Germanwatch unterstützt das Kunstprojekt "General Assembly | Generalversammlung | Assemblée générale" von Milo Rau und dem IIPM – International Institute of Political Murder
Vom 3. bis 5. November 2017 werden sich etwa 60 Abgeordnete der "General Assembly" aus der ganzen Welt in der Bundeshauptstadt versammeln, um das neu gewählte deutsche Parlament herauszufordern – sie stehen symbolisch für alle Akteurinnen und Akteure, die von politischen Entscheidungen und Rahmensetzungen der Politik betroffen sind, jedoch kein politisches Mitspracherecht haben.
Die Themenpalette, die die eingeladenen "Abgeordneten" des Kunstprojekts in den "Plenarsitzungen", die in der Schaubühne am Lehniner Platz in Berlin stattfinden werden, abdecken, ist breit. Die politischen Fragen, die sie sich stellen, sind weitreichend. Unter den "Abgeordneten" sind unter anderem ein Umweltaktivist aus Indonesien, der sich für den Erhalt des Regenwaldes einsetzt oder ein Wissenschaftler vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, genauso wie eine Textilarbeiterin und Aktivistin aus Pakistan, die gegen den deutschen Textildiscounter KiK klagt, ein Filmemacher, der auf seiner Flucht von Mali nach Deutschland 15 Monate am Grenzzaun in Melilla verbrachte oder ein Historiker, der zu den Folgen des deutschen Kolonialismus forscht.
In den fünf Plenarsitzungen fragen die Abgeordneten der "General Assembly", wo wir als Weltgemeinschaft stehen und was zu tun ist - sozial, ökologisch, technologisch, politisch. Wie verhalten sich die demokratischen Prinzipien der Nationalstaaten zu den davon betroffenen Interessen von Teilen der Weltbevölkerung? In welchem Verhältnis stehen die Forderungen nach Unabhängigkeit, Würde und Glück im eigenen Land zu entsprechenden Forderungen auf diesem gemeinsamen Planeten? In diesem Kunstprojekt tritt an die Stelle eines nationalen Parlaments ein Weltparlament, welches die Mitglieder des Bundestages bzw. der neu gewählten deutschen Regierung aufruft, sich ihnen anzuschließen.
Mit dem Entwurf eines Weltparlaments will das Projekt symbolisch eine Leerstelle füllen, die es darin sieht, dass trotz weltweiter ökonomischer und politischer Verwicklungen auf globaler Ebene weder wirkungsvolle rechtliche Institutionen noch ausreichende demokratische Strukturen existieren, die den Weltmarkt hinreichend regulieren, völkerrechtliche Verstöße verfolgen, Menschenrechte durchsetzen oder ökologische Entwicklungen in sinnvolle Bahnen leiten könnten.
Germanwatch betrachtet das Kunstprojekt als Bestärkung und Ansporn dazu, im Rahmen der parlamentarischen Demokratie in Deutschland und der EU den durch eigenes politisches Handeln geschädigten oder bedrohten Menschen eine institutionell gesicherte Stimme im Politikprozess Deutschlands und der EU zu geben.
Das Projekt nutzt künstlerisch das Gedenken an die russische Oktoberrevolution vor 100 Jahren, die unzweifelhaft die Welt verändert hat. Heere Ideale verknüpften sich mit dem Sturz des Zarismus und Menschen weltweit wurden inspiriert, für eine bessere Welt zu kämpfen. Dass die Folgen oft dem Gegenteil des Erhofften entsprachen steht ebenso unzweifelhaft fest und muss bei heutigen Aktionsvorschlägen kritisch reflektiert werden. Als Abschluss der General Assembly soll der neu gewählte deutsche Bundestag am 7. November daher symbolisch herausgefordert werden. Genau 100 Jahre nach dem Sturm auf den St. Petersburger Winterpalast im Jahre 1917 ruft das Kunstprojekt dazu auf, vor dem Bundestagsgebäude für ein Reenactment des historischen »Sturms auf den Winterpalast« zusammen zu kommen und dadurch ein zukunftweisendes Symbol für den notwendigen politischen Umbruch, für globale Demokratie und internationale Solidarität im 21. Jahrhundert zu schaffen.
Germanwatch steht seit Anfang des Jahres 2017 im Austausch mit dem Kunstprojekt "General Assembly". Dabei steht für Germanwatch im Zentrum des Kunstprojektes, dass in einer in vieler Hinsicht globalisierten Welt die Menschen, die vom politischen und wirtschaftlichen Handeln hier betroffen sind, ernsthafte Möglichkeiten brauchen, um ihrer Stimme Gehör zu verschaffen. Wir begrüßen das Sichtbarmachen von Themen, das Zusammenkommen der Akteure aus sehr vielen Ländern der Welt, den Austausch untereinander, das aktivistische Herausfordern der deutschen Politik sowie die konkrete Arbeit daran, dass die Stimme von Menschen auf diesem Planeten, die etwa von den Konsequenzen des Klimawandels, von Menschenrechtsverstößen deutscher Unternehmen oder von der exportorientierten deutschen und europäischen Landwirtschaft betroffen sind, in Deutschland und der EU ernst genommen wird und konstruktive Reaktionen erfolgen. Seit mehr als 25 Jahren verfolgt Germanwatch den Grundansatz, Menschen, die weltweit von der deutschen Politik betroffen sind, zu empowern und ihre Mitspracherechte zu stärken.
In unserem Leitbild heißt es, dass wir uns für globale Gerechtigkeit und den Erhalt der Lebensgrundlagen engagieren. Die Ziele von mehr Gerechtigkeit, weltweit und in Deutschland, Akzeptanz der Grenzen des Planeten und Schutz der Menschenrechte leiten uns dabei. Wir fokussieren uns dabei auf die Politik und Wirtschaft des Nordens, insbesondere von Deutschland und der EU, mit ihren weltweiten Auswirkungen. Die Lage der besonders benachteiligten Menschen - besonders im globalen Süden - bildet den Ausgangspunkt unserer Arbeit.