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Weltgipfel in Johannesburg: Kuss des Lebens für Kyoto?

Fortschritte bei Russland, Kanada und China / Bundeskanzler Schröder: Klimawandel bittere Realität

Der öffentliche Druck des Weltgipfels für nachhaltige Entwicklung (WSSD) in Johannesburg hat in einigen Staaten zur Ratifizierung des Kyoto-Protokolls geführt. Dazu gehören Polen, Estland und China.

"Ich möchte bekannt geben, dass die Regierung Chinas das Kyoto-Protokoll ratifiziert hat", erklärte Premierminister Zhu Rongji (zitiert nach Reuters). Damit würde auch China als größter Emittent unter den Entwicklungsländern mit dem Inkrafttreten Partei des Kyoto-Protokolls. Die Bedeutung des Protokolls steigt dadurch.

Nach der Ratifizierung Polens fehlt jetzt nur noch Russland, damit auch 55% der Industrieländer-Emissionen repräsentiert sind und das Kyoto-Protokoll in Kraft treten kann. Der russische Premier Kasjanow machte in Johannesburg Hoffnung, dass dies bald geschehen werde. "Russland hat das Kyoto-Protokoll unterzeichnet und wir bereiten jetzt die Ratifizierung vor. ... Wir denken, dass die Ratifizierung in der allernächsten Zukunft stattfinden wird." Auch der russische Präsident Putin äußerte sich in ähnlicher Weise gegenüber dem deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau. Kanzler Schröder kündigte in Johannesburg an, dass er das Thema Kyoto-Ratifizierung demnächst zum Thema bilateraler Kontakte mit Präsident Putin machen werde.

Der kanadische Ministerpräsident Chretien erklärte in Johannesburg - GERMANWATCH hatte dies bereits kürzlich von seinem Büro angedeutet bekommen - ,dem Parlament werde noch in diesem Jahr das Kyoto-Protokoll zur Ratifizierung vorgelegt. Wenn dies tatsächlich noch dieses Jahr geschieht, dürfte nach den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen einer Annahme nichts im Wege stehen. Allerdings könnte es sein, dass die von fossilen Interessen geprägte Provinz Alberta in der Folge das Verfassungsgericht anrufen wird, um die Rechtsgültigkeit der Ratifizierung anzuzweifeln. Dennoch haben sich nun die Chancen, dass neben Mexiko noch ein weiteres NAFTA-Mitglied dem Protokoll beitritt, erheblich gesteigert. Für das Inkrafttreten des Protokolls ist das nicht zentral, doch es würde erheblich den Druck auf die USA erhöhen, sich nicht dauerhaft von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Klimaschutz-Strategie zu isolieren. Interessant ist übrigens auch, dass nach verschiedenen Umfragen in Australien die große Mehrheit der Bevölkerung für eine Ratifizierung des Kyoto-Protokolls ist.

Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Aber wenn die Ankündigungen Russlands und Kanadas tatsächlich in die Tat umgesetzt werden, wäre der Johannesburger Weltgipfel rückwirkend der Kuss des Lebens für das Kyoto-Protokoll gewesen.

Christoph Bals, GERMANWATCH


Wir möchten Ihnen außerdem die von Bundeskanzler Schröder in Johannesburg gehaltene Rede im Wortlaut dokumentieren:
 

Rede von Bundeskanzler Schröder auf dem Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg

Mo, 02.09.2002

Herr Präsident,

sehr verehrte Damen und Herren!

Die weltweite Zunahme extremer Wetterereignisse zeigt eines ganz klar: Der Klimawandel ist keine skeptische Prognose mehr - er ist bittere Realität, weltweit, in allen Kontinenten, in sehr vielen Ländern.

Diese Herausforderung verlangt von uns entschiedenes Handeln. Es geht um unsere natürlichen Lebensbedingungen und damit um die Zukunft unserer Kinder. Daher sollte diese Konferenz die Staaten, und zwar alle Staaten, auffordern, das Kyoto-Protokoll so schnell wie möglich zu ratifizieren, damit es noch in diesem Jahr in Kraft treten kann.

Insbesondere die hoch industrialisierten und reichen Länder dieser Welt haben eine besondere Verantwortung für die Ratifizierung dieses Protokolls. An diejenigen, die das nicht tun, muss man appellieren, zumindest einen gleichwertigen Beitrag zur Verminderung der Treibhausgase zu leisten. Der Schlüssel für einen wirksamen Klimaschutz wie für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung liegt zweifellos in einer nachhaltigen Energieversorgung. Ich denke, wir alle erwarten, dass wir auf diesem Gebiet in Johannesburg konkrete Ziele und konkrete Schritte miteinander vereinbaren können.

Nur als Beispiel: In Deutschland haben wir den CO2-Ausstoß bereits um 19 Prozent senken können. Mit einer effizienten Nutzung der Energie und einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien haben wir die Weichen für eine vernünftige Energiezukunft gestellt.

International wollen und werden wir drei Initiativen ergreifen:

Erstens: Ich werde zu einer internationalen Konferenz über erneuerbare Energien und Energieträger nach Deutschland einladen. Wir wollen damit im Energiebereich an das anknüpfen, was wir alle Ende letzten Jahres mit der Bonner Wasserkonferenz erreicht haben.

Zweitens: Deutschland wird sich an dem gestern beschlossenen weltweiten Netzwerk der Energieagenturen beteiligen.

Drittens: Deutschland wird die im Energiebereich schon erfolgreiche Zusammenarbeit insbesondere mit den Entwicklungsländern zu einer wirklich strategischen Partnerschaft ausbauen.

Diese Zusammenarbeit bei den erneuerbaren Energien wird Deutschland in den nächsten fünf Jahren mit 500 Millionen Euro fördern. Weitere 500 Millionen Euro wird Deutschland für die Steigerung der Energieeffizienz in dieser Zusammenarbeit zur Verfügung stellen.

Umwelt und Entwicklung, das war das Versprechen von Rio 1992. Ohne eine erfolgreiche Armutsbekämpfung wird es keine globale ökologische Rettung, aber auch keinen dauerhaften Frieden geben. Für die weltweite Bekämpfung der Armut werden die Mitgliedstaaten der Europäischen Union die öffentliche Hilfe von jetzt 26 Milliarden Euro auf voraussichtlich 35 Milliarden Euro im Jahre 2006 steigern. Deutschland wird seinen Beitrag daran leisten.

Ausdrücklich begrüßen möchte ich die Eigeninitiative afrikanischer Staaten im Rahmen von NEPAD. Mindestens so wichtig wie Finanzmittel ist der freie und ungehinderte Zugang der Entwicklungsländer zu den Weltmärkten. Dazu gehört ausdrücklich auch der Abbau von marktverzerrenden Subventionen im Agrarbereich.

Die Beschlüsse von Johannesburg sollen dazu beitragen, dass wir der wirtschaftlichen Globalisierung eine Richtung geben, die eine nachhaltige Entwicklung fördert. Aber es geht auch um ganz elementare Dinge wie den Zugang der Menschen zu sauberem Trinkwasser. Wir dürfen - das muss auch das Signal von dieser Konferenz sein - die Hoffnungen der Menschen in aller Welt nicht enttäuschen. Sie erwarten von uns spürbare und für sie nachvollziehbare Fortschritte.

Ich denke, das ist der Weg, den wir gemeinsam gehen müssen und werden.
 

Quelle: www.bundesregierung.de, 4.9.02
Direkter Link: http://www.bundesregierung.de/emagazine_entw,-435866/Rede-von-Bundeskanzler-Schroed.htm
 
 

Redaktion:
Germanwatch e.V.
Dr. M. Treber (V.i.S.d.P.), E. Stute, G. Kier

Dieses Projekt wird finanziell vom Bundesumweltministerium und vom Umweltbundesamt gefördert.
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