Tierwohl-Label greift zu kurz
Berlin (19. Jan. 2017). Zur heute vorgestellten Initiative Tierwohl des Bundeslandwirtschaftsministeriums sagt Reinhild Benning, Expertin für Landwirtschaft und Tierhaltung bei Germanwatch: „Tierwohl hört sich gut an, aber das Tierwohl-Label des Bundeslandwirtschaftsministers greift zu kurz. Verbraucherinnen und Verbraucher wollen kein Tierleid im Stall. Damit sie sich bewusst gegen Produkte aus industrieller Tierhaltung entscheiden können, müssen diese beim Kauf leicht erkennbar sein. Bisher ist das nur bei Eiern der Fall: Der Handel ist gesetzlich verpflichtet, alle Eier mit Ziffern von 0 für das Bio-Ei bis 3 für das Ei aus Käfighaltung zu kennzeichnen."
Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland haben – so Germanwatch - mit Hilfe der Pflichtkennzeichnung für Eier das Tierleid in Käfigen weitestgehend abgewählt. "Der Marktanteil für nicht verarbeitete Frischeier aus Käfighaltung liegt gerade noch bei einem Prozent. Das hilft besonders Bauernhöfen anstatt der Agrarindustrie: In Niedersachsen gibt es endlich wieder mehr Hühner haltende Höfe mit kleineren Herden, mehrheitlich in Freiland- und Ökohaltung“, erklärt Benning. „Das Tierwohl-Label ist ein Versuch des Handels, eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für die Haltungsform auf allen Lebensmitteln von Tieren zu verhindern. Das Label ändert nichts daran, dass Konzerne und Discounter weiterhin Billigfleisch massiv bewerben dürfen, oft mit falschen Versprechen wie „Wiesenhof“ und „Bauernglück“, auch wenn die Tiere nie auf der Wiese waren und Bauern ruinöse Preise erhalten. Nur wenn diese legale Irreführung der Verbraucher gestoppt wird, haben Bauernhöfe mit tiergerechterer Haltung und zumeist geringerem Antibiotikaeinsatz eine faire Chance am Markt."
Verbraucher legten zudem großen Wert darauf, dass Futterimporte für Tierhaltung in Deutschland nicht weiter Ernährungssouveränität und Regenwald in Ländern des Südens gefährdeten. Dies gewährleiste das sechseckige Biosiegel am ehesten. Indem Minister Schmidt nun für das Tierwohl-Label die gleiche Siegel-Kontur für Ökoprodukte und Nicht-Ökoprodukte vorschlage, trage er eher zur Verwirrung als zur Transparenz für Verbraucher bei.
Der Bundesrat hatte bereits im Jahr 2014 Vorschläge für eine Pflichtkennzeichnung auf den Weg gebracht, die von Bundesverbraucherminister Christian Schmidt bislang jedoch nicht konstruktiv aufgegriffen würden. Germanwatch fordert den Bundesrat auf, das Engagement für die Pflichtkennzeichnung mit mehr Nachdruck fortzusetzen, damit diese spätestens mit einer neuen Bundesregierung Ende des Jahres umgesetzt gesetzt werden kann.