Huaraz - Ein Fall in mehreren Akten
Germanwatch kam erstmals im Herbst 2014, kurz vor der Weltklimakonferenz in Lima, mit Saúl Luciano in Verbindung. Seit Jahren beobachten er und sein Vater mit Sorge, wie sich die hochgelegene Schneedecke nördlich seiner Heimatstadt Huaraz wegen des Klimawandels zurückbildet und der Tauschnee neue und wachsende Gletscherseen entstehen lässt. Zweifellos lösen die sich auftürmenden Wassermengen irgendwann eine Flutkatastrophe aus, wenn nicht entschieden gehandelt wird. Den Hinweis auf Germanwatch bekam Saúl Luciano von Freunden, mit denen er sich dazu beriet, wie seine Familie und seine Gemeinde vor den Folgen einer Flut geschützt werden kann. Schließlich besuchte am Rande des Klimagipfels 2014 in Peru ein Team von Germanwatch Huaraz. Es folgten Gespräche mit der regionalen Katastrophenschutzorganisation, mit Wissenschaftsinstituten und weiteren Betroffenen. Saúl Luciano war überzeugt: nicht die von den Folgen des weltweiten Temperaturanstiegs betroffenen Menschen sollten die Kosten für Maßnahmen zum Schutz vor einer Flutkatastrophe tragen, sondern die Verursacher des Klimawandels. Notfalls solle darüber ein Gericht entscheiden.
Germanwatch vermittelte den Kontakt zu einer Umweltfachanwältin, die Saúl Luciano bei der Durchsetzung seines Schutzanspruchs begleiten sollte. Im Frühjahr 2015 setzte er zusammen mit seiner Anwältin ein Schreiben auf, in dem er Europas größten CO2-Emittenten RWE zur Übernahme eines Teils der Kosten für die Sicherung des Gletschersees in den Anden aufforderte. Wenige Wochen später ließ der Essener Energiekonzern mitteilen, er sehe keine Grundlage für einen Anspruch. Saúl sah sich dadurch bestärkt, seinen Anspruch gerichtlich feststellen zu lassen. Er ist überzeugt, dass eine solche Klage einen Präzedenzfall schaffen könnte, der seiner Nachbarschaft und MitbürgerInnen in Huaraz helfen und anderen Menschen in einer ähnlichen Situation Mut machen würde.
Zuspruch für sein Vorhaben erfährt Saúl Luciano aus allen Teilen der Welt. Die Aufmerksamkeit für seinen Fall will er nutzen und die Menschen in seinem Heimatort über die Gefahrenlage aufklären. Seine in der letzten Novemberwoche vor dem Essener Landesgericht eingereichte Klage gegen RWE will er auch mit Akteuren der Zivilgesellschaft in Europa diskutieren. Im Rahmen seines Besuchs beim Klimagipfel wird er auch den Kohletagebau Garzweiler besuchen, auf dem „Klimapilgerweg“ nach Paris wandern und an einem Bürgerkongress teilnehmen. Immer an seiner Seite: sein Vater Julio. Dieser kennt die Gefahren einer Flut aus eigener Erfahrung. Als der Gletschersee vor vielen Jahren schon einmal ausbrach, kostete das vielen Tausend Menschen das Leben.