"Wird der Markt das Klima retten?"
"Wird der Markt das Klima retten?"
Lars Josefsson, der Chef des schwedischen Energieunternehmens Vattenfall, ruft zum Engagement gegen den Klimawandel auf. Josefsson betont die Gefährdung einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung durch die Folgen des Klimawandels. In einem globalen Emissionshandel sieht er keine zwangsläufige Belastung für die Wirtschaft, sondern vielmehr Chancen für Innovation und Investition.
Germanwatch bringt ein leicht gekürztes Interview mit Lars Josefsson aus dem Focus vom 14. August, geführt von Jürgen Schönstein.
Focus: Sie haben kürzlich mit Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger, dem britischen Premierminister Tony Blair und Topmanagern der Wirtschaft über die Bekämpfung des Klimawandels diskutiert. Sind Unternehmer wirklich in der Lage, sich mit diesen Problemen ernsthaft zu befassen?
Josefsson: Unbedingt! Denn es ist in ihrem ureigenen Interesse, den Klimawandel zu bekämpfen. Ich werbe zurzeit bei meinen Kollegen in den Energieunternehmen für eine globale Wirtschaftsinitiative zu dieser Frage.
Focus: Für einen Spitzenmanager eines Energiekonzerns ist es ungewöhnlich, den globalen Klimawandel nicht nur zu akzeptieren, sondern sogar ausdrücklich als ein von Menschen verursachtes Problem zu bezeichnen.
Josefsson: Anhand der aktuellen Forschungsergebnisse kann man zu keinem anderen Schluß kommen. Ich finde es frustrierend, welche Schwierigkeiten Unternehmensführungen damit haben, sich diesem Problem zu stellen. Ich sehe unmittelbare Folgen, die der Klimawandel für unser Geschäft haben wird. In den kommenden 10 Jahren könnte das sogar eine globale Rezession auslösen.
Focus: Selbst von extremen Wetterphänomenen hat die Energiewirtschaft doch eher profitiert. (...)
Josefsson: Das waren kurzfristige Effekte, Schockreaktionen der Märkte. (...) Eine nachhaltige und stabile wirtschaftliche Entwicklung ist die beste Voraussetzung für den Erfolg von Energieunternehmen. aber gerade diese langfristige Stabilität sehe ich durch den Klimawandel gefährdet.
Focus: Wollen Sie dieses Problem technisch lösen?
Josefsson: Es gibt schon heute viel versprechende Ansätze. Vattenfall hat in der Lausitz mit dem Bau einer Pilot-Anlage für das weltweit erste CO2-freie Braunkohlekraftwerk begonnen. (...) Was wir heute brauchen ist ein Globales Regelwerk zur Emissionsbegrenzung. Wir haben einen Vorschlag unterbreitet, in dem wir dies für die kommenden 100 Jahre vorgerechnet haben. (...)
Focus: Ihr Vorschlag setzt voraus, dass man einen Grenzwert für die globale Umweltbelastung finden kann. (...) Wie soll die Einhaltung dieses Grenzwerts geregelt werden?
Josefsson: Wir müssen uns auf einen globalen Preis für Emissionen verständigen.
Focus: Und das würde Emissionen eindämmen und die Wirtschaft nicht zu stark belasten?
Josefsson: Ein funktionierender Handel wird die Begrenzung der Treibhausgas-Emissionen zu den geringsten Kosten bringen. Ein Marktpreis ist intelligent und flexibel. Würden wir statt dessen eine Steuer von beispielsweise 20 Dollar einführen, könnten wir weder sagen, ob dieser Preis richtig ist, noch, ob wir das Ziel wirklich erreichen. Im Übrigen glaube ich nicht, dass ein globaler Emissionshandel die Wirtschaft belasten muß; vielmehr würde er Innovation und Investition beflügeln.
Focus: Der Markt rettet das Klima - wie soll das funktionieren?
Josefsson: Über Angebot und Nachfrage. Das Angebot wird knapp, wenn man einen weltweiten Höchstwert für Emissionen festlegt und dann entsprechend die Emissionsrechte an Staaten verteilt. Unser Vorschlag sieht vor, dass dies am fairsten auf der Basis des kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukts pro Kopf geschehen könnte.
Focus: Wogegen die Drittweltländer protestieren, weil sie sich dadurch in ihrer Entwicklung behindert sehen.
Josefsson: Wir schlagen vor, dass die ärmsten Länder erst einmal keinerlei Emissionsbeschränkungen unterliegen, bis sie selbst ein gewisses Wohlstandsniveau erreicht haben. Um die reichen Länder nicht über Gebühr zu belasten, wollen wir die Auflagen zur Emissionsreduzierung auf eine maximale Rate begrenzen. Wenn zu schnell zu viel reduziert werden muß, bricht die Wirtschaft ein. (...)
Fokus: Wie stark würden die Energiekosten in Ihrem Modell steigen?
Josefsson: Bei dem europäischen Handelssystem haben wir gesehen, dass Zertifikatkosten von 20 Euro pro Tonne CO2 mit etwa zwölf Euro pro Megawattstunde - oder 1,2 Cent pro Kilowattstunde - auf den Großhandelspreis für Strom durchschlagen. Für einen Privathaushalt, bei dem staatliche Abgaben und Netzkosten mehr als die Hälfte der Stromrechnung ausmachen, sollte sich dies nur mit wenigen Prozenten bemerkbar machen. Gesellschaftlich betrachtet, sind diese Kosten niedriger als die Kosten, die ein ungezügelter Klimawandel mit sich bringt.