Viehhaltung in Tansania unter Druck
Viehhaltung in Tansania unter Druck
Eine frei weidende Ziegenherde im District Monduli.
Cornelius Dahm
Wenn junge engagierte Menschen aus Tansania, Indien und Deutschland drei Wochen zusammen unterwegs sind, ist Ernährung im interkulturellen Kontext schnell Gesprächsthema. Die tansanischen TeilnehmerInnen des Austauschprojektes „Education for Climate Leadership“ waren bei ihrem Besuch in Deutschland Ende 2017 etwa verwundert über das rein vegetarische Essen. Industrielle Fleischproduktion im Globalen Norden und ihre klimapolitische Relevanz wurde damit Thema des Austauschs, der sich um Klimaschutz (SDG 13) drehte.
In Tansania erwartete die deutsche Gruppe nun im Juni das Gegenteil. Die tansanische Küche ist äußerst fleischhaltig: Frittierte Spieße mit Hühnchen-, Rind- oder Ziegenfleisch waren sogar Bestandteil der Kaffeepausen. Über den Austausch lernte die deutsche Gruppe, dass Fleischproduktion in Tansania auch konfliktbehaftet sein kann.
Viehhaltung findet in Tansania traditionell weitgehend nomadisch statt. Das bedeutet, dass Hirten das Vieh zum Grasen auf Weiden und zum Tränken zu Wasserlöchern treiben. In den ländlichen Gebieten Tansanias stellt das eine wichtige Einkommensquelle dar. Der Besitz großer Herden ist für die Hirten auch ein Zeichen des Wohlstandes. Auf der KonsumentInnenseite führt bislang eine wachsende Mittelschicht zu weiter steigendem Fleischkonsum. Die Hirten versprechen sich von großen Herden mehr Ansehen aber auch mehr Einkommen.
Die Viehwirtschaft in Tansania gerät zusehends unter Druck: Die Infrastruktur für Schlachtung und Weiterverarbeitung ist alt und in schlechtem Zustand. Hier stellen sich zudem zunehmend Fragen des Tierwohls. Tansania hat 2008 den Animal Welfare Act verabschiedet, die Umsetzung gelingt aber bisher nicht. Laut Gesetz dürfen Tiere eigentlich nicht mit Stöcken traktiert werden, um sie auf einen Transporter zu treiben oder sie daraus zu entladen. Zudem müssen ihnen in beiden Fällen Rampen zur Verfügung stehen und die Transporter dürfen nicht überladen werden. Auf den Viehmärkten muss den Tieren eine Möglichkeit zum Unterstellen, Fressen und Trinken geboten werden.
Ein besonderer Konflikt, der den Teilnehmenden während des Austauschs begegnete, wurde durch den Besuch der Organisation Hakikazi Catalyst in Arusha deutlich. Dort trafen die Teilnehmenden auf Alais Morindat, selber Massai, Massai-Lobbyist und Universitätsdozent. Er kritisierte, dass die Tansanische Regierung die halbnomadischen Massai mit der Ausweisung immer weiterer Nationalparkflächen um ihre traditionelle Lebensweise bringe, die viel mit Viehhaltung zu tun hat. Früher lebten die Massai und ihre Herden – im Zusammenspiel mit den Wildtieren. Heute müssen sie die Viehhaltung teilweise ganz aufgeben, weil sie mit ihren Herden nicht mehr zu den Wasserstellen in den Nationalparks dürfen. Aus der Sicht von Morindat wird der Naturschutz auch unter dem Vorwand der Tourismusförderung vorgeschoben, um den Massai ihre Lebensgrundlage langsam strittig und sie sesshaft zu machen.
Für Germanwatch sind die Austauscherfahrungen sehr wertvoll. Viele Impulse aus Südperspektiven helfen, die eigene Arbeit zu hinterfragen und unsere transformative Bildungsarbeit weiterzuentwickeln. Der Austausch ermächtigt die Teilnehmenden, ihre Organisationen und uns dazu, gemeinsam Anregungen für die weitere Entwicklung in Tansania, aber auch für unseren eigenen Transformationsweg in der Landwirtschafts- und Ernährungsfrage zu bekommen.
Cornelius Dahm