KlimaKompakt Nr. 96: Kollektive Psychologie und Politikakzeptanz in Corona-Zeiten
Editorial
Kollektive Psychologie und Politikakzeptanz in Corona-Zeiten
Auf europäischer, nationaler und kommunaler Ebene – an sehr vielen Stellen wird aktuell ausgehandelt, wie Investitionen zur Unterstützung der durch COVID-19 geschwächten Wirtschaft angelegt werden. Die nun investierten Summen stehen anschließend nicht mehr zur Verfügung. Daher ist jetzt der Zeitpunkt, um sich auf einen mit den Pariser Klimazielen kompatiblen Pfad zu begeben und Konjunkturpakete an Nachhaltigkeitskriterien zu knüpfen. Trotzdem zögern einige Politiker*innen diese Entscheidungen konsequent zu treffen. Ein häufig genannter Grund ist die Sorge um fehlende Akzeptanz strengerer klimapolitischer Maßnahmen. Doch wovon hängen die Wahrnehmung der Klimakrise und die Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen eigentlich ab?
An dieser Stelle setzen wir mit diesem KlimaKompakt an und möchten aktuelle Erkenntnisse aus der Psychologie in den Diskurs einbringen. Die drei vorgestellten Studien analysieren u.a.: Wie verändert die Wahrnehmung politischen und gesellschaftlichen Handelns in der Pandemie möglicherweise die Wahrnehmung anderer Krisen und die damit verbundene Unterstützung politischer Entscheidungen? Welche individuellen Faktoren beeinflussen die Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen, wie etwa die Einführung eines CO2-Preises? Und welche Faktoren bewegen Menschen zu dauerhaftem klimapolitischen Engagement?
Wir möchten mit diesem kleinen Einblick zum interdisziplinären Austausch mit verhaltenswissenschaftlichen Disziplinen anregen und zur praktischen Anwendung in NGOs, Politik und Verwaltung ermutigen.
Marie Heitfeld
Referentin - Bildung für nachhaltige Entwicklung
IMPRESSUM
Redaktion: Daniela Baum (V.i.S.d.P.), Marie Heitfeld, Janina Longwitz
Gefördert von Engagement Global im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Für den Inhalt dieser Publikation ist allein Germanwatch verantwortlich.
Soziale Identität und kollektive Wirksamkeitserwartung
Im umweltpsychologischen Forschungsdiskurs wird zunehmend ein längst notwendiger Wandel von der Erklärung individueller Faktoren, die persönliches umweltfreundliches Alltagshandeln beeinflussen, hin zu Erklärungsansätzen aus der kollektiven Psychologie deutlich. Die Relevanz sozialer Identität, kollektiver Selbstwirksamkeitserwartungen oder systemischen Denkens für gesellschaftliche Veränderungen geraten in den Fokus. Eine Forschungsgruppe rund um Prof. Gerhard Reese von der Uni-versität Koblenz-Landau hat einige dieser Themen im Zusammenspiel mit COVID-19 erörtert und dazu das „Modell der Sozialen Identität im Umweltschutz-Engagement“ [Übersetz. d. Red.] weiterentwickelt. Außerdem formulieren die Psycholog*innen in ihrem Artikel zwölf Forschungsfragen, deren Beantwortung auch für die praktische Arbeit in NGOs, Politik und Verwaltung relevant ist.
Wie die Wahrnehmung von Gerechtigkeit die Akzeptanz klimapolitischer Maßnahmen beeinflusst
Inwiefern eine politische Maß-nahme gesellschaftlich breit akzep-tiert wird, hängt maßgeblich davon ab, ob sie als gerecht wahrgenom-men wird. Auch diese Einschätzung wird natürlich von der im vorherigen Artikel genannten Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen beeinflusst, hängt aber darüber hinaus von weiteren Faktoren ab. Am Beispiel von CO2-Preisen weisen Dr. Sara Maestre-Andés und ihre Kollegen in einem Review u.a. auf die Verwendungen der durch CO2-Preise generierten Finanzmittel als zentralen Einfluss-faktor hin.
Was Menschen zu kollektiven Handen motiviert
Was bringt viele Menschen dazu, sich trotz möglicher Nachteile und teilweise unter hohem Zeitaufwand für eine Sache zu engagieren – etwa Schüler*innen, die unter teils hohem Zeitaufwand an Protesten teilneh-men und sich jetzt zunehmend digital organisieren? Was motiviert Men-schen dazu, langfristig bei ihrem Engagement zu bleiben?