Neuaufbruch für Klimapolitik in den USA und weltweit
Während US-Präsident Trump trotz verlorener Wahl noch mit juristischen Mitteln seinen Machterhalt zu sichern versucht, setzt Germanwatch auf das Funktionieren der demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen in den USA und stellt sich daher auf eine Präsidentschaft Joe Bidens ein. Mit dem neuen US-Präsidenten Biden wird es aller Voraussicht nach einen Neuaufbruch in der nationalen und internationalen Klimapolitik geben. Biden hat eine Reihe wichtiger klimapolitischer Schritte angekündigt. Rekord-Waldbrände in den USA sowie eine der zwei verheerendsten Hurrikan-Saisons bisher überhaupt haben das Bewusstsein für die drastischen Auswirkungen der Klimakrise gesteigert. Im Zusammenspiel mit einer aktiven Zivilgesellschaft, insbesondere mit den jungen Aktivist_innen vom „Sunrise Movement“, hat dies den Druck für eine ambitioniertere Klimapolitik im Land erhöht. Der Kampf gegen die Klimakrise in den USA, mit 15 Prozent der globalen Emissionen der zweitgrößte Emittent weltweit, war ein wichtiges Thema in Bidens Abschlusskampagne.
Die Klimablockade der Trump-Regierung
Die Regierung Trump hingegen hat
- die USA aus dem Pariser Klimaabkommen geführt und – auch wenn dieser Austritt wegen formaler Hürden erst vor wenigen Tagen wirksam werden konnte – von Beginn ihrer Amtszeit in Wort und Tat internationalen und nationalen Klimaschutz torpediert
- immer wieder die Ergebnisse der Klimawissenschaft geleugnet
- systematisch Klimaschutz-Regulierungen geschwächt und versucht, die ambitionierten US-Staaten – wie Kalifornien – bei der Umsetzung ihrer eigenen Programme massiv zu behindern
- bei UN-Klimaverhandlungen, bei G7- und G20-Gipfeln eine progressive internationale Klimapolitik torpediert, teilweise gemeinsam etwa mit Saudi-Arabien oder Australien
- die Zahlungen für den internationalen Klimaschutz eingestellt, u.a. für den Green Climate Fund, der ärmeren Ländern helfen soll, ambitionierten Klimaschutz umzusetzen und sich an den Klimawandel anzupassen
- ihre Verpflichtung ignoriert, alle zwei Jahre international über den Stand der US-Treibhausgase zu berichten
- den Arktischen Rat blockiert, der sich mit der dramatischen Erwärmung und Konsequenzen für die indigene Bevölkerung in der Arktis beschäftigt.
Klimapolitisches Kontrastprogramm von Joe Biden
Biden hat ein klimapolitisches Kontrastprogramm zu dieser Politik angekündigt.
- Er hat den Klimawandel als “Problem Nummer eins für die Menschheit” bezeichnet und angekündigt, eine nationale Transformation von fossilen hin zu Erneuerbaren Energien einzuleiten, die Millionen neuer Arbeitsplätze schaffen soll.
- Er hat einen 2-Billionen-Dollar-Plan angekündigt, um die USA auf einen Pfad zu setzen, der bis 2035 die CO2-Neutralität des Stromsektors und bis 2050 Treibhausgasneutralität für die USA erreichen soll. Auch wenn der Plan zur CO2-Neutralität des Elektrizitätssektors seine Schwächen hat - vor allem den Einbezug von Atomkraftwerken und großer Wasserkraft so ist damit doch eine sehr umfassende und schnelle Transformation vorgezeichnet.
Biden hat angekündigt, dem Pariser Klimaabkommen “am Tag eins der Regierung Biden” wieder beizutreten. Er wolle dann die größten Emittenten der Welt zu einem Gipfel einladen, um diese Länder zu drängen, ihre Klimaziele zu verbessern und Fortschritte schneller und weiterreichend zu erreichen. Als Teil der Verpflichtungen aus dem Paris-Abkommen wird die Regierung Biden in den kommenden Monaten dann auch neue Klimaziele für 2030 und 2050 bei den Vereinten Nationen einreichen. Im besten Fall geschieht dies so rechtzeitig vor der nächsten Weltklimakonferenz COP26 im November 2021, dass der Druck auf weitere Nachzügler unter den Staaten wächst, ebenfalls zu liefern.
- Bereits in den ersten 100 Tagen will Biden als US-Präsident eine Klimakonferenz der größten Emittenten einberufen – vermutlich mit dem Schwerpunkt der „Green Recovery“, also der klimafreundlichen Ausrichtung der Maßnahmen zum Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Corona-Krise.
- Biden will verbindliche Verpflichtungen erreichen, die die Emissionen im internationalen Schiffs und Flugverkehr reduzieren.
- Außerdem kündigte er starke Maßnahmen zum Wettbewerbsschutz der US-Industrie an, die sich auf den Weg zur Treibhausgasneutralität macht.
- Während er einerseits eine internationale Allianz bilden will, um destruktives Verhalten von China und Menschenrechtsverletzungen zu adressieren, wolle er andererseits mit dem Land da kooperieren, wo die Interessen konvergieren wie bei der Klimakrise, der Einschränkung des Waffenhandels oder dem globalen Gesundheitsschutz. Das bedeute auch, mit China – dem größten Emittenten der Welt – darüber zu verhandeln, die Subventionierung des Exports von Kohlekraftwerken im Rahmen ihrer Seidenstraßen-Initiative einzustellen.
Diese Ankündigungen müssen allerdings erst noch umgesetzt werden.
Perspektiven für den internationalen Klimaschutz und den European Green Deal
Mit dem Regierungswechsel dürfte die Klimaschutzblockade bei der G20 und G7 zu Ende sein. Stattdessen könnten hier bereits in den nächsten zwei Jahren transformative Signale gesendet werden. Im Jahr 2021 wird der G20-Gipfel – der 80% der globalen Emissionen repräsentiert – in Italien und der G7-Gipfel in Großbritannien sein, das auch den UN-Klimagipfel ausrichtet. Im Jahr 2022 findet der G20-Gipfel in Indien und der G7-Gipfel in Deutschland statt. In diesen zwei Jahren kann es nun eine gemeinsame Anstrengung der großen Emittenten geben, neue Dynamik in die Umsetzung der Klimaziele zu bringen, endlich Schluss mit fossilen Subventionen zu machen und gemeinsame Strategien zur Transformation der verschiedenen Sektoren zu entwickeln.
Bei den UN-Klimaverhandlungen kann nun, nachdem bis auf die Regeln zum internationalen Emissionshandel alle Regeln für das Pariser Abkommen beschlossen sind, die Frage der beschleunigten Umsetzung der Ziele für Klimaschutz, Resilienz und entsprechende Verschiebung der Finanzströme ins Zentrum rücken.
Die EU mit dem European Green Deal erhält nun einen zusätzlichen Impuls, zumindest ein eigenes Klimaziel von "mindestens minus 55%“ oder gar 60%-Reduktionen bis 2030 umzusetzen. Wenn dann auch die USA, China, Japan, Südkorea und Südafrika ernsthafte Strategien entwickeln, um ihre inzwischen angekündigten Ziele zur Treibhausgas- oder CO2-Neutralität bis Mitte des Jahrhunderts umzusetzen, dann ändert sich der Blick darauf aus der Perspektive der Wirtschaft. Nun wird es – auch aus Wettbewerbsgründen – immer irrationaler, keinen Klimaschutz umzusetzen. Im Gegenteil: Nun setzt ein Wettrennen darum ein, wer die Nase beim Erreichen der Klimaneutralität vorn hat.
In diesem Kontext sind nun auch Klimaschutzpartnerschaften mit ärmeren Ländern zur gemeinsamen Umsetzung ambitionierter Klimaschutzziele immer sinnvoller. Internationale Klimafinanzierung, Technologiekooperation und Kapazitätsaufbau können wesentliche Elemente dieser gemeinsamen Umsetzungsstrategien sein. Neben der beschleunigten nationalen Umsetzung ist das ein wichtiger Teil einer wirkungsvollen Strategie, das notwendige Klimaziel zu erreichen, den globalen Temperaturanstieg wegen der sprunghaft steigenden Risiken nicht über 1,5°C klettern zu lassen.
Hürden der Umsetzung
Ohne Mehrheit im Senat wäre der Spielraum des Präsidenten für umfassende Klimagesetze im eigenen Land allerdings begrenzt. Dies gilt aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse sogar dann, wenn bei den beiden wahrscheinlich anstehenden Stichwahlen in Georgia noch zwei Demokraten gewählt werden sollten.
Diese Schwierigkeit wird weiter vergrößert durch den nun mit einer massiven konservativen Mehrheit besetzten obersten Gerichthof der USA. Denn dieses Gericht gilt insbesondere als skeptisch gegenüber dem Regieren mit Verordnungen statt Gesetzen; zudem herrscht dort die Tendenz vor, (Umwelt-)Behörden daran zu hindern, ihr Mandat relativ breit zu interpretieren. Hier könnten also weitere Hürden für eine ambitionierte Klimapolitik liegen.
Trotz dieser Beschränkungen hat ein US-Präsident erhebliche Möglichkeiten: einerseits in der Außenpolitik und damit auch in der internationalen Klimapolitik, andererseits über Verordnungen, die selbst mit dem aktuellen Supreme Court rechtssicher möglich sind, und über Entscheidungen der Bundesbehörden, zum Beispiel zu der Frage, welche fossilen Projekte noch genehmigt werden, wie Klimarisiken künftig in der Finanzmarktregulierung berücksichtigt werden oder wieviel Spielraum klimapolitisch progressiven Bundesstaaten für ambitioniertere Regeln gelassen wird. Auch kann es im Senat durchaus – auch mit einzelnen Republikanern – Mehrheiten für wichtige Aspekte der Klimapolitik geben, etwa zu klimafreundlichen Investitionen im Rahmen von Konjunkturpaketen oder zur Förderung Erneuerbarer Energien und anderer Klimatechnologien. Je mehr die Zivilgesellschaft, aber gerade auch die Wirtschaft mehr Druck in Richtung beschleunigter Klimaschutz macht, desto größer ist die Chance für neue Spielräume.
Dennoch: die ambitionierte Umsetzung der weitreichenden Klimaziele, die Biden angekündigt hat, wird sich vollständig wohl erst dann erreichen lassen, wenn die Unterstützung ehrgeiziger Klimapolitik durch eine breite Mehrheit der Amerikaner_innen, die sich in jeder Meinungsumfrage zeigt, bei kommenden Wahlen auch in einer klaren Mehrheit im Senat niederschlägt. Das könnte in zwei Jahren der Fall sein.
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