Meldung | 24.04.2015

"Lassen Sie die Kirche im Dorf..."

Offener Brief der Umweltverbände an die Gewerkschaften IG BCE und ver.di
Lassen Sie die Kirche im Dorf...

"Sehr geehrter Herr Vassiliadis, sehr geehrter Herr Bsirske,

Deutschland ist beim Klimaschutz nicht auf Kurs. Unser Land stößt noch deutlich zu viel Kohlendioxid aus, wozu insbesondere die zahlreichen alten Braunkohlekraftwerke beitragen. Das Ziel, bis zum Jahr 2020 den Ausstoß von Treibhausgasen um vierzig Prozent zu reduzieren, werden wir verfehlen, wenn jetzt nicht nachgesteuert wird. Für den Stromsektor will die Bundesregierung deshalb von den ältesten und schmutzigsten Braunkohlekraftwerken einen zusätzlichen Klimaschutzbeitrag einfordern. Denn gerade deren Emissionen sind in den vergangenen 15 Jahren gestiegen, anstatt deutlich zu sinken.

Der geforderte Klimaschutzbeitrag wird keinesfalls dazu führen, dass innerhalb kurzer Zeit alle Braunkohlekraftwerke und Tagebaue geschlossen werden müssten. Es geht vielmehr darum, Kohlestrom so zu drosseln, dass Energiewende und Klimaschutz gelingen können. Trotzdem stehen die Kohlereviere in den kommenden zwei Dekaden vor einem klimapolitisch unausweichlichen Strukturwandel. Wer diesen Strukturwandel nicht rechtzeitig angeht, der riskiert Strukturbrüche auf dem Rücken der Beschäftigten. Deshalb ist es richtig, dass die Politik jetzt erste Weichen stellt, um solche Brüche zu vermeiden.

Kernaufgabe der Gewerkschaften bleibt der Einsatz für Arbeitnehmerinteressen. Sie haben sich aber zuletzt übertriebener Behauptungen bedient und Existenzängste geschürt, wo Aufklärung vonnöten wäre. Von einem „Ausstieg aus der Braunkohle“ durch das neue Instrument kann keine Rede sein. Vielmehr handelt es sich um einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer klimafreundlichen, zukunftsfähigen Energieversorgung, der sich auf die Emissionen der ältesten und schmutzigsten Braunkohlekraftwerke beschränkt.

Die großen Energieunternehmen haben Investitionen in erneuerbare Energien jahrelang versäumt. Nun stehen wir vor den Resultaten dieser Fehlentscheidungen. Deutschlands Zukunft liegt in der Entwicklung und Anwendung nachhaltiger, moderner Technologien. 18 000 Arbeitsplätze entstehen jährlich durch die Energiewende. Das unbeirrte Festhalten an der Kohle gaukelt der Öffentlichkeit und den Beschäftigten eine Zukunft der Braunkohle vor, die es längst nicht mehr gibt.

Der Wandel zu einer erneuerbaren Energieerzeugung muss weiter vorangetrieben werden. Der globale Anstieg von Treibhausgasen in der Atmosphäre gefährdet die Existenz von Menschen weltweit. Auch sie brauchen unsere Solidarität.

Deshalb appellieren wir an Sie: Setzen Sie sich dafür ein, dass Ihre Gewerkschaften den unvermeidbaren Strukturwandel mitgestalten, anstatt ihn zu bekämpfen. Wir unterstützen Sie darin, die anstehenden Veränderungen im Energiesektor im Interesse der Beschäftigten sozialverträglich und gerecht zu gestalten. Denn die Energiewende ist ein Gemeinschaftsprojekt."

Unterzeichner:

 


- Der offene Brief erschien am 24. April 2015 in mehreren deutschen Tageszeitungen. -