Bits & Bäume – für eine zukunftsfähige Digitalisierung
Heute ist „Bits & Bäume“ die wichtigste Bewegung zu Digitalisierung und Nachhaltigkeit in Deutschland. Doch Anfang 2018 war diese Alliteration nicht einmal geboren. Was ist geschehen? Und wie geht es weiter?
Bits & Bäume – Was ist das?
Schon lange war uns bei Germanwatch klar, dass eine ungezügelte Digitalisierung mit ihrem hohen Ressourcenverbrauch und ihren Auswirkungen auf die Demokratie eine Bedrohung für Mensch und Umwelt darstellt. Gleichzeitig sind einige unserer Ziele – wie die Versorgung mit hundert Prozent Erneuerbaren Energien – ausschließlich mit digitalen Technologien erreichbar. Die großen Themenbereiche Nachhaltigkeit und Digitalisierung mussten also zusammengedacht werden.
2018 klafft e in Bezug auf diese Fragen eine gewaltige Lücke. Daher hat Germanwatch mit neun NGOs aus der Nachhaltigkeits und Digitalisierungsszene die Bewegung „Bits & Bäume“ ins Leben gerufen. Ihren fulminanten Auft akt fand sie in einer zweitägigen Konferenz im November 2018 in Berlin, mit ca. 2.000 Teilnehmer:innen, fast 200 Beiträgen und über 17.000 Views der Video-Mitschnitte. Zum ersten Mal arbeiteten beide Szenen in einer solchen Größenordnung zusammen. Wir konnten damals nicht ahnen, welchen Schub das Thema anderthalb Jahre später durch die Corona-Pandemie erfahren sollte.
Wie alles begann: Die Konferenz “Bits & Bäume”
Anfang 2018 haben sich sieben NGOs aus dem Bereich Nachhaltigkeit mit dreien aus dem Gebiet Netzpolitik zusammengetan, um die Großkonferenz „Bits & Bäume“ zu organisieren. Schwerpunktthemen waren die materielle Basis der Digitalisierung, Umwelt- und Netzpolitik, digitale Infrastrukturen oder Grundsatzfragen, zum Beispiel zu demokratischen Gesellschaft en in Zeiten der Digitalisierung.
Während der Konferenz wurden Kampagnen geplant, Computerprogramme geschrieben und politische Forderungen abgestimmt – unter anderem zur Zielsetzung der Digitalisierung, zur Kontrolle von Monopolen, zur IT-Sicherheit oder zur Langlebigkeit von Soft - und Hardware. Auf der Konferenz haben wir gezeigt: Zivilgesellschaft liche Akteur:innen können und müssen die Digitalisierung mitgestalten.
Die Konferenz bot fünf Bühnen, elf zusätzliche Räume, mehr als 120 international besetzte Panels, Hands-on-Workshops und einen philosophischen Salon. Daneben gab es künstlerisches Begleitprogramm, Begegnungsräume, interaktive Ausstellungsformate und ein Abend- und Rahmenprogramm mit Konzerten und Apéro.
Unser Germanwatch-Team hat auf der Konferenz selbst eine Vielzahl an Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Workshops durchgeführt: Die inhaltliche Bandbreite reichte von den neuesten Entwicklungen im Bereich der Landwirtschaft über die Potenziale und Risiken der Blockchain-Technologie für transparente Lieferketten und lokale Energiegenossenschaft en bis hin zu Gestaltungsmöglichkeiten für das Energienetz der Zukunft . Wir haben ein Podium zum Thema „Energiewende und Datenschutz“ organisiert und uns mit gemeinwohlorientierter digitaler Lobbyarbeit auseinandergesetzt.
Entscheidend für das Gelingen der Konferenz war ein umfassendes ehrenamtliches Engagement: So brachte sich rund die Hälft e der Teilnehmenden in die Konferenzgestaltung ein, zum Beispiel als (spontane) Helfer:innen, Referent:innen, Workshoporganisator:innen an Infoständen und im Catering. Nach einem unvorhergesehenen Engpass in der Küche bin ich kurzerhand mit einem Megaphon über das Konferenzgelände gelaufen und habe um Unterstützung gebeten. Daraufhin haben sich zahlreiche Freiwillige eingefunden und im Innenhof der TU Berlin Gemüse geschnippelt oder Teller abgewaschen. Keine:r der über 2.000 Teilnehmenden ging hungrig nach Hause.
Das erhobene Feedback zur Konferenz „Bits & Bäume“ war sehr positiv. Und auch die Resonanz in den klassischen Medien war groß: über 40 Beiträge zur Konferenz wurden in Tageszeitungen, Fachzeitschrift en, Online-Medien, Podcasts sowie Radio und Fernsehen veröff entlicht. Der Hashtag #bitsundbaeume war einen Tag lang die Nr. 1 in den Sozialen Medien in Deutschland. Im Anschluss an die Konferenz wurde das Buch „Was Bits & Bäume verbindet“ veröffentlicht, in dem über 50 Autor:innen aufzeigen, wie die Digitalisierung den sozial-ökologischen Wandel voranbringen kann.
Circa 2.000 Besucher:innen tauschten sich auf der „Bits & Bäume“ über die Verflechtung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung aus.
„Bits & Bäume“ lebt als Bewegung
Der Anstoß zur Vernetzung trägt Früchte: Mittlerweile existieren aktive „Bits & Bäume“-Gruppen in Berlin, Köln, Dortmund, Dresden, Hannover und Osnabrück. Weiterhin gibt es eine Online-Vernetzungs- und Diskussionsplattform, eine Mailingliste mit ca. 500 Mitgliedern, Vorlesungsreihen an Universitäten, Stammtische, Veröff entlichungen, politische Diskussionsreihen u.v.m. Die Vielfalt an Aktivitäten zeigt, dass wir es geschafft haben, zu einer breiten Bewegung zu werden.
Aber wir sind noch lange nicht fertig: Der Konnex zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit ist noch komplexer als seine beiden Teilbereiche – und entsprechend umfassend. Genauso zahlreich sind unsere Ansatzpunkte für Veränderungen: Diese liegen ebenso in politischen Kampagnen gegen Datenmissbrauch durch Facebook wie in Bildungsveranstaltungen zum ökologischen Fußabdruck von Technologien oder in politischen Hintergrundgesprächen zur Regulierung künstlicher Intelligenz.
Es braucht vielfältige Perspektiven. Daher rufen wir alle Menschen und Organisationen auf, die Forderungen der „Bits & Bäume“- Bewegung zu verbreiten und einzufordern sowie die Bewegung zu unterstützen. Wir können nicht alles auf einmal verändern. Umso wichtiger ist es zusammenzuarbeiten: Technik-Begeisterte und Nachhaltigkeitsengagierte gemeinsam für eine nachhaltige Digitalisierung und den Einsatz der Digitalisierung für Nachhaltigkeit.
Die zweite Konferenz ist bereits in Planung: Dafür werden wir den Trägerkreis um weitere Organisationen aus dem Tech- und dem sozialen Bereich erweitern. Wir freuen uns auf den Herbst 2022!
Weitere Informationen zur Bewegung und ihren politischen Forderungen, aber auch Videoaufzeichnungen von der Konferenz und ein Gratis-Download des Buchs zur Konferenz finden Sie unter:
www.bits-und-baeume.org
30 Jahre Germanwatch – Gerechtigkeit gemeinsam gestalten
Seit der Gründung am 24. Februar 1991 hat sich nicht nur Germanwatch weiterentwickelt – auch bei den gesellschaftlichen und politischen Themen, die uns und die wir bewegen, ist viel passiert. In dieser Rubrik wollen wir das ganze Jubiläumsjahr hindurch mit Ihnen zurück und nach vorne blicken: Wie hat alles begonnen? Welche Meilensteine konnten wir feiern? Welche nationalen und internationalen Hürden wollen und müssen wir künftig überwinden auf dem Weg zu mehr globaler Gerechtigkeit und dem Erhalt unserer Lebensgrundlagen?
Dieser Beitrag erschien im Mitglieder-Magazin EINBLICK 1|2021.
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