Blogpost | 17.11.2017

Der deutsche G20-Subventionsbericht: eine weitere Chance vertan

Blog-Beitrag von Dr. Gerrit Hansen, November 2017
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Der enttäuschende Bericht der Bundesregierung zu fossilen Subventionen gefährdet die Integrität des G20-Peer-Review-Prozesses 

Während die Aufmerksamkeit der Presse auf die Koalitionsverhandlungen in Berlin und die Fidschi-COP 23 in Bonn gerichtet sind, hat Deutschland am Dienstag stillschweigend seinen G20-Subventionsbericht („self-review“) veröffentlicht: Dieser ist Teil des G20-Peer-Review-Prozesses zur gegenseitigen Begutachtung der staatlichen Subventionierung fossiler Energieträger, welcher 2016 erstmals zwischen den USA und China stattfand, und dieses Jahr von Mexiko und Deutschland weitergeführt wurde. Der Prozess, bei dem Länder freiwillig ihre Subventionen offenlegen und von der OECD und anderen G20-Ländern begutachten lassen, ist derzeit der einzige konkrete Schritt zur Umsetzung der Ankündigung des G20-Gipfels in Pittsburgh 2009, die Gruppe werde mittelfristig „ineffiziente Subventionen für fossile Energieträger, die verschwenderischen Verbrauch anreizen“ auslaufen lassen. Für die Erreichung der Klimaziele von Paris ist dies zentral: Denn Subventionen für fossile Energieträger belaufen sich weltweit auf mehrere hundert Milliarden US Dollar jährlich, und wirken der Dekarbonisierung des Energiesystems, von Verkehr und Wirtschaft entgegen.


Abbau von Subventionen für Fossile ist essentiell um die Klimaziele von Paris zu erreichen


Nachdem die  G7 2016 angekündigt hatten, fossile Subventionen bis zum Jahr 2025 abzubauen, gab es die Hoffnung, die G20 könnten nachziehen und beim Gipfel in Hamburg ebenfalls ein Enddatum für den Abbau fossiler Subventionen festlegen. Doch trotz beeindruckenden diplomatischen Bemühungen der deutschen Präsidentschaft und klaren Forderungen aus den G20-Begleitgruppen von Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Think Tanks konnte diesbezüglich auch 2017 kein Konsens erzielt werden. Bei offiziellen Veranstaltungen der Bundesregierung auf der COP23 in Bonn betonten jedoch sowohl der deutsche G20-Sherpa Röller als auch Bundesumweltministerin Hendricks weiterhin mit Nachdruck die Bedeutung von CO2-Preissignalen, durch Subventionsabbau und die Einführung von wirksamer CO2-Bepreisung, für die Umsetzung der Klimaziele von Paris. 

Leider lässt die Bundesregierung jedoch auch hier Worten keine Taten folgen. Der G20-Peer-Review-Prozess wurde ins Leben gerufen, um Transparenz und Rechenschaft zu erhöhen und dadurch auch das Ambitionsniveau zu steigern. Der deutsche G20-Subventionsbericht, der am Dienstag auf der Webseite der OECD veröffentlicht wurde, löste bei den NGO-Experten, die seit Jahren für den Abbau schädlicher fossiler Subventionierung kämpfen, Bestürzung aus. „Grauenhaft“, „ein Disaster“ und „ernsthaft schädlich für den G20-Review-Prozess“, so hart fielen die ersten Urteile von Oil Change International und ODI aus. Der Bericht falle weit hinter das Niveau der Berichte der USA und Chinas im vergangenen Jahr zurück.


Der deutsche Bericht ist unvollständig und enthält keine neuen Vorschläge für den Abbau schädlicher Subventionen


Der deutsche Review-Bericht identifiziert 22 Maßnahmen in Form von Steuervergünstigungen oder direkten Transferleistungen zugunsten fossiler Energieträger in Höhe von insgesamt fast 15 Milliarden Euro in 2016. Zwei dieser Maßnahmen in Höhe von 1,4 Milliarden werden 2018 im Rahmen der EU-Vereinbarung zum Abbau der Steinkohlesubventionierung auslaufen – bei den restlichen sieht die Regierung keinen Handlungsbedarf. Ein im September von CAN Europe und ODI publizierter Bericht identifizierte hingegen 87 Subventionen und Maßnahmen und schätzte die Gesamthöhe der finanziellen Unterstützung für fossile Energieträger einschließlich steuerlicher Begünstigungen und öffentlicher Mittel auf fast 36 Milliarden Euro jährlich zwischen 2014 und 2016. Das Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft (FÖS) hat kürzlich in einer Studie die produktions- und verbrauchsbezogene Subventionierung für Fossile allein im Energiebereich auf 46 Milliarden Euro veranschlagt. Entsprechend enttäuscht zeigt sich das FÖS darüber, dass die Bundesregierung eine weitere Chance vergibt, endlich die klimaschädlichen Subventionen offenzulegen. 


Kritik auch von der OECD und den Review-Partnerländern


Die Zivilgesellschaft ist mit ihrer Einschätzung des Berichts nicht alleine: Nach Daten der OECD sind fossile Subventionen in Deutschland in den vergangenen Jahren sogar angestiegen. Im offiziellen G20-Review-Bericht äußern sich die Regierungen von China, Indonesien, Italien, Mexiko, Neuseeland und den USA sowie die OECD kritisch: im Bericht seien nicht alle Subventionen, die die Produktion von Stein- und Braunkohle begünstigen, berücksichtigt worden. 
Die Weigerung der Bundesregierung, vollständige Transparenz über die Subventionierung von Fossilen Energien in Deutschland herzustellen und Maßnahmen zu deren Abbau zu ergreifen, torpediert die Bemühungen um eine Reform der fossilen Subventionen insgesamt. Besonders nachdem die deutsche Präsidentschaft sich im G20-Prozess so stark gemacht hatte für CO2-Bepreisung und Subventionsabbau, bedroht diese Haltung jetzt die Integrität des gesamten G20-Peer-Review-Prozesses. Einmal mehr zeigt sich hier die Tragik der deutschen Klimapolitik: während die deutschen Klimadiplomaten auf internationalem Parkett punkten, scheitert die Umsetzung zu Hause mit einer Regelmäßigkeit, die die Glaubwürdigkeit der Deutschen allmählich auch international ins Wanken bringt.