Pressemitteilung | 26.11.2024

EU-Legislatur: Auf die neue Kommission kommen gleich zu Beginn entscheidende klimapolitische Aufgaben zu

Germanwatch fordert die neue Europäische Kommission und den Europäischen Rat auf, das 2040-Klimaziel von mindestens minus 90 Prozent schnell zu beschließen und ein ambitioniertes Vorgehen auch mit China abzustimmen
Pressemitteilung

Berlin/Straßburg (26. Nov. 2024).  In schwieriger politischer Gemengelage kommt der Europäischen Kommission direkt mit Beginn ihres Mandats eine wichtige Rolle zu: „Die Weltklimakonferenz hat gezeigt, wie dringend die EU in der internationalen Klimapolitik in einer Führungsrolle gebraucht wird – gerade nach dem Ausfall der USA unter Donald Trump“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Die EU muss mit einem Klimaziel für 2040 von mindestens 90 Prozent Treibhausgas-Reduktion die Messlatte für die nun anstehenden Klimazielverbesserungen aller Staaten hochlegen. Die sehr intensiven bilateralen Abstimmungen mit China beim Klimagipfel in Baku geben Anlass zur Hoffnung, dass China bereit sein könnte, die durch die USA entstehende Lücke zu nutzen, um durch ambitionierteren Klimaschutz internationales Ansehen zu gewinnen.“

 Germanwatch erhofft sich daher bereits für den Europäischen Rat im Dezember einen ambitionierten Klimaziel-Beschluss, flankiert von einem Investitionspaket für Industrie und Wirtschaft zur sauberen Wertschöpfung und für die sozial gerechte Unterstützung von Haushalten. Bals: „Das gibt der europäischen Industrie Planungssicherheit für das kommende Jahrzehnt und zeigt den Menschen in Europa auf, wie Klimaschutz fair und auch für ärmere Haushalte bezahlbar umsetzbar ist. Die Staats- und Regierungschefs sollten durch so ein Paket international die Handlungsfähigkeit Europas unterstreichen und die Wirtschaft auf Kurs für nachhaltiges Wachstum bringen.“

 „Erneuerbare Energien boomen weltweit und Technologien wie Batterien und Wärmepumpen bieten enorme Chancen für die industrielle Produktion in Europa“, so Charly Heberer, Referent für EU-Klimapolitik bei Germanwatch. „Damit diese sich voll entfalten kann, müssen Unternehmen die langfristige Sicherheit bekommen, dass sich die Investition hier lohnt. Die EU muss sich entscheiden: Geeinte Investitionssignale für zukunftsfähige Technologien oder langsames Dahinsiechen, das ist die unmissverständliche Botschaft des viel beachteten Draghi-Berichts. Um die Emissionen der Industrie zu senken, sollte die EU den bewährten Emissionshandel durch gezielte Investitionsförderung sowie grüne Leitmärkte zu einem Dreiklang machen. Gesetzlich langfristig verankerte und über die Zeit ansteigende Quoten für grünen Stahl im Autobau oder für grünen Zement im Bausektor lassen sich so ausgestalten, dass sie europäische Hersteller für ihre Investitionen belohnen und den Bedarf für eine finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Haushalten drastisch senken. Der entschlossene Ausbau von Erneuerbaren Energien und Primärenergie einsparende Elektrifizierung vermindert zudem die Abhängigkeit der EU von erratischen Gas- und Öl-Exporteuren wie Trump oder Putin.“   

Neben dem europäischen Deal für eine zukunftsfähige und saubere Industrie braucht es neue, wirkmächtige Initiativen für Europas ländliche Räume. Die Europäische Kommission muss in ihren ersten 100 Tagen die konstruktiven Empfehlungen des Strategischen Dialogs zur Zukunft der EU-Landwirtschaft aufgreifen und rasch mit Leben füllen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Umsetzung von Maßnahmen, mit denen gesellschaftliche Leistungen der Landwirt:innen wie Umwelt-, Klima-, Arten- und Tierschutz endlich einkommenswirksam honoriert werden. Zu dieser Vision gehört auch eine entsprechende Anpassung der Gemeinsamen Agrarpolitik, die den Landwirten dabei hilft, die notwendigen Investitionen zu stemmen sowie sich an die spürbaren Auswirkungen des Klimawandels anzupassen.

Neues Klimaziel muss sozial gerecht umgesetzt werden

Sylwia Andralojc-Bodych, Referentin für EU-Klimapolitik und polnisch-deutsche Zusammenarbeit, ergänzt: „Die neue Kommission muss bei der Gestaltung der Klimapolitik nicht nur das Ambitionsniveau, sondern auch Fairness und Sozialverträglichkeit in den Mittelpunkt stellen. In Zeiten knapper finanzieller Mittel ist die faire Verteilung von Kosten und Nutzen in den betroffenen Regionen, Branchen und unter den Menschen unerlässlich. Gezielte Unterstützung muss es vor allem für Haushalte geben, die im Moment nicht über die nötigen Mittel verfügen, um zügig von fossil betriebenen Heizungen oder Verbrennerautos abzurücken. Der Klima-Sozialfonds der EU ist ein guter erster Schritt, aber die Mittel werden nicht ausreichen, um die notwendigen Investitionen in strukturelle Veränderungen und Kompensation für vorübergehend höhere Kosten zu finanzieren. Die Kommission sollte zügig umweltschädliche Subventionen abbauen und die dadurch freiwerdenden Mittel beispielsweise in den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs und in Gebäudesanierungen lenken. Je schneller wir außerdem mit dem Erneuerbaren-Ausbau und der Elektrifizierung von Gebäudewärme, Verkehr und Industrie vorankommen, umso schneller können die Lebenshaltungskosten nachhaltig sinken. Hohe Energiepreise und Inflation sind vor allem fossil angefeuerte Entwicklungen."