Blogpost | 16.02.2017

G20 und V20 auf Augenhöhe

Blog-Beitrag von Renato Redentor Constantino (Direktor des Instituts für Klima und nachhaltige Städte iCSC), Februar 2017
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Ein Bündnis der G20-Staaten mit den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Staaten und ihrer Ministergruppe V20 auf Augenhöhe? Das ist möglich und Deutschland sollte einen formalen G20-V20-Dialog auf den Weg bringen – im Interesse des Pariser Klimavertrags.

Für viele der vom Klimawandel besonders bedrohten Staaten ist Klimapolitik eine Frage des Überlebens. Deswegen gehen die im Climate Vulnerable Forum (CVF) zusammengeschlossenen besonders verletzlichen Staaten in den Klimaverhandlungen immer wieder voran. Die G20, die Gruppe der größten Emittenten, sträubt sich hingegen nach wie vor, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Die globale Klimakrise kann nur durch globale Kooperationen gelöst werden. Das Klimaabkommen von Paris ist eine gemeinschaftlich hart errungene Einigung, die von allen eingehalten werden sollte, wie jüngst auch Chinas Staatschef Xi Jinping betonte. Diese Haltung war auch auf der Weltklimakonferenz in Marrakesch im November 2016 deutlich spürbar, verstärkt durch Initiativen von Städten, Investoren und Unternehmen sowie vieler Nationen und Staatenallianzen wie dem CVF.

Das Climate Vulnerable Forum vereint 48 der weltweit am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder. Diese hatten in Paris 2015 die Allianz für die Verankerung des 1,5-Grad-Ziels im Klimaabkommen zum Erfolg geführt und setzten sich beim Klimagipfel im Marokko mit dem Marrakesch-Kommuniqué an die Spitze der globalen Energiewende: Alle CVF-Staaten wollen so bald wie möglich, spätestens aber bis 2050, auf 100 Prozent erneuerbare Energien umsteigen. Diese Nationen sehen das 1,5-Grad-Ziel nicht als Bedrohung, sondern als Entwicklungschance, als Wachstumsmotor – für mehr und bessere Jobs, für Zugang zu Energie und Gesundheit.

Im Herbst 2015 hatte das CVF eine gesonderte Vereinigung seiner Finanzminister ins Leben gerufen, die "Vulnerable 20" (V20), die sich trotz ihrer größeren Anzahl in Anlehnung an die G20 so benannten. Ziel der V20 ist es, wirtschaftliche Alternativen zu schaffen und Investitionen für eine "klimaresiliente" – also gegenüber den Folgen des Klimawandels widerstandsfähige – und emissionsarme Entwicklung zu mobilisieren. Dafür gilt es, eine starke Kooperation mit der G20 zu etablieren.

Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung gehören zusammen

Dass die Bundesregierung sich entschieden hat, während ihrer G20-​Präsidentschaft in diesem Jahr die Umsetzung des Paris-Abkommens oben auf die Agenda zu setzen, ist begrüßenswert. Um die globale Transformation voranzubringen, sollte die deutsche G20-Präsidentschaft eine starke Partnerschaft mit den vom Klimawandel am meisten bedrohten Ländern eingehen und mit den V20 einen Dialog auf Augenhöhe anstreben.

Deutschland muss dabei klarmachen, dass Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung nur zusammen gedacht werden können. Zwar stehen auf der deutschen G20-Agenda bereits viele entwicklungspolitisch wichtige Themen wie Klimarisikoversicherungen, die Wirtschaftsinitiative "Compact with Africa", grüne Investitionskriterien oder klimabezogene Finanzrisiken – dennoch: Die deutsche Präsidentschaft kann und muss mehr tun.

Damit die verletzlichen Länder und die großen Volkswirtschaften dem Klimawandel gemeinsam entgegentreten können, sollte Deutschland einen formalen G20-V20-Dialog anstoßen. Mit einer solchen Kooperation könnten die Industrieländer ihre Unterstützung für diejenigen Länder organisieren, die besonders stark vom Klimawandel betroffen sind.

China treibt Süd-Süd-Kooperation voran

In Marrakesch hat sich China zu einem "starken Partner" der verletzlichsten Staaten erklärt – mit Hinweis auf die 20 Milliarden Yuan (drei Milliarden US-Dollar), die das Land bereits für Süd-Süd-Kooperationen zur Klimaanpassung und treibhausgasarmen Entwicklung zur Verfügung stellen will. Andere G20-Länder sollten dem Beispiel folgen und insbesondere ernsthaft am Fahrplan für die zugesagten 100 Milliarden Dollar zusätzlicher Klimafinanzmittel für die Entwicklungsländer arbeiten.

Die G20 würde auch von der Expertise der V20 profitieren, was Klimaresilienz und treibhausgasneutrale Entwicklung angeht. So hat die V20 im Mai 2016 eine "Global Preparedness Partnership" gestartet und zudem verabredet, das lokale Risikomanagement in ihren Ländern zu stärken. Bis 2025 wollen die V20-Staaten außerdem Preismechanismen für CO2 einführen, Subventionen für fossile Brennstoffe abbauen und treibhausgasintensive Investitionen stoppen. Ihre nationalen Beiträge zum Paris-Abkommen wollen sie deutlich vor 2020 weiterentwickeln.

Äthiopien, das derzeit die CVF-Präsidentschaft innehat, hat den schwierigen Prozess der Abschaffung fossiler Subventionen bereits gemeistert. Costa Rica nutzt schon jetzt zu 99 Prozent erneuerbare Energien und hat für spätestens 2021 vollständige CO2-Neutralität angekündigt. Und die Philippinen haben Katastrophenvorsorge und Anpassung an den Klimawandel zum diesjährigen Schwerpunktthema beim südostasiatischen Staatenbündnis Asean gemacht.

Deutschland und die wirtschaftlich stärksten Nationen sollten sich die Blamage ersparen, in der Klimapolitik weit hinter die ärmsten Länder zurückzufallen. Für die G20 ist es an der Zeit, die ausgestreckte Hand der V20 zu ergreifen – nicht nur aus moralischer Verpflichtung, sondern um eine echte Partnerschaft aufzubauen. Das könnte beiden Seiten helfen, die große Transformation zu einer klimastabilen und treibhausgasarmen Gesellschaft zu bewältigen.

Renato Redentor "Red" Constantino ist Direktor des Instituts für Klima und nachhaltige Städte iCSC in Quezon City, der größten Stadt der Philippinen. Der Autor und Aktivist berät die Lenkungsgruppe des Climate Vulnerable Forum (CVF)


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- Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.klimaretter.info -

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Autor:innen

Renato Redentor "Red" Constantino, Gerrit Hansen (Co-Autorin)