Pressemitteilung | 24.02.2015

Deutschland riskiert sichere Stromversorgung

Studie: Versorgungssicherheit ab 2020 gefährdet - Investitionen in klimaverträgliche Kraftwerke bleiben aus. Germanwatch und Allianz Climate Solutions drängen auf funktionierende Investitionsanreize
Pressemitteilung

Berlin/Hamburg/München (24. Feb. 2015). Die Versorgungssicherheit könnte in Deutschland bereits in fünf Jahren gefährdet sein. Ursache sind mangelnde Investitionsanreize in klimaverträgliche Gaskraftwerke. Diese flexiblen Kraftwerke werden neben Stromspeichern benötigt, um auf die natürlichen Schwankungen von Wind- und Sonnenenergie zu reagieren. Der Strommarkt kann die notwendigen Investitionsanreize ohne eine Reform nicht setzen, wie eine Untersuchung des arrhenius Instituts im Auftrag von Allianz Climate Solutions und der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch zeigt.

Mit dem Kernenergieausstieg und weiteren Kraftwerksstilllegungen werden die Kapazitäten ab dem Jahr 2020 knapp. „Kraftwerksbauten haben eine Vorlaufzeit von mindestens fünf Jahren. Wenn wir die Versorgungssicherheit in Deutschland auf dem heutigen Niveau erhalten wollen, muss die Bundesregierung jetzt die Weichen stellen“, sagt Karsten Löffler, Geschäftsführer von Allianz Climate Solutions.

Bisher erhalten Kraftwerksbetreiber ihre Vergütung ausschließlich für die produzierte und ins Netz eingespeiste elektrische Energie. Der Strompreis wird durch Angebot und Nachfrage an der Strombörse in Leipzig bestimmt und orientiert sich an den Betriebskosten der Kraftwerke. Aktuelle Überkapazitäten sowie die niedrigen Betriebskosten bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sorgen für niedrige Börsenpreise. Dadurch fehlen Anreize, in neue Kraftwerke zu investieren.

Energiewende braucht funktionierende Investitionsanreize

Im künftigen deutschen Strommarkt werden erneuerbare Energien dominieren. Bis 2050 sollen sie mindestens 80 Prozent des Strombedarfs abdecken. Die restlichen 20 Prozent sollen emissionsarme, moderne Gaskraftwerke produzieren. Als sogenannter „Backup“ laufen sie nur nach Bedarf und sind auf Basis des heute üblichen Börsenhandels kaum wirtschaftlich zu betreiben.

Die Bundesregierung hat in einem Grünbuch verschiedene Optionen zur weiteren Gestaltung der Energiewende zur Diskussion gestellt. Experten und Interessenvertreter sollen in einem öffentlichen Konsultationsverfahren bis zum 1. März 2015 dazu Stellung nehmen.

Einige Experten sind der Meinung, eine Verknappung der Erzeugungskapazitäten führe zu höheren Preisen am Strommarkt, die dann als Investitionsanreize ausreichen. Die arrhenius-Untersuchung weist nach, dass diese sogenannten „Knappheitspreise“ die Energiewende nicht finanzieren können. Stattdessen gefährde die Verknappung der Kapazitäten die Versorgungssicherheit. Zudem sei es unwahrscheinlich, dass Knappheitspreise auf Dauer Bestand hätten, da neue Kraftwerke die Knappheit aufheben, wenn sie ans Netz gehen. Somit profitieren die neuen Kraftwerke nicht von den hohen Preisen und können sich nicht refinanzieren.

Das arrhenius Institut empfiehlt daher die Einführung von Kapazitätsmechanismen. Dabei würden Kraftwerke für die bereitgestellte Leistung entlohnt. Zahlungen sollten ausschließlich neue oder stilllegungsgefährdete Kraftwerke erhalten, die mit den Klimazielen vereinbar sind.

„Unsere Analysen zeigen, dass weder die erneuerbaren Energien, noch die konventionellen Backup-Kraftwerke mit den heutigen Mechanismen des Strommarktes zu refinanzieren sind“, erklärt Helmuth-M. Groscurth, Geschäftsführer des arrhenius Instituts für Energie- und Klimapolitik. „Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Finanzierung der notwendigen Backup-Kraftwerke nur 10 Prozent der gesamten Stromerzeugungskosten in Deutschland ausmachen würde, sie also gut finanzierbar wären.“

Christoph Bals, Klimaexperte und Politischer Geschäftsführer von Germanwatch, ergänzt: "Bisher werden hauptsächlich zwei Extreme diskutiert: Die einen wetten alleine auf den Strommarkt. Die anderen wollen alle Bestandskraftwerke - auch alte Kohlekraftwerke - finanziell unterstützen. Versorgungssicherheit und Klimaschutz erreichen wir aber nur, wenn ausschließlich die flexiblen und klimaverträglichen Kraftwerke finanziert werden, die zukünftig tatsächlich gebraucht werden."

Energiewende preiswerter

Bereits in einer ersten Untersuchung im Auftrag von Allianz Climate Solutions und Germanwatch hatte das arrhenius Institut im April 2014 errechnet, dass die Stromerzeugung auf Basis der vereinbarten Klimaschutzziele langfristig preiswerter sein wird, wenn die Energiewende konsequent umgesetzt wird, statt weiter auf konventionelle Energieträger zu setzen. Dies bedeutet nicht nur mehr Klimaschutz, sondern auf Dauer geringere Betriebskosten und eine größere Unabhängigkeit von Rohstoffimporten.