Landgericht weist Klimaklage gegen RWE ab - Berufung sehr wahrscheinlich
Das Landgericht Essen hat heute die Zivilklage des peruanischen Bergführers Saúl Luciano Lliuya gegen RWE abgewiesen. Der Rechtsstreit ist damit aber wohl nicht beendet: Anwältin Verheyen kündigte an, dass ihr Mandant "höchst wahrscheinlich" vor die nächste Instanz, das Oberlandesgericht Hamm, ziehen werde.
Essen (15. Dez. 2016). Das Landgericht Essen hat die "Klimaklage" des peruanischen Bergführers und Kleinbauern Saúl Luciano Lliuya gegen RWE heute abgewiesen. Das Zivilgericht begründete dies unter anderem mit einer fehlenden "rechtlichen Kausalität", räumte aber gleichwohl eine mögliche "naturwissenschaftliche Kausalität" ein. Der Kläger und seine Anwältin hatten auf eine Beweisaufnahme zu der Frage gehofft, ob Mitverursacher des Klimawandels für den Schutz vor Risiken aufkommen müssen, die anderen infolge des globalen Klimawandels entstehen. "Wir halten unsere Klage nach wie vor für gut begründet und auch die rechtliche Kausalität für gegeben", bekräftigt Rechtsanwältin Dr. Roda Verheyen (Hamburg). "Nun werden wir höchst wahrscheinlich in Berufung gehen, um vor dem Oberlandesgericht Hamm die Mitverantwortung von RWE zu beweisen. Die endgültige Entscheidung darüber werde ich mit meinem Mandanten aber erst nach Durchsicht des schriftlichen Urteils fällen."
Saúl Luciano Lliuya, der die Neuigkeit in Peru mit großer Spannung erwartet hatte, zeigte sich enttäuscht aber kämpferisch: "Als Bergführer bin ich lange und steinige Wege gewohnt. Da darf man sich von Hindernissen nicht entmutigen lassen. Es geht um Schutz und Gerechtigkeit für meine Familie und viele Tausend weitere Menschen in Huaraz. Und ich bin weiterhin zuversichtlich, dass uns ein deutsches Gericht die Chance geben wird zu zeigen, dass RWE für unsere gefährliche Situation mitverantwortlich ist."
Das Verfahren ist in Europa einmalig. Luciano Lliuya möchte mit der Ende 2015 eingereichten Zivilklage erreichen, dass RWE entsprechend seinem Anteil an der Verursachung des Klimawandels für Schutzmaßnahmen an einem Gletschersee oberhalb der Andenstadt Huaraz aufkommt. Einem Großteil der 120.000-Einwohner-Stadt und damit auch der Familie und dem Haus von Luciano Lliuya droht wegen der durch den Klimawandel beschleunigten Gletscherschmelze eine akute Flutgefahr, bis zu 50.000 Menschen leben dort mit dem gleichen Risiko. Es geht um rund 17.000 Euro. RWE lehnt die Forderung jedoch ab.
Ein Verursacher von vielen ist nicht verantwortlich? "Das wäre ein Argument für kollektive Verantwortungslosigkeit"
Der Energiekonzern bezeichnet sich selbst als den größten CO2-Einzelemittenten in Europa. Das Unternehmen ist, so zeigt eine Untersuchung von 2014, für rund ein halbes Prozent aller weltweit seit Beginn der Industrialisierung durch menschliches Handeln freigesetzten Treibhausgasemissionen verantwortlich. "Der Kern der Frage ist: Können sich die Hauptverursacher des Klimawandels einfach mit dem Argument aus der Verantwortung stehlen, dass es ja viele Mitverursacher gebe", so Klaus Milke, Vorsitzender der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, die Luciano Lliuyas Anliegen unterstützt. "Das würde die vom Klimawandel betroffenen Menschen tatsächlich zu hilf- und rechtlosen Opfern machen. Es wäre ein Argument für kollektive Verantwortungslosigkeit."
Der Weltklimarat IPCC führt die Gletscherschmelze in den Anden auf den Klimawandel zurück. In Huaraz ist die Gefahr besonders präsent: Der Gletschersee Palcacocha, der einige Kilometer oberhalb der Stadt liegt, ist allein seit 2003 um mehr als das Vierfache gewachsen. Durch den Klimawandel steigt auch das Risiko, dass sich große Eisblöcke von den Gletschern lösen und in den See stürzen. Dann würde eine verheerende Flutwelle ins Tal hinabrollen. Um die Gefahr dauerhaft abzuwenden, müssten immer wieder große Mengen Wasser aus dem See durch ein neues Entwässerungssystem abgepumpt und Dämme des Sees verstärkt beziehungsweise neue errichtet werden.
Für die Anwalts- und Gerichtskosten des Klägers in diesem Musterverfahren tritt die Stiftung Zukunftsfähigkeit ein. Im wahrscheinlichen Fall einer Berufung wird sie erneut zu Spenden aufrufen.
Kontakt für Medien:
- Stefan Küper
Pressesprecher Germanwatch
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