | Wie wird die Einhaltung der Verpflichtungen gewährleistet? |
Ein zentraler Punkt des Protokolls sollte ein Mechanismus sein, der Hilfen und Sanktionen bei Nichterfüllung der Verpflichtungen vorsieht (Non-Compliance-Mechanismus). In Art. 18 des Protokolls kommt ein solcher zwar bereits zur Sprache, genauere Bestimmungen sind dort jedoch noch nicht enthalten.
Neben solchen direkten Sanktionsmaßnahmen gibt es auch einen indirekten, moralischen Druck. Dieser entsteht z.B. durch die schon in der Konvention festgelegte Verpflichtung zum Veröffentlichen der Nationalberichte. Zudem würde der Druck auf die Industrieländer steigen, wenn sie wissen, daß erst nach Erfüllung ihrer Reduktionspflichten die Schwellenländer weitere Pflichten auferlegt bekommen (vgl. Abschnitt "Einbeziehung der Entwicklungsländer"). Der indirekte, moralische Druck wird jedoch umso geringer sein, je mehr Länder an ihren Zielen zu scheitern drohen.
Ein wirkungsvoller Non-Compliance-Mechanismus ist unbedingt notwendig, damit InvestorInnen, UnternehmerInnen und VerbraucherInnen nicht ihr Vertrauen in die Klimaverhandlungen verlieren und um einen wirksamen Klimaschutz zu gewährleisten. Er ist zudem eine essentielle Voraussetzung für das Funktionieren der Flexibilitätsmechanismen (siehe dort). Denn der Wert gekaufter bzw. verkaufter Emissionskontingente sinkt, wenn andere Akteure ihre Verpflichtungen nicht einhalten und damit sozusagen eine Inflation der handelbaren Emissionsmenge bewirken.
GERMANWATCH fordert daher,
- Ländern eine Unterstützung zu gewähren, sobald sich abzeichnet, daß sie Probleme beim Erreichen ihrer Verpflichtungen haben werden,
- das Nichterreichen der Verpflichtungen nach einem noch festzulegenden Verfahren, z.B. vor dem Internationalen Gerichtshof, mit spürbaren Sanktionen zu ahnden, die deutlich über den Kosten der CO2-Minderungsmaßnahmen liegen.
Senken | Nach welchen Kriterien können CO2-Senken einbezogen werden? |
Menschliche Aktivitäten können nicht nur den Ausstoß von Treibhausgasen bewirken, sondern auch das Gegenteil, wenn sogenannte CO2-Senken geschaffen werden. So wird z.B. durch das Anpflanzen von Wäldern CO2 im Holz der Bäume gespeichert. In diesem Sinne wurde auf Drängen verschiedener Staaten (etwa USA, Neuseeland, Australien, Norwegen) im Protokoll festgeschrieben, daß durch entsprechende Maßnahmen gebundene CO2-Mengen von den Emissionen abgezogen werden. Dies gilt prinzipiell sowohl für die Umsetzung der Verpflichtungen im eigenen Land als auch für Projekte im Rahmen von Joint Implementation oder Clean Development Mechanism. Ein solcher Ansatz wäre durchaus sinnvoll, wenn v.a. zwei Voraussetzungen gegeben wären:
1. Die so gebundenen CO2-Mengen müssen in der Praxis hinreichend genau meßbar sein. Aus wissenschaftlicher Perspektive gehört dabei jedoch grundsätzlich auch die CO2-Bilanz des Bodens, denn das Anpflanzen von Wäldern kann in manchen Fällen sogar die Freisetzung großer CO2-Mengen aus Böden zur Folge haben.
2. Es muß außerdem sichergestellt sein, daß das CO2 langfristig gebunden und nicht bereits in wenigen Jahrzehnten wieder freigesetzt wird.
Diese Voraussetzungen sind jedoch derzeit noch nicht gegeben.
Neben vielen methodischen Problemen, die ein Einbezug von Senken mit sich bringt, hat dieser einen weiteren bedeutenden Nachteil: er bringt keinen Anreiz für den Einsatz und die Entwicklung von Technologien zur CO2-armen Energienutzung und -erzeugung.
GERMANWATCH fordert daher:
- Senken sollen erst einbezogen werden können, sobald die methodischen Fragen hinreichend geklärt sind.
- Die Anforderungen an Senken müssen mit denen eines naturnahen, nachhaltigen Waldbaus harmonisiert werden.
- Es dürfen keine Anreize gesetzt werden, alte naturnahe Wälder abzuholzen, um Monokulturen von schnell wachsenden Hölzern anzupflanzen.
- Den verschiedenen derzeit noch nicht ausgeschlossenen Taschenspielertricks, die nur auf dem Papier zu einer Bindung von CO2 führen, muß ein Riegel vorgeschoben werden.
Flugverkehr | Wie werden Emissionen aus dem Flugverkehr im Klimaregime berücksichtigt und mit welchen Maßnahmen werden sie beschränkt? |
Der Flugverkehr ist das am schnellsten wachsende Problem für das globale Klima. Derzeit ist er für etwa 2 % des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Zusätzlich haben aber noch andere Emissionen der Flugzeuge Auswirkungen auf das Klima. Deshalb trägt der Flugverkehr bereits heute zu über 5 % zu den jährlich vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen bei. Die Klimabedeutung des Flugverkehrs kann selbst nach moderaten Szenarien Mitte des nächsten Jahrhunderts schon in der Größenordnung der dann von China ausgestoßenen Gase liegen, indem sie sich vervierfacht.
Die Emissionen aus dem internationalen Flugverkehr tragen (wie die des internationalen Seeverkehrs) das Problem in sich, daß sie sich nicht in natürlicher Weise einem Staat zuordnen lassen. Über diese Zuordnung (Allokation) der Flugverkehrsemissionen verhandelte zuletzt das wichtige Nebenorgan SBSTA während der Klimaverhandlungen 1996 in Genf - ergebnislos. Solange jedoch diese Frage der Zuordnung nicht geklärt ist, trägt formal niemand die Verantwortung für die Emissionen aus dem internationalen Flugverkehr. Dies bedeutet, daß kaum Anstrengungen stattfinden, diese Emissionen zu verringern.
Es gibt verschiedene Vorschläge zur Allokation. So könnten die Emissionen z.B. wahlweise dem Staat zugeordnet werden,
- in dem der Flugtreibstoff verkauft wird,
- in dem sich der Sitz der Fluggesellschaft befindet, wobei der Sitz als das Land zu definieren wäre, in dem die meisten Starts bzw. Landungen der Fluggesellschaft stattfinden,
- in dem sich der Start- oder Ziel-Flughafen des Flugzeugs befindet oder
- in dem sich Start- oder Ziel-Flughafen der Passagiere bzw. der Fracht befindet.
- Die Allokation könnte auch nach der Nationalität der Passagiere erfolgen.
Dabei können v.a. das Verursacherprinzip (Gerechtigkeit) oder die Operationalisierbarkeit als Kriterien der Entscheidungsfindung dienen.
GERMANWATCH fordert hierzu,
- die Allokationsfrage während der Sitzung von COP 4 im November auf die Tagesordnung zu bringen, um baldmöglichst über ein praktikables Verfahren der Zuordnung zu entscheiden.
- Für die erste Verpflichtungsperiode schlagen wir vor, die Emissionen demjenigen Staat zuzuordnen, in dem der Flugtreibstoff verkauft wird. Dies stellt zwar keine nach allen Kriterien zufriedenstellende Lösung dar, ist aber der im Moment beste Kompromiß zwischen Verursacher- und Operationalisierbarkeitsaspekten und gewährleistet eine schnelle Umsetzung des Prozesses. Als Ziel sollte gelten, mit zunehmendem wissenschaftlichen Kenntnisstand baldmöglichst ein Allokationsverfahren zu erreichen, das stärker am Verursacherprinzip orientiert ist.
Der zweite wichtige noch offene Aspekt bezüglich des internationalen Flugverkehrs betrifft die Frage, wie schnell Maßnahmen zu Begrenzung und Verminderung der Flugverkehrs-Emissionen beschlossen werden. Laut Artikel 2.2 des Kyoto-Protokolls soll die UN-Sonderorganisation für den internationalen Flugverkehr, die International Civil Aviation Organisation (ICAO), dieses Thema behandeln. Die ICAO ist z.B. zuständig für das Erstellen von Emissionsstandards von Flugzeugen. Um die Diskussion über die Begrenzung von Emissionen des internationalen Flugverkehrs möglichst bald zu beginnen, muß dieser Punkt auf die Tagesordnung der nächsten ICAO-Vollversammlung, die nur alle 3 Jahre stattfindet, und dabei das Arbeitsprogramm für die folgenden 3 Jahre festlegt. Die nächste Vollversammlung wird im September/Oktober 1998 sein.
GERMANWATCH fordert:
- Die nächste ICAO-Vollversammlung im September/Oktober 1998 soll den Auftrag des Kyoto-Protokolls aufnehmen, die Begrenzung und Verminderung von Emissionen des internationalen Flugverkehrs in ihr Arbeitsprogramm einbeziehen, und dieses Thema intensiv und ergebnisorientiert behandeln. Das Ziel dabei soll sein, daß baldmöglichst Maßnahmen ergriffen werden.
Einbeziehung der Entwicklungsländer | Inwieweit und wann wird es zusätzliche Verpflichtungen für Entwicklungsländer geben? |
Als Entwicklungsländer gelten im Klimaverhandlungsjargon diejenigen Länder, die nicht im Anhang I der Klimarahmenkonvention bzw. im Anhang B des Kyoto-Protokolls enthalten sind.
Die Klimarahmenkonvention richtet sich prinzipiell sowohl an Industrieländer als auch an Entwicklungsländer in ihrer Forderung, bezüglich des Klimaschutzes aktiv zu werden. So ist z.B. das Erstellen von Nationalberichten über anthropogene Emissionen für alle Staaten gleichermaßen vorgesehen. Rechtlich verbindliche Emissions-Reduktionsmaßnahmen sind im Kyoto-Protokoll jedoch, entsprechend der Forderung des Berliner Mandats und des in der Konvention festgelegten Prinzips der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung nur für die Industrieländer verankert. Die Möglichkeit, eine freiwillige, aber dann rechtlich verbindliche, Selbstverpflichtung für Entwicklungsländer in das Protokoll mitaufzunehmen, scheiterte in Kyoto am Einspruch vieler Entwicklungsländer. Das Kyoto-Protokoll behandelt konkrete klimaschützende Maßnahmen in Entwicklungsländern nur im Rahmen des Clean Development Mechanism, also in Form von Einzelprojekten, die Akteure aus Industrieländern tätigen.
Da aufgrund des notwendigen Wirtschaftswachstums die Treibhausgas-Emissionen vieler Schwellenländer in den nächsten Jahrzehnten stark ansteigen werden, besteht die Frage, ob, in welcher Form und ab wann Entwicklungsländer zusätzliche Verpflichtungen im Rahmen des Klimaregimes bekommen sollen (siehe hierzu auch folgender Kasten).
Die Behandlung der Entwicklungsländerfrage auf den Klimaverhandlungen - ein Szenario
Die Frage, ob, in welcher Form und ab wann Entwicklungsländer zusätzliche Verpflichtungen bekommen sollen, steht nicht auf der Tagesordnung der kommenden Klimaverhandlungen. Da aber nicht nur die USA deutliches Interesse an seiner Verhandlung haben, darf man gespannt sein, auf welche Art und Weise es auf die Tagesordnung kommt. Die Entwicklungsländerfrage könnte z.B. im Rahmen des zweiten Review of Adequacy of Commitments für Industrieländer während der Klimaverhandlungen in Bonn auf die Tagesordnung kommen. Der Review of Adequacy of Commitments überprüft die Verpflichtungen der Vertragsparteien darauf, ob sie entsprechend dem Artikel 2 der Konvention angemessen sind, die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre auf einem Level zu stabilisieren, der ein gefährliches anthropogenes Eingreifen in das Klimasystem verhindert. Der zweite Review of Adequacy of Commitments muß bis Ende 1998 durchgeführt werden. Folgendes Szenario gilt als das wahrscheinlichste für die Verhandlung der Entwicklungsländerfrage unter diesem Tagesordnungspunkt: Die Überprüfung der Angemessenheit würde ergeben, daß selbst wenn Industrieländer ihre Verpflichtungen großzügig erfüllten, das Ziel von Artikel 2 nicht zu erreichen ist. Die bislang beschlossenen Verpflichtungen wären also nicht adäquat. Eine mögliche Folgerung wäre, daß auch Entwicklungsländer Verpflichtungen übernehmen müßten. Ohne Konsens dazu käme dieses Thema dann auf die Tagesordnung von COP 4. |
Vom wissenschaftlichen Standpunkt betrachtet, ist es langfristig nötig, daß Entwicklungsländer sich zu einem angemessenen Zeitpunkt am Klimaregime beteiligen, um Artikel 2 zu erfüllen. Die Mehrzahl der Entwicklungsländer selbst spricht sich gegen eine Beteiligung aus, da sie ihr Recht auf Entwicklung durch den Klimaschutz gefährdet sehen oder Angst vor einem "neuen imperialistischen Trick" der Industrieländer zeigen. Allerdings waren andererseits einige Entwicklungsländer aus Lateinamerika in Kyoto (auf Drängen der USA) grundsätzlich bereit, eine freiwillige Selbstverpflichtung einzugehen und hatten sich für die Durchsetzung des entsprechenden Artikels ausgesprochen.
Bereits jetzt, vor einer offiziellen Verpflichtung, läßt sich ein Trend zu Energieeffizienz und erneuerbaren Energieträgern in vielen Entwicklungsländern erkennen, was z.B. der Subventionsabbau für fossile Energieträger zeigt. Möglich wäre z.B. das Befürworten der Einbeziehung solcher Schwellenländer, die bereits OECD-Mitglieder sind, d.h. von Mexiko und Korea (OECD-Position) oder die freiwillige Selbstverpflichtung der Schwellenländer im Zusammenhang mit verstärkten Bemühungen seitens der Industrieländer um Technologietransfer (EU-Position).
Die USA letztendlich gehen (gedrängt durch die fossile Lobby) soweit, daß sie den Einbezug von Schwellenländern forcieren wollen, indem sie ihre Ratifizierung des Kyoto-Protokolls abhängig machen von aussagekräftigen Verpflichtungen ("Meaningful Commitments") zentraler Schwellenländer wie China, Indien, Mexiko und Brasilien.
Würden die USA nicht ratifizieren, könnte dies Beispielfunktion für andere Länder haben, was ein Kippen des gesamten Protokolls bewirken könnte (siehe Einleitung).
GERMANWATCH fordert daher: Zusätzliche Verpflichtungen für Schwellenländer sollte es erst für die 2. Verpflichtungsperiode geben. Als Bedingung für das Inkrafttreten muß jedoch gelten, daß die Industrieländer bis zum Jahr 2005 tatsächlich Fortschritte nachweisen können (siehe "Demonstrable Progress").
Eine solche Strategie würde die fossile Lobby doppelt treffen, da zum einen die Schwellenländer nicht im gleichen Maße wie die Industriestaaten von Öl und Kohle abhängig würden und zum anderen die USA keinen Grund mehr hätte, nicht zu ratifizieren, das Inkrafttreten des Protokolls also sehr wahrscheinlich würde. Das Knüpfen der zusätzlichen Verpflichtung für die Schwellenländer an das Erfüllen der Verpflichtungen der Industrieländer wäre außerdem ein guter indirekter Non-Compliance-Mechanismus für die Industrieländer.
Des weiteren fordert GERMANWATCH:
- Es kann nur um eine Begrenzung des Emissionsanstiegs für die Schwellenländer gehen, und nicht um absolute Emissionsreduktionen.
- Hauptsächlich sollten No-Regret-Potentiale ausgeschöpft werden. So können Klimaschutzmaßnahmen verbunden werden mit Entwicklungsinteressen, wie z.B. durch Elektrifizierung ländlicher Gegenden auf Basis erneuerbarer Energien oder durch den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs in Ballungsräumen.
- Eine Einbeziehung sollte unter dem Equity-Prinzip als langfristiges Ziel erfolgen, d.h. gleiche Pro-Kopf-Emissionen für Industrie- und Entwicklungsländer, ggf. mit einzubauenden Abwandlungen z.B. nach geographischer Lage (Heizperioden).
Die momentane Situation ist von der Zielsetzung einer Gleichverteilung noch meilenweit entfernt, was die jährlichen Pro-Kopf-Emissionswerte z.B. von 1990 zeigen: für die USA 20 t CO2 im Vergleich mit 0,7 t für Indien. Sinnvoll ist auch eine Unterscheidung zwischen Überlebensemissionen und Luxusemissionen.
Demonstrable Progress (nachweisbarer Fortschritt) | Welchen Nachweis über Fortschritte soll es schon vor der ersten Verpflichtungsperiode geben? |
Eine Unsicherheit im Klimaprozeß beruht auf dem Sachverhalt, daß für Industrieländer zwar rechtlich verbindliche und genaue Emissions-Reduktionsziele für die 1. Verpflichtungsperiode festgelegt sind, es jedoch für die Art und Weise der Durchführung bzw. für die zeitlichen Fortschritte noch keine genauen Regeln gibt. Zwar haben die Industrieländer in der Konvention das Ziel festgelegt, bis zum Jahr 2000 auf die anthropogenen Treibhausgas-Emissionsniveaus von 1990 zurückzukommen, aber diese Forderung ist nicht rechtsverbindlich.
Artikel 3.2 des Protokolls fordert, daß jedes Industrieland bis zum Jahr 2005 einen nachweisbaren Fortschritt ("demonstrable progress") auf dem Weg zur Erfüllung der Vertragspflichten gemacht haben soll.
GERMANWATCH fordert:
- Die Nationalberichte der Industrieländer sollten - nach entsprechender Änderung der Richtlinien in dieser Verhandlungsrunde des SBSTA - Projektionen enthalten, wie die jeweiligen "Kyoto-Ziele" erreicht werden sollen. Diese Projektionen sollten im Rahmen des "In-Depth-Reviews" auf ihre Plausibilität überprüft werden.
- In zwei "Stützjahren" 2005 und 2008 soll - anhand der eigenen Szenarien - der "Demonstrable Progress" überprüft werden.
- Bei fehlendem Nachweis einzelner Länder treten Beschränkungen des Rechts auf Emissions Trading in Kraft.
- Bei fehlendem Nachweis der Industrieländer insgesamt treten eventuelle Verpflichtungen der Schwellenländer in der zweiten Budget-Periode nicht in Kraft.
Zweite Verpflichtungsperiode | Welche Reduktionsziele sollten in der zweiten Verpflichtungsperiode (nach 2012) gelten? |
Laut Artikel 3.9 des Kyoto-Protokolls soll die COP spätestens 7 Jahre vor Ende der ersten Verpflichtungsperiode (also im Jahr 2005) damit beginnen, über Verpflichtungen zukünftiger Perioden zu beraten.
GERMANWATCH fordert:
- Die zweite Verpflichtungsperiode sollte sich direkt an die erste anschließen, also die Jahre 2013-2017 umfassen. Sie sollte eine Reduktion der Emissionen um mindestens 15 % bezogen auf 1990 für Industriestaaten beinhalten (für die gleichen 2 Körbe von Gasen wie in Kyoto). Zusätzlich sollte ein 3. Korb für die klimarelevanten Emissionen des Flugverkehrs (Stickoxide und Kondensstreifen) eingesetzt werden.
- Die Einbeziehung von Schwellenländern könnte in Form einer Begrenzung ihres Emissionswachstums (keine absolute Verminderung der Emissionen) v.a. mit Hilfe eines Programms zur Aktivierung des No-Regret-Potentials stattfinden.
- Das neue Reduktionsziel für die 2. Verpflichtungsperiode und auch die Verteilung der Emissionsreduktionen auf die einzelnen Vertragsstaaten sollten auf wissenschaftlich fundierten Prinzipien basieren. Wir fordern, daß sich die dann vereinbarten Treibhausgasreduktionen im "Safe Landing Corridor" befinden, der sowohl die "Leitplanken" der Integrität von Ökosystemen als auch die volkswirtschaftliche Verträglichkeit berücksichtigt.
Autoren: Christoph Bals, Gerold Kier, Andrea Rück, Dr. Manfred Treber
Zuletzt geändert
Echter Name
Echter Name
Verkehrsreferent