KlimaKompakt Spezial

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G8: Bush gerät in zunehmende Klima-Isolation

Deutschland hat Schlüsselrolle für Folgeprozess bis 2007

"Africa - up in smoke?" fragt der Titel einer jüngst veröffentlichten Studie der "Working Group on Climate Change and Development", einem Zusammenschluss von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen in Großbritannien. Die Studie identifiziert die dramatischen Auswirkungen des Klimawandels auf Afrika und die ärmsten Bevölkerungsteile dort. Und stellt damit die Verknüpfung her zwischen den beiden Themen, die der englische Premierminister Tony Blair als Prioritäten für den ab heute stattfindenden G8-Gipfel gesetzt hat: Afrika auf der einen und Klimawandel auf der anderen Seite. Im schottischen Gleneagles treffen die Staats- und Regierungschefs der acht größten Industrienationen zusammen. Die erwähnte Studie greift damit entscheidende Zusammenhänge auf, die in der öffentlichen Debatte um den G8-Gipfel und um anhängige Ereignisse wie "Live 8" bisher weitestgehend ausgeblendet wurden. Über die klimapolitische Dimension des G8-Gipfels ist wenig in der Öffentlichkeit berichtet worden, über die komplexeren entwicklungspolitischen Zusammenhänge noch weniger.

Marokko und Botswana, China und Argentinien: Diese und andere Entwicklungs- und Schwellenländer haben auf dem klimapolitischen "Seminar der Regierungsexperten" Mitte Mai in Bonn ihre große Besorgnis über die Auswirkungen des Klimawandels vorgetragen. Seine negativen Folgen spüren sie immer stärker, die Fähigkeit zur Anpassung an Meeresspiegelanstieg, Wetterextreme etc. wird für viele Menschen eine Überlebensfrage werden. Das Erreichen der von der Weltgemeinschaft verfolgten "Millenniums-Entwicklungsziele" wird durch die fortschreitende Erhöhung der atmosphärischen Temperaturen in Frage gestellt, wenn nicht gar in Teilen unmöglich gemacht.

Laut offizieller Position der EU und vieler anderer Akteure muss der globale Temperaturanstieg auf weniger als 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden, um einen in großem Maßstab gefährlichen Klimawandel abzuwenden. Selbst diese Grenze allerdings wird möglicherweise für viele Menschen schon katastrophale Verschlechterungen der Lebensverhältnisse mit sich bringen, und weite Teile Afrikas gelten als besonders verletzlich gegenüber dem Klimawandel. Dies hat ökologische Gründe, aber auch soziale, denn die Armut beschränkt die Kapazitäten der Menschen, wirksame Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen. Hier treffen also Klimawandel und die Armut in Afrika wieder zusammen.

Nach dem ersten Vorbereitungstreffen der G8-Umwelt- und Entwicklungsminister sowie einer Reihe eingeladener Entwicklungsländer im März stellten diese an den G8-Gipfel die Forderung, ein "klares und frühes Signal über die Richtung ihrer Politik und stabile langfristige Rahmenbedingungen" für den Klimaschutz zu setzen. Auch die Wirtschaft fordert langfristige, verlässliche Politik-Perspektiven, wie ein Runder Tisch des Weltwirtschaftsforums zum Gipfel deutlich artikuliert hat. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass bis 2030 weltweit die gewaltige Summe von etwa 16.000 Mrd. US-Dollar in die Energie-Infrastruktur investiert werden wird. Angesichts dieser Tatsache sind die "Klarheit und die Frühzeitigkeit" der Signale von existenzieller Bedeutung, um eben den in großem Maßstab gefährlichen Klimawandel abzuwenden. Denn mittlerweile ist ja hinlänglich bekannt, dass die Bekämpfung des Klimawandels ohne eine deutlich weniger Treibhausgas intensive Energieversorgung zum Scheitern verurteilt ist.

Nach wie vor ist es aber immer wieder die amerikanische Bundesregierung unter George W. Bush, die gemeinsame internationale Vereinbarungen zu effektivem Klimaschutz in Frage stellt. Bekanntlich lehnt sie das Kyoto-Protokoll ab. In der Vorbereitung des G8-Gipfels sickerte in den letzten Wochen durch, dass auf Drängen der USA der Verhandlungstext zumindest zwischenzeitlich deutlich verwässert wurde. Die Bush-Administration scheint sich mit ihrer politischen Verweigerungshaltung immer mehr zu isolieren, sowohl national wie international. Immerhin - so die letzten Tendenzen - scheint Bush eine Aussage im Abschlussdokument zu akzeptieren, die die überwiegende Verantwortung des Menschen für den globalen Klimawandel nicht verleugnet. Dies würde auch die letzte politische Bastion der Klimaskeptiker kippen. Das ersetzt aber nicht das praktische Handeln.

Kürzlich hat Jeffrey Immelt, der Vorstandsvorsitzende von General Electric, des größten Stromkonzerns der USA, in  einem aufsehenerregenden Artikel das Fehlen einer konsistenten Energie- und Klimapolitik in den USA beklagt. Die EU und China haben demnach  - etwa durch die Einführung des EU-Emissionshandels - die Führung bei diesem kritischen politischen Thema übernommen und damit  "ihre Wirtschaft und ihre nationale Sicherheit gestärkt", so Immelt. Arnold Schwarzenegger, kalifornischer Regierungschef, hat Anfang Juni weitreichende Klimaschutzziele für Kalifornien verkündet. "Ab heute wird Kalifornien ein Führer im Kampf  gegen die globale Erwärmung. Ich sage, dass die Debatte vorbei ist. Wir wissen, was die Wissenschaft sagt. Wir sehen die Bedrohung. Und wir wissen: Jetzt ist die Zeit zum Handeln." Er kündigte an, dass Kalifornien bis 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen auf das Niveau von 1990 und bis 2050 um 80 % gegenüber 1990 verringern werde. Es gibt eine Reihe weiterer Beispiele für eine klimapolitische Dynamik unterhalb der Bundesebene in den USA, in Bundesstaaten und Kommunen.
Je länger die Bush-Administration keine wirtschaftlich produktiven Rahmenbedingungen für Klimaschutz schafft, desto mehr gerät die US-Industrie in Gefahr, im Wettbewerb um den Markt Klima freundlicher Zukunftstechnologien an Chancen einzubüßen.

Es zeichnet sich im Moment ab, dass die destruktive Haltung der US-Bundesregierung möglicherweise nicht die Konsens orientierten Verhandlungen für einen Aktionsplan Klimawandel und umweltverträgliche Energie beim G8-Gipfel wird vollständig torpedieren können. Zwar wird globaler Klimaschutz ohne den größten Einzelemittenten, die USA, langfristig nicht erfolgreich sein können. Auch die großen Entwicklungsländer wie China oder Indien argumentieren mit der Pflicht der USA, eigene Maßnahmen zu ergreifen, bevor sie sich Emissionsbegrenzungspflichten auferlegen lassen. Doch kann dies kein Blockademandat der USA legitimieren. Von den anderen G8-Staaten ist ein deutliches Bekenntnis zu den Grundgedanken des Kyoto-Protokolls und seiner Weiterentwicklung zu erwarten. So verlautete vom deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder heute in einem Artikel im Tagesspiegel: "Der Aktionsplan ersetzt nicht verbindliche Ziele für die Minderung der Treibhausgasemissionen. Wir müssen den Weg, der mit dem Kyoto-Protokoll begonnen wurde, konsequent fortsetzen. Der G8-Aktionsplan bringt uns diesem Ziel näher, er schafft Akzeptanz auch bei denen, die noch zögern und zeigt, welche wirtschaftlichen Möglichkeiten der Klimaschutz bietet."

Die mit diesem G8-Gipfel begonnene Zusammenarbeit mit den schnell wachsenden Schwellenländern wie China, Indien, Brasilien und Südafrika sollte in wirkungsvollen Partnerschaften für Energiesicherheit und Klimaschutz münden. Dies kann nicht nur die Entwicklung in diesen Staaten befördern, die Nachfrage nach Energierohstoffen dämpfen und die Exportchancen der Vorreiterstaaten steigern, sondern ist auch für den globalen Klimaschutz unverzichtbar. Sonst wird sich ein in großem Maßstab gefährlicher Klimawandel nicht abwenden lassen.

Nur die breite Markteinführung und Massenproduktion können die Preise für Klimaschutz-Technologien derart senken, dass effektiver Klimaschutz in großem Umfang möglich ist. Daher müssen Deutschland und die EU eingeschlagene Wege konsequent weitergehen, z.B. durch Instrumente wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die Weiterentwicklung des Emissionshandels. Es zeichnet sich ab, dass eine intelligente Klimaschutzpolitik zunehmend zu Wettbewerbsvorteilen für die eigene Wirtschaft führt.

Es mehren sich die Zeichen, dass die USA nicht dauerhaft in ihrer Isolierung verbleiben kann. Je mehr Druck aus dem eigenen Land kommt, aber auch von engen Verbündeten wie dem britischen Premier Tony Blair, desto größer sind die Chancen für einen Durchbruch. Je mehr Unternehmen und Volkswirtschaften von Energieeinsparung und dem Umsteigen auf Erneuerbare Energien profitieren - Länder wie Deutschland, Großbritannien, aber auch China - und zumindest beginnen, sich so auch gegen die steigenden fossilen Energiepreise zu wappnen, desto mehr stehen Klimasünder in Politik und Wirtschaft im Abseits. So wie der Druck auf die G8 vor wenigen Wochen einen Teilerfolg hinsichtlich der Entschuldungsfrage erzielt hat, so sollte der G8-Gipfel auch in diesem Kontext effektive Ergebnisse produzieren. Auch, weil er gerade wegen der beiden prioritären Themen Afrika und Klimawandel den Weg weist zu dem UN-Sondergipfel am 15./16. September, zu dem sich die Weltgemeinschaft zur Bewertung der Fortschritte bei der Erreichung der Millenniumsziele in New York versammelt. Die reichen Industrienationen sollten entschlossenen Willen zeigen, ihrer globalen Verantwortung gerecht zu werden. Afrika könnte von einem erfolgreichen G8-Gipfel doppelt profitieren - durch größere Unterstützung bei der Armutsbekämpfung und durch entschlossenes Handeln im Klimaschutz.

Der G8-Gipfel markiert hier einen wichtigen politischen Meilenstein. Deutschland ist 2007 Gastgeber des G8-Gipfels - und steht damit in einer besonderen Verantwortung, den Folgeprozess zu organisieren. Die Erfahrung zeigt: Ohne einen stringenten Folgeprozess ist das Papier einer G8-Erklärung wenig wert. Die Umsetzung der jetzigen Beschlüsse bis dahin werden viele klimapolitische Akteure kritisch beobachten und konsequent einfordern.
 
 

Redaktion:
Germanwatch e.V.
Sven Anemüller, Christoph Bals