Kohärenz mit Entwicklungspolitik bleibt ausgeblendet
Berlin, 19.11.10: Die Europäische Kommission hat gestern eine Kommunikation zur Gestaltung der europäischen Agrarpolitik für die Jahre 2014 bis 2020 vorgelegt. Sie schlägt darin weitgehende Änderungen an der derzeitigen Subventionspraxis der Europäischen Union vor. Interne Subventionen sollen stärker an ökologischen und sozialen Kriterien ausgerichtet werden. Dagegen sollen Exportsubventionen als Instrument beibehalten werden, um auf starke Preiseinbrüche auf dem EU-Binnenmarkt reagieren zu können. Gleichzeitig sollen die Produktionsbegrenzungen für Milch und Zucker 2015 endgültig auslaufen, obwohl bereits heute über den EU-Bedarf hinaus produziert wird.
Nach Einschätzung von Germanwatch gehen die Vorschläge für interne Subventionen insgesamt in die richtige Richtung. Aus entwicklungspolitischer Sicht ist das Papier dagegen mehr als enttäuschend. "Mit ihren Vorschlägen ignoriert die Europäische Kommission ihre internationale Verantwortung. Im EU-Vertrag wurde festgelegt, dass die Politik der EU mit einer nachhaltigen Politik für Entwicklungsländer einhergehen soll. Davon wird hier nichts erwähnt", stellt Tobias Reichert, Referent für Welthandel und Ernährung bei Germanwatch, fest.
"Die Kommission ist mit ihrem Liberalisierungskurs gerade im Milchsektor in die Sackgasse geraten, will dies aber nicht wahr haben", so Reichert weiter. "Statt nach Wegen zu suchen, um Überproduktion und Preiseinbrüche von vornherein zu verhindern, soll die Liberalisierung weiter vorangetrieben werden und mit den Exportsubventionen ausgerechnet das entwicklungspolitisch schädlichste Instrument beibehalten werden, um die schlimmsten Auswirkungen auf die europäischen Bauern zu dämpfen." Während der Milchpreiskrise im vergangenen Jahr ging ein Großteil der subventionierten Milchpulverexporte in Entwicklungsländer. Diese künstlich verbilligte Konkurrenz behinderte gerade in Afrika den Aufbau einer eigenständigen Milchwirtschaft.
Sowohl Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner als auch Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel betonten noch vor wenigen Wochen in einer gemeinsamen Erklärung, dass sie Exportsubventionen endgültig abgeschafft sehen wollen. "Wir erwarten, dass die Bundesregierung dies nun gegenüber der Kommission durchsetzt", erklärt Reichert. "Darüber hinaus muss sicher gestellt werden, dass auch andere Instrumente nicht zu künstlich verbilligten Exporten führen. Gelingt dies nicht, wird Frau Merkels Rede von der 'Guten Regierungsführung', die notwendig sei, um die Millennium-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen zu erreichen, von der EU selbst ad absurdum geführt."
Für Rückfragen und Interviewwünsche wenden Sie sich bitte an:
- Tobias Reichert, Referent für Welthandel und Ernährung, Germanwatch, 0178-2125803, reichert@germanwatch.org