David trifft auf Goliath: Das erste V20-G20-Treffen betont wechselseitige Vorteile ehrgeiziger Klimapolitik
Das Climate Vulnerable Forum (CVF), das 49 der weltweit am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder vereint, steht erneut im Zentrum des Kampfes gegen die globale Erwärmung und für eine gerechte internationale Klimapolitik. Am Rande der Frühjahrstagung von IWF und Weltbank in Washington im April trafen sich die Finanzminister des CVF, die Vulnerable 20 (V20), mit Vertretern des "großen Bruders", der G20, um über Klimafinanzierung, wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz und Unterstützung für Anpassung und Resilienz zu sprechen, und vor allem eine Verstärkung der Zusammenarbeit zu diskutieren.
Nach ihrer entscheidenden Rolle bei der Verhandlung des wegweisenden Klimaabkommens von Paris und der Verankerung des 1,5 °C-Temperaturziels hat die Gruppe immer wieder die Führung bei Klimaschutz und innovativen Politikinstrumenten übernommen - ihren begrenzten ökonomischen Möglichkeiten zum Trotz. In ihrem Marrakesch-Kommuniqué, das 2016 während der COP22 verkündet wurde, verpflichten sich die CVF-Staaten, so schnell wie möglich und spätestens bis 2050 auf eine 100% erneuerbare Energieversorgung umzusteigen. Eine vom CVF und UNDP in Auftrag gegebene Studie zeigt eindrucksvoll, dass eine Klima- und Wirtschaftspolitik im Einklang mit dem 1,5°-Ziel eine Chance darstellt, zu besseren, gesünderen, stabileren und unabhängigen erneuerbaren Volkswirtschaften zu werden.
Die V20 brachte genau diese Haltung in Washington ein. Die Minister der V20 riefen die mächtigsten Volkswirtschaften der Welt auf, nachzuziehen und die Chance zu nutzen, die sich durch die Modernisierung und Ökologisierung ihrer Volkswirtschaften bietet. So heißt es in der später am Tag verabschiedeten Ministerial-Erklärung der V20: "Unzureichende Ressourcen für den Klimaschutz werden zu wirtschaftlicher Instabilität führen. Investitionen in klimapolitisches Handeln sind dagegen entscheidend für integrative Entwicklung, sichere Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum. Das ist nicht nur eine Chance für die Volkswirtschaften der V20, sondern auch für die der Industrieländer."
Die V20 forderte die G20-Länder auf, im Rahmen der G20-Ergebnisse im Juli ehrgeizige Klimaschutzmaßnahmen zu beschließen. "Für gefährdete Länder ist die 1,5-Grad-Grenze eine Frage des Überlebens. Deren Einhaltung erfordert sofortiges und schnelles Handeln der globalen Gemeinschaft und vor allem der großen Industriemächte", sagte H.E. Macaya Hayes, Botschafter von Costa Rica in den USA. "Wir richten unseren Blick auf 2018, das Jahr, in dem alle Länder, vor allem die großen Industriestaaten, sich verpflichten, ihre Klimaambitionen vor Ablauf dieses Jahrzehnts zu verbessern."
Während des Treffens forderten Redner von den Marshall-Inseln, aus Äthiopien, Costa Rica und Barbados die G20-Länder auf, ihre Langfriststrategien zur treibhausgasarmen Entwicklung vor 2020 einzureichen und sich der V20 darin anzuschließen, bis 2025 eine universelle Abdeckung der Emissionen durch CO2-Preise zu erreichen. Ein besonderes Augenmerk wurde auf den Abbau der Subventionen für fossile Brennstoffe gelegt. Die V20 anerkennt die Notwendigkeit, rigoros zu prüfen, ob Subventionen für fossile Brennstoffe den Armen einen wirklichen Nutzen bieten, und in Folge deren weltweiten Abbau unter Berücksichtigung der Bedürfnisse derjenigen zu planen, die für ihren grundlegenden Energiebedarf bisher auf Fossile Energien angewiesen sind. Noch deutlicher wird die Gruppe bei der Forderung, marktverzerrende Subventionen für die Produktion fossiler Brennstoffe zu beenden. Letztere sollten sofort und spätestens bis 2020 vollständig abgebaut werden. Die G20 soll endlich einen klaren Zeitrahmen für die Beseitigung der Subventionen für fossile Brennstoffe festlegen – diesen ist sie seit 2009 schuldig geblieben.
Doch die V20 stellt nicht nur Forderungen an die großen Emittenten. Entsprechend ihrer traditionellen Vorreiter-Rolle beschloss die V20 bei ihrem Ministertreffen, Innovationen in der Klimaschutzfinanzierung voranzutreiben, um eine kontinuierliche wirtschaftliche Entwicklung ihrer Mitglieder zu gewährleisten und gleichzeitig die kostspieligen wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels zu bewältigen. Sie verkündete die Gründung einer unabhängigen Expertenkommission, welche die finanziellen Voraussetzungen für die Klimapolitik gemäß des Pariser Abkommens untersuchen soll, unter der Maßgabe, maximale Widerstandsfähigkeit und eine kohlenstoffarme Entwicklung im Einklang mit dem 1,5°C Ziel zu erreichen. Sie beschloss auch, ein technisches Komitee zu gründen, um Mehrländerfinanzierungsinitiativen für den Fortschritt des V20-Aktionsplans zu entwickeln und dessen Ziel einer signifikanten Erhöhung der Klimainvestitionen in V20-Ländern zu erreichen.
Während die G20-Finanzminister in dieser Angelegenheit seltsam schweigsam waren, begrüßten die V20 die Empfehlungen der Task Force des Finanzstabilitätsrates für die Offenlegung klimabedingter finanzieller Risiken, und betonten, dass die Kompatibilität mit der 1,5-Grad-Grenze ein integraler Bestandteil jeder Offenlegung sein sollte. Die V20 hat ihre Zusammenarbeit bei der wirksamen Umsetzung dieser Empfehlungen und bei der weiteren Untersuchung der entwicklungspolitischen Implikationen von nachhaltigen, „grünen“ Finanz- und Risikoinstrumenten zugesagt. Sie betonte die Wichtigkeit der Zusage von 100 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung und die Notwendigkeit, die konzessionären finanziellen Mittel für die Erreichung der Veränderungen gemäß des Pariser Abkommens über multilaterale Entwicklungsbanken zu verbessern. Hierbei unterstrich die V20 auch die Notwendigkeit, die Priorisierung der Anpassungsfinanzierung zu erhöhen, um eine 50:50 Balance zwischen Anpassungsfinanzierung und Klimaschutzmaßnahmen bis 2020 zu gewährleisten und wiederholte ihre Forderung nach einer kontinuierlichen Erhöhung der finanziellen Unterstützung in ausgewogener Weise.
Der Nutzen des inzwischen begonnenen V20-G20-Dialogs wurde sowohl von V20 als auch G20- -Vertretern, die bei der Sitzung präsent waren, hervorgehoben. Dieser Dialog kann ein wichtiges Engagement-Instrument werden, um zu verdeutlichen, wie Klimaschutz zu wechselseitigem Vorteil für verschiedene Volkswirtschaften gestaltet werden kann. Als nächster Schritt sollte diese Partnerschaft umgesetzt und mit gemeinsamen Zielen vertieft werden. "Es ist Zeit, strategisch zu handeln, um wahrhaft transformative Programme voranzubringen, die nichts weniger bewirken als die Umgestaltung der Investitionsagenda der Weltwirtschaft“ – so eindrücklich schließt die V20 Ministererklärung.
- Mit finanzieller Unterstützung der Stiftung Mercator und Brot für die Welt. Für den Inhalt tragen die Autorin und Germanwatch die Verantwortung. -
Mehr von Germanwatch rund um die G20 >>>