Elmau ernst nehmen, Klimaschutzbeitrag beschließen
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
die Beschlüsse von Elmau sprechen eine klare Sprache: Erstmals haben sieben wichtige Industriestaaten angekündigt, aus der Nutzung von Kohle, Öl und Gas auszusteigen und bis Mitte des Jahrhunderts ihre Energiewirtschaft umzustellen. Dies ist aus unserer Sicht ein wichtiges Signal in Richtung einhundert Prozent Erneuerbarer Energien – insbesondere für den Weg zur Pariser Klimakonferenz am Ende des Jahres. Nicht zuletzt durch Ihren Einsatz auf dem G7-Gipfel wurde dieses Signal möglich.
Für die Glaubwürdigkeit dieser Beschlüsse ist es essentiell, dass sie in nationale Politik und konkrete Maßnahmen übersetzt werden. Das Versprechen von Elmau bedeutet, dass die Bundesregierung den schrittweisen, aber zügigen Ausstieg aus fossilen Energiequellen einleiten muss – vor allem aus der besonders klimaschädlichen Kohle.
Auch in der Bevölkerung wird dieses Ziel unterstützt: Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov vom Februar 2015 befürworten 67 Prozent der Bundesbürger das Auslaufen der Kohleverstromung in Deutschland.
Aber nicht nur die deutsche Bevölkerung erwartet einen Kohleausstieg, unlängst haben sich weitere ungewöhnliche Akteure zu Wort gemeldet: Die ansonsten eher zurückhaltende Internationale Energieagentur (IEA) hat vor wenigen Tagen die Notwendigkeit eines Ausstiegs aus den fossilen Energien betont. Fatih Birol, Chef der IEA, fordert explizit ein Verbot ineffizienter Kohlekraftwerke.
Und mit der Umwelt-Enzyklika des Papstes kommt ein gewichtiger Appell aus dem Christentum für einen weltweiten Klimaschutz und das Ende des fossilen Zeitalters.
Diese Mahnungen machen deutlich, dass Klimaschutz jetzt konkret werden muss. Mit dem Abschied von den fossilen Energien muss auch in Deutschland der zweite Teil der Energiewende beginnen. Mit den Klimaschutzzielen bis 2020 und 2050 wurde ein klarer klimapolitischer Rahmen gesetzt. Dieser wurde Ende letzten Jahres mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 und dem darin enthaltenen Beschluss zur zusätzlichen CO2-Minderung von 22 Mio. Tonnen im Stromsektor unterfüttert.
Das von Bundeswirtschaftsminister Gabriel im März vorgeschlagene Instrument eines Klimaschutzbeitrages für den Stromsektor setzt diese Vorgabe um und adressiert mit den ältesten Braunkohlekraftwerken in angemessener Weise die größten Verschmutzer.
Mithilfe des Instruments kann der Stromsektor effektiv den beschlossenen Anteil leisten, um die Klimaschutzlücke bis 2020 zu füllen. Aus Klimaschutz-Perspektive stellt dieses Anforderungsniveau das absolute Minimum dar.
Die volkswirtschaftlichen Kosten des Klimaschutzbeitrages sind dabei sehr gering. Seine Ausgestaltung ist kompatibel mit dem europäischen Emissionshandel, er verstärkt dessen Wirkungsweise und sorgt für europaweite CO2-Emissionsreduktionen. Er würde in maßvoller Weise den weiteren Strukturwandel in den Kohlerevieren absichern. Dies schafft auch für die in der Branche Beschäftigten eine planbare Perspektive und setzt Anreize für Investitionen in zukunftsfähige Arbeitsplätze in den Regionen.
Der Klimaschutzbeitrag wird von einer übergroßen Mehrheit unterstützt. Von Energieerzeugern wie EnBW, dutzenden Stadtwerken, Unternehmen und zuletzt auch explizit von den Teilnehmern des Evangelischen Kirchentages in Stuttgart.
Die von der kleinen, aber lautstarken Kohlelobby vorgeschlagenen Alternativmaßnahmen bringen dagegen nicht die notwendigen CO2-Einsparungen. Sie sind insgesamt deutlich teurer und stellen zusätzliche Subventionen für Kraftwerke dar, die sowohl derzeit als auch in der Vergangenheit sehr hohe Gewinne erwirtschaftet haben. Zudem sollen nach den Vorschlägen die hohen Mehrbelastungen einseitig von den Haushalten, den Steuerzahlern und der nicht-privilegierten Wirtschaft bezahlt werden. Ein nennenswerter zusätzlicher Klimaschutzeffekt ist von den vorliegenden Vorschlägen nicht zu erwarten. Es droht vielmehr, dass vor allem Kraftwerke in eine Reserve überführt und subventioniert werden, die auch ohne weitere politische Maßnahmen in Bälde stillgelegt würden.
Daher appellieren wir dringend an Sie, im Sinne der Glaubwürdigkeit Ihrer Politik, die CO2-Reduktionsziele im Stromsektor konsequent umzusetzen. Die Einführung des Klimaschutzbeitrages wäre ein entscheidender Schritt zum Erreichen des deutschen Klimaziels 2020 - und ist Voraussetzung, um die Ernsthaftigkeit Ihres Klimaversprechens von Elmau zu unterstreichen.
Mit freundlichen Grüßen
- Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
- Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V.
- Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer, Germanwatch e.V.
- Brigitte Behrens, Geschäftsführerin, Greenpeace Deutschland
- Leif Miller, Bundesgeschäftsführer, aturschutzbund Deutschland
- Eberhard Brandes, Geschäftsführender Vorstand, WWF Deutschland
- Dr. Christiane Averbeck, Geschäftsführerin, Klima-Allianz Deutschland
[Dieser Brief wurde auch als Anzeige in der Tagespresse 20.6.2015 veröffentlicht.]