Germanwatch und das Verursacherprinzip im Klimaschutz: Der Fall Huaraz
Hintergründe und Erläuterungen
Germanwatch engagiert sich bereits seit Rio 1992 zum Thema Klimaschutz. Ausgangspunkt unseres Engagements sind die Auswirkungen des menschverursachten Klimawandels für die am meisten Verwundbaren (vor allem in den armen Entwicklungsländern). Der Großteil der seit der industriellen Revolution durch den Menschen in der Atmosphäre angehäuften Treibhausgase stammt aus den Industrieländern. Deutschland als Ursprungsland liegt dabei in der Spitzengruppe.
Germanwatch: Hohe Expertise im Klimaschutz und bei "Loss and Damage"
Seit 1995 ist Germanwatch als Entwicklungs- und Umweltorganisation mit einem Team bei allen Klimagipfeln dabei und ist bestens vernetzt mit vielen Akteuren der Zivilgesellschaft, gerade auch mit heute schon Betroffenen in Entwicklungsländern.
Gemeinsam mit NGOs in entsprechenden Ländern beobachtet Germanwatch etwa, inwieweit die durch den Anpassungsfonds des Kyoto-Protokolls finanzierten Projekte tatsächlich den besonders Verwundbaren zugutekommen.
Das Germanwatch-Team arbeitet intensiv in den internationalen Netzwerken der NGO mit, insbesondere im Climate Action Network (CAN), hat aber auch vertrauensvolle Dialogstrukturen mit Teilen der Wirtschaft. Es hat insbesondere hohe Expertise und gute Zugänge zur Politik – sowohl in Deutschland, in der EU als auch in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern – aufgebaut.
Germanwatch verfolgt intensiv die klimawissenschaftliche Debatte. So hat Germanwatch sich seit 2004 auch eingehend mit dem wachsenden Risiko durch schnell wachsende Gletscherseen (Glacial Lake Outburst Floods / Glacier Outburst Syndrom) auseinandergesetzt und dazu international wirksame Öffentlichkeitsarbeit gemacht. (Vgl. etwa: www.germanwatch.org/en/2753) Germanwatch beteiligt sich intensiv an den Suchanstrengungen für innovative Lösungen, um in den internationalen Verhandlungen zum Umgang mit Klimaauswirkungen voran zu kommen.
So ist Germanwatch Mitbegründer der "Munich Climate Insurance Initiative", die Vorschläge erarbeitet, wie auch besonders betroffene Menschen, die klassischerweise als "nicht versicherbar" gelten, im Kontext von Public-Private Solutions oder sozialen Sicherheitsnetzen abgesichert werden können (http://www.climate-insurance.org/front_content.php?idcat=858).
Germanwatch setzt sich für die Implementierung des Verursacherprinzips im Rahmen von marktwirtschaftlichen Ansätzen ein, da ein Wirtschaftssystem nicht zu volkswirtschaftlich gewünschten Ergebnissen führen kann, wenn die Gewinne privatisiert, die Risiken aber sozialisiert werden. Dies hebelt die notwendigen Markt-Anreizstrukturen aus.
Germanwatch gehört auch zu den NGOs, die am intensivsten zum Themenbereich „Schäden und Verluste durch den Klimawandel“ (Loss and Damage) bei den UN-Klimaverhandlungen arbeiten (vgl. etwa: http://germanwatch.org/lossand-damage).
Das Thema „Klagen für mehr Klimaschutz“ (Litigation) wird bei und im Umfeld von Germanwatch ebenfalls schon seit vielen Jahren diskutiert (vgl. etwa: Christoph Bals, Juristische Beschleunigung für Klimaschnecken, Germanwatch-Zeitung Nr. 2/2003, www.germanwatch.org/de/1858, bzw. Peter Roderick: Expert elicitation on climate change related litigation risks: issues and implications, 6/2010; www.germanwatch.org/de/2571). Oder ein jüngstes Beispiel: Der Jurist Dr. Will Frank, der zu den externen Germanwatch-Beratern in diesem Themenfeld zählt, veröffentlichte im Juni 2014 in der “Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht” einen Aufsatz zum Thema “Klimahaftung und Völkerrecht” (www.germanwatch.org/8785).
Aufgrund der vielfältigen Kontakte in besonders bedrohte Regionen und der Expertise zum Thema wurde Germanwatch immer wieder von durch die wachsenden Risiken des Klimawandels Betroffenen gefragt, ob wir Beratung und Unterstützung leisten könnten. Diese Anfragen häuften sich insbesondere seit unserem Engagement in der „Loss and Damage in Vulnerable Countries Initiative“ (http://cdkn.org/project/work-programme-for-ldcs-on-loss-and-damage/). Durch die alarmierenden Hinweise im jüngsten IPCC-Bericht sowie dann im Kontext des Klimagipfels in Lima (COP 20) geriet die in der Klimawissenschaft intensiv erforschte und inzwischen gut beschriebene Bedrohung durch die Gletscherschmelze in den peruanischen Hochanden verstärkt in unseren Blick.
Ein ermutigender Kontakt rund um den Klimagipfel in Peru
Germanwatch war bei der 20. Vertragsstaatenkonferenz mit einem Team in Peru dabei (http://germanwatch.org/de/cop20). Kurz vorher kam es durch einen peruanischen Landwirtschaftsberater zu einem Kontakt mit Saúl Luciano Luciano Lliuya, einem sehr aufmerksamen und engagierten Fremdenführer und Andenbauern aus der Hochandenstadt Huaraz.
Er ist aufgrund der massiven Veränderungen der Wettermuster und der durch Gletscherschmelze massiv angewachsenen Palcacocha-Lagune bereits seit einigen Jahren überaus besorgt. Angesichts der nicht ausreichend gesicherten Lagune ist er alarmiert über die Risiken für die tiefer gelegenen Ansiedlungen und insbesondere die Stadt Huaraz.
Er fragte sich, wie man denn seinen eigenen Besitz und den der Mitbewohner von Huaraz schützen könne. Er sieht, dass die eigene Regierung nur sehr zögerlich handelt und fragt sich, ob nicht die Hauptverursacher des Klimawandels ihren Beitrag für Schutzmaßnahmen für die Betroffenen zahlen müssten.
Nach dem Klimagipfel besuchte ein Teil des Germanwatch-Teams den Andenbauern und seine Familie und führte auch Gespräche mit der Katastrophenschutzorganisation in Huaraz. Die Gefahren werden dort vor Ort und auch in der Region gesehen. Die Umsetzung der notwendigen Schutzmaßnahmen kommt aber nur sehr stockend voran.
Der Andenbauer und Bergführer hat Germanwatch bei diesem Besuch gebeten, ihn aufgrund unserer Kompetenz dabei zu unterstützen, sein Schutzbegehren gegen einen großen Emittenten durchzusetzen. Auf dem gemeinsamen Aufstieg zur Palcacocha-Lagune und in vielen nachfolgenden Gesprächen haben wir dieses Vorhaben diskutiert.
Ein Anforderungsschreiben, das zur Klage führen kann
Saúl Luciano Lliuya hat im weiteren dann die in Umweltverfahren und Klimahaftungsfragen sehr erfahrene Rechtsanwältin Dr. Roda Verheyen aus Hamburg beauftragt, ihn bei der Durchsetzung eines Schutzanspruches wegen der Folgen des Klimawandels auf sein Eigentum zu vertreten.
Da konkrete Schutzmaßnahmen möglich sind, wurde zusammen mit der Rechtsanwältin ein entsprechendes Anspruchsschreiben von Saúl Luciano Lliuya an einen Großkonzern in Deutschland entwickelt. Er begehrt die Zahlung eines anteiligen Betrages zur Durchführung dieser Schutzmaßnahmen. Sofern seine Anforderung zurückgewiesen wird, beabsichtigt er, eine zivilrechtliche Klage auf Schutz seines Eigentums zu erheben.
Herr Luciano Lliuya ist zutiefst beunruhigt über die sich zuspitzende Situation für die Stadt und sein Eigentum – und er möchte sein Recht durchsetzen. Er möchte durch diese Klage mit Präzedenzcharakter aber auch dazu beitragen, dass die Politik – national und im UN-Kontext – endlich entschiedener zum Schutz der besonders Betroffenen handelt.
Die Germanwatch-nahe Stiftung Zukunftsfähigkeit konnte durch einen im Jahre 2014 neu aufgelegten Themenfonds „Neue Instrumente im Klimaschutz“ Mittel zur Verfügung stellen, um u.a. durch Germanwatch Beratungs- und Informationsangebote für Betroffene wie Herrn Luciano Lliuya zu ermöglichen. Sofern es zur Klage kommt, hat man sich auf ein längeres Verfahren einzustellen.
Der Andenbauer will, dass dieses Vorgehen öffentlich gemacht und von Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – insbesondere auch durch Germanwatch – begleitet wird.
Autor:innen | Christoph Bals, Klaus Milke |
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Seitenanzahl | 4 |
Publikationstyp | Hintergrundpapier
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Bestellnummer | 15-2-09 |
Schutzgebühr | 3.00 EUR |