Germanwatch Hand Print erneut ausgezeichnet
Der "Deutsche Lokale Nachhaltigkeitspreis ZeitzeicheN" Preis wird von der Grünen Liga bundesweit vergeben. Er würdigt beispielhaftes Engagement bei der Umsetzung der Agenda 2030 und rückt die Arbeit der Wettbewerbsteilnehmer*innen ins öffentliche Bewusstsein. Unter 185 Einsendungen wurden in fünf Kategorien fünf Sieger gekürt - jede Siegerin mit 2000,- € Preisgeld.
Das Germanwatch-Team Bildung für nachhaltige Entwicklung konnte als Sieger der Kategorie „BNE – außerhalb von Lehrplan und Klassenzimmer“ den Preis im Rahmen des Netzwerk21Camp 2019 in Berlin entgegennehmen.
©GRÜNE LIGA Berlin, Fotografin: Ines Meier
Dr. Manuel Rivera, Forschungsgruppenleiter am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung / Institute for Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS) in Potsdam hob in seiner Laudatio hervor: der Hand Print dränge niemanden zum Handeln, denn „es bleibt ein Bildungs- und Befähigungs-, kein Agitations- oder Mobilisierungsprojekt. In der Regel bringen die Beteiligten selbst das Bewusstsein dafür mit, dass und vielleicht sogar wie sie ihren ökologischen Fußabdruck, den „Foot Print“ also, verringern wollen, aber auf dem Weg dahin finden sie rechtliche, betriebswirtschaftliche, organisatorische oder andere praktische Hürden vor, die für sie schwer zu überwinden sind. Indem sie gemeinsam diese Hürden zu meistern lernen, generieren sie eine best practice des Transformationswissens, die der Hand Print wiederum zu verbreiten und in andere Kontexte zu übertragen hilft. Dabei wachsen die Selbstwirksamkeitserfahrungen und wächst der „Handabdruck“ der Beteiligten in der Welt. Wir könnten sogar sagen, dass das, was in diesen Bildungsprojekten wächst, die gemeinsame Welt selber ist. Die, die wir nicht verbrauchen wollen, und die, die wir nur durch politisches Handeln überhaupt erst erfahren. 200 Jahre nach den Humboldts scheint mir das genau das ZeitzeicheN zu sein, das unsere Bildung, unser Planet und eine nachhaltige Entwicklung brauchen.“ (Die vollständige Laudatio findet sich weiter unten >>.)
Das BNE-Team von Germanwatch freut sich über die Auszeichnung und sieht dies als zusätzlichen Ansporn, den Hand Print konstant weiter zu entwickeln.
Mit diesem Rückenwind unterstützen wir auch zukünftig Multiplikator*innen mit verschiedenen Hand-Print-Angeboten dabei, Kompetenzen und Werkzeuge des Wandels zu vermitteln und anzuwenden.
©GRÜNE LIGA Berlin, Fotografin: Ines Meier
Was ist der "Hand Print"?
Der Hand Print ermutigt Menschen dazu, sich wirkungsvoll für nachhaltige Entwicklung einzusetzen und gesellschaftliche Gestaltungsspielräume dafür zu nutzen. Germanwatch zeigt mit dem Hand Print transformative, politische und in reale Strukturen hineinwirkende Formen des Engagements auf. Mit dem Ziel den eigenen ökologisch und sozialen Fußabdruck zu reduzieren und den Handabdruck des eigenen politischen Engagements auszubauen baut der Hand Print auf Erfolgen der umwelt- und entwicklungs-politischen Bildungsarbeit auf und unterstützt engagierte Menschen dabei mit ihrem Einsatz Strukturen so zu verändern, dass nachhaltiges Verhalten das normale, einfache und naheliegende Verhalten für alle Menschen wird.
Die Arbeit zum Hand Print wird gefördert von Brot für die Welt und Engagement Global im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Für den Inhalt ist allein Germanwatch verantwortlich.
ZeitzeicheN: Laudatio Kategorie BNE, von Dr. Manuel Rivera (IASS) 12.11.19
©GRÜNE LIGA Berlin, Fotografin: Ines Meier
"Das Humboldt-Gedenkjahr neigt sich dem Ende zu. Zum 250. Geburtstag Alexander von Humboldts erinnerte es an die Ursprünge erdsystemischen Denkens und an die Ambivalenzen eines naturwissenschaftlichen Aufbruchs ins Anthropozän, der zwischen Ehrerbietung und Eroberungsdrang gegenüber der Natur, zwischen ihrer neugierigen Beobachtung und ihrer verwertungsorientierten Analyse schwankte. Eine ähnliche Ambivalenz zeigte sich übrigens auch bei Alexanders älterem Bruder Wilhelm, dem großen Geisteswissenschaftler und Bildungsreformer. Sein Satz „So viel Welt als möglich in die eigene Person zu verwandeln, ist im höheren Sinn des Wortes Leben“, erweist sich im Rückblick als Apologie einer immer stärkeren individuellen Verfügbarmachung von Welt, und die ist ja heute durchaus ein Teil unseres Problems: als Dauermobilität um den Globus, als Konsum von immer mehr Informationen und Traditionen, als Vorrang der Aneignung gegenüber der Anpassung. Andererseits gebrauchte Wilhelm von Humboldt die Formulierung „die Welt in die eigene Person verwandeln“ im Kontext seines Werks natürlich in weltbürgerlicher Absicht. Bildung sollte dazu verhelfen, sich in die Welt konstruktiv einbringen zu können – in jedem Lebensalter, in verschiedenen Berufen, und immer in Bezug auf das Ganze einer niemals nur lokal, sondern immer auch menschheitlich begriffenen Weltgesellschaft.
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) drückt als Konzept die Notwendigkeit aus, dass jede und jeder von uns die Welt in die eigene Person verwandelt, ohne diese Welt dabei zu verbrauchen. Aber das Aufgeschlossensein gegenüber der weiten Welt, das Handeln in sie hinein gehört zu dieser Anverwandlung, gehört zur Bildung unbedingt mit dazu. Ein Rückzug auf das je eigene Stückchen Leben, ein Sich-gut-Benehmen hinter dem eigenen Gartenzaun gewissermaßen: das wäre kein Nachhaltigkeits-, sondern ein vormodernes, vor-humboldtsches Bewusstsein. Deshalb liegt eine privatistische Verkürzung darin zu denken, die BNE müsse vor allem bewusstere Konsument*innen heranziehen, die dann durch ihr korrektes Einkaufsverhalten und ihren selbstreformierten Lebensstil die Gesellschaft verändern, indem sie z. B. die Märkte dazu zwingen, nachhaltige Produkte bereitzustellen. Um uns zu ermöglichen, „im höheren Sinn des Wortes zu leben“, muss BNE uns auch zeigen, wie wir selbst politisch handeln, wie wir uns organisieren und gemeinsam mit andern neue Pfade erschließen, wie wir im vollen Sinn des Wortes jener Welt teilhaftig werden können, um deren Rettung es uns zu tun ist.
Deshalb trifft BNE dort auf besondere Herausforderungen, bewährt sich aber auch dort besonders, wo das individuelle Handeln in kollektives übergehen muss, damit sich etwas im Sinne der Nachhaltigkeit verändert. Selber nicht mehr zu fliegen ist gut. Zu lernen, wie man als Schüler*in durchsetzt, dass Klassenfahrten nicht mehr als Flugreisen organisiert werden, ist noch weitaus besser, erstens weil das noch viel mehr Treibhausgase einspart, zweitens aber weil damit die Institution der Schule als veränderbarer Teil einer veränderbaren Welt neu erfahren wird. Vegetarisch oder vegan zu leben ist löblich; eine vegetarische Kantinenversorgung beim eigenen Arbeitgeber durchzusetzen und zu organisieren ist großartig. Aus den totzitierten vielen kleinen Leuten, die viele kleine Schritte tun, werden an solchen Stellen Leute, die einander auf die Schultern klettern, die sich die Steigbügel halten, die sich den Staffelstab übergeben, und die dabei aus kleinen Leuten zu großen Leuten werden.
„Hand Print“ nennt das Projektteam bei Germanwatch e. V. sein Konzept, dass es aus Indien übernommen hat und das es durch seine Workshops und Handreichungen Interessierten, darunter auch Multiplikator*innen in der BNE, zur Verfügung stellt. Von Eine-Welt-Landesnetzwerken über Universitäten und Jugendzentren bis hin zu Verwaltungen und Unternehmen reichen die Partner. Dabei drängt Hand Print sie nicht zum Handeln; es bleibt ein Bildungs- und Befähigungs-, kein Agitations- oder Mobilisierungsprojekt. In der Regel bringen die Beteiligten selbst das Bewusstsein dafür mit, dass und vielleicht sogar wie sie ihren ökologischen Fußabdruck, den „Foot Print“ also, verringern wollen, aber auf dem Weg dahin finden sie rechtliche, betriebswirtschaftliche, organisatorische oder andere praktische Hürden vor, die für sie schwer zu überwinden sind. Indem sie gemeinsam diese Hürden zu meistern lernen, generieren sie eine best practice des Transformationswissens, die Hand Print wiederum zu verbreiten und in andere Kontexte zu übertragen hilft. Dabei wachsen die Selbstwirksamkeitserfahrungen und wächst der „Handabdruck“ der Beteiligten in der Welt. Wir könnten sogar sagen, dass das, was in diesen Bildungsprojekten wächst, die gemeinsame Welt selber ist. Die, die wir nicht verbrauchen wollen, und die, die wir nur durch politisches Handeln überhaupt erst erfahren. 200 Jahre nach den Humboldts scheint mir das genau das ZeitzeicheN zu sein, das unsere Bildung, unser Planet und eine nachhaltige Entwicklung brauchen."