Blogpost | 20.09.2024

Doppelgipfel für globale Ziele

Auf zwei Konferenzen in New York sollte Deutschland dem auf der COP28 beschlossenen Energiemaßnahmenpaket neuen Aufwind geben
UN-Hauptsitz in New York

Blick auf den UN-Hauptsitz in New York. Hier treffen sich vom 22. bis zum 23. September Staats- und Regierungschefs zum „Summit for the Future“. 

In New York findet Ende September der „Summit for the Future“ statt. Gleichzeitig tagt in der Stadt der „Global Renewables Summit“. Beide Gipfel bieten eine einmalige Gelegenheit für die deutsche Bundesregierung, sich für den globalen Ausbau von Erneuerbaren Energien, die Steigerung der Energieeffizienz und einen konsequenten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen einzusetzen – und damit kurz vor der Weltklimakonferenz in Baku ein klares Signal an Partnerländer auszusenden. 

Auf der COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten konnten sich alle Vertragsstaaten erstmalig auf die Abkehr von fossilen Brennstoffen einigen. Damit einher ging eine weitere wichtige Entscheidung: Bis 2030 sollen sich die globalen Kapazitäten an Erneuerbaren Energien verdreifachen, während sich die globale Energieeffizienz verdoppeln soll. Beide Beschlüsse wurden weltweit als ein eindeutiges politisches Signal dafür gefeiert, dass das Ende der fossilen Ära beginnt. Das Ziel, Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu erreichen und damit das 1,5°C-Limit zu halten, erschien so greifbar wie noch nie zuvor. 

Seitdem scheinen viele Vertragsstaaten unter Gedächtnisverlust zu leiden. Nur vier Monate nach der COP nutzen die Vereinigten Arabischen Emirate ihren neu aufgesetzten ALTÉRRA-Klimafonds dazu, eine große fossile Gaspipeline in Nordamerika mit 300 Millionen US-Dollar zu unterstützen. Aserbaidschan, das Ausrichtungsland der kommenden COP, die im November 2024 stattfinden wird, behauptet, dass die Förderung von fossilen Brennstoffen selbstverständlich mit dem Klimaschutz vereinbar sei. Brasilien meint, dass jedes Land für sich selbst definieren könne, was mit dem 1,5°C-Ziel zu vereinbaren ist. Auch Deutschland bekleckert sich nicht mit Ruhm: Im Februar, nur zwei Monate nach der COP28, beschloss die Bundesregierung ein 16 Milliarden Euro schweres Paket für den Bau von vier großen Erdgaskraftwerken. 

Um zu gewährleisten, dass die in den Vereinigten Arabischen Emiraten abgegebenen Versprechen auch in die Realität umgesetzt werden, müssen neue Impulse gesetzt und die Erwartungen im Vorfeld der COP29 klar definiert werden. Der Weltgipfel für Erneuerbare Energien (engl.: Global Renewables Summit) sowie der UN-Zukunftsgipfel in New York (engl.: Summit for the Future) sind hierfür entscheidende Momente. 

Germanwatch und Misereor fordern von Deutschland:

1. Einsatz für mit dem 1,5°C-Ziel kompatible nationale Klimaschutzbeiträge 

Spätestens 2025 müssen alle Vertragsstaaten ihre neuen nationalen Klimaschutzbeiträge (engl.: Nationally Determined Contributions, NDCs) einreichen. NDCs sind das Herzstück des Pariser Abkommens. Durch sie beschreiben die einzelnen Länder, wie sie dazu beitragen wollen, die globale Erwärmung auf bestenfalls 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Die derzeitigen NDCs verfehlen das 1,5°C-Ziel drastisch und würden stattdessen zu einer globalen Erwärmung von 2,1°C bis 2,8°C führen. Eine unserer Partnerinnen aus Simbabwe gibt dazu an:

„Als junge Afrikanerin erlebe ich jeden Tag die harte Realität des Klimawandels - unsere Gemeinden sind mit verheerenden Dürren, Überschwemmungen und Ernährungsunsicherheit konfrontiert, und es dauert Jahre, manchmal Jahrzehnte, bis sie sich davon erholt haben. Im Jahr 2025 muss die Welt mit mutigen neuen NDCs antreten, die der Dringlichkeit der Klimakrise entsprechen. Deutschland, das seit langem ein Vorbild für die EU und die Welt ist, muss hier eine Führungsrolle übernehmen, indem es ambitionierte Emissionsminderung und die Abkehr von fossilen Brennstoffen vorantreibt. Was Deutschland und die EU jetzt tun, wird die Zukunft der Entwicklungsländer und das Schicksal unseres gesamten Planeten bestimmen. Die Welt schaut zu, und die Zeit, eine Führungsrolle zu übernehmen, ist jetzt gekommen."

Natalie Mangondo, Klimaverhandlerin, Simbabwe

Deutschland sollte in New York für ambitionierte NDCs, die mit dem 1,5°-Ziel vereinbar sind, werben und gleichzeitig der eigenen Verantwortung gerecht werden. Zur eigenen Verantwortung gehört, dass Deutschland sich für ein ambitioniertes NDC der EU einsetzt. Ein erster Schritt dafür ist, dass Deutschland das von Ursula von der Leyen in ihrer Antrittsrede unterstützte Ziel von 90 % Emissionsminderung bis 2040 mitträgt. Für das EU-NDC bedeutet dies eine Emissionsminderung von 78 % bis 2035. Deutschland sollte sich dafür einsetzen, dass dies im EU-NDC verankert wird. Außerdem muss sich Deutschland dafür einsetzen, dass das EU-NDC ambitionierte fossile Ausstiegsdaten definiert (Kohle: 2030, Gas: 2035, Öl: 2038) und ein Ende aller fossilen Subventionen beschließt.

2. Ambitionierter nationaler Klimaschutz

Um sich glaubhaft für ein ambitioniertes EU-NDC einsetzen zu können, muss Deutschland aber zunächst ambitionierten Klimaschutz zu Hause vorweisen. Der vor wenigen Wochen verspätet eingereichte Nationale Energie- und Klimaplan (NEKP) ist jedoch weit davon entfernt. Anstatt die Verspätung für mehr Ambition zu nutzen, zeigen sich im deutschen NEKP neue Verschleierungstaktiken für wichtige klimapolitische Entscheidungen. Besonders mit Blick auf das EU-NDC, das auch durch diesen Prozess beeinflusst werden soll, muss Deutschland dringend nachrüsten. Das gilt für Erneuerbare Energien, aber besonders für den fossilen Ausstieg. Hier ist ein klares Bekenntnis zu ambitionierten fossilen Ausstiegsdaten notwendig. Bis 2030 muss der Kohleausstieg erfolgen, ab 2035 hat Gas keine Rolle mehr in der Energieversorgung zu spielen und ab dem Jahr 2038 müssen wir frei von Öl sein. Ein erster entscheidender Schritt ist die Ankündigung, alle fossilen Subventionen zu beenden. New York könnte hierfür eine internationale Bühne bieten. 

3. Gezielte Energiediplomatie in New York

Als Verhandlungsführer des UN-Zukunftsgipfels in New York sollte Deutschland sicherstellen, dass der Pakt für die Zukunft, der in New York geschlossen wird, die COP28 Beschlüsse bekräftigt – vor allem die beschleunigte und gleichzeitig gerechte und geordnete Abkehr von allen fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen.

Außerdem sollte Deutschland gemeinsam mit anderen Vorreiterländern eine Gruppe der „Erneuerbaren Champions“ gründen, die sich ambitionierte nationale Ziele für den Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Steigerung der Energieeffizienz und den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen setzen. Hier kann Deutschland an bereits bestehende diplomatische Beziehungen, zum Beispiel im Rahmen der Accelerated Partnership for Renewables in Africa (APRA), anknüpfen. APRA besteht aus sieben afrikanischen Ländern, darunter Äthiopien, Ghana, Kenia, Namibia, Ruanda, Sierra Leone und Simbabwe, und wird von internationalen Partnern wie Deutschland unterstützt. Die Partnerschaft hat das Ziel, sich von fossilen Brennstoffen zu verabschieden sowie bis 2030 die Erneuerbaren Energien zu verdreifachen und die Energieeffizienz zu verdoppeln. Drei der afrikanischen Länder (Simbabwe, Kenia und Sierra Leone) werden zum Global Renewables Summit erwartet. Deutschland könnte diese Gelegenheit nutzen, um mit diesen Ländern erste Gespräche über eine Gruppe der „Erneuerbaren Champions“ führen. Unser Partner Mohamed Adow sagt dazu:

„Es ist grausam, dass einige der ärmsten Menschen der Welt von einem Überfluss an Wind-, Solar- und Geothermieenergie umgeben sind, aber ihnen die Technologie und die Ressourcen fehlen, um sie zu nutzen. Eine Allianz von ‚Erneuerbaren Champions‘ – angeführt von Deutschland, das seine klimapolitische Vorreiterrolle und seinen geopolitischen Einfluss nutzt – könnte die Energiewende in Afrika wirklich beschleunigen, Emissionen reduzieren und die Armut lindern.“

Mohamed Adow, Gründer und Direktor von Power Shift Africa

4. Einsatz für ein Finanzierungspaket mit Schwerpunkt Globaler Süden

Ohne eine deutliche Steigerung der finanziellen Mittel können Länder des Globalen Südens das COP28-Energiemaßnahmenpaket nicht umsetzen. Denn noch immer konzentriert sich ein Großteil der Klimaschutzinvestitionen in den G20- und weiteren Industrieländern. Weniger als 1 % der globalen Investitionen in Erneuerbare zwischen 2013 und 2020 wurden in den am wenigsten entwickelten Ländern getätigt. Dazu kommt, dass viele Länder des Globalen Südens hoch verschuldet sind. Die hohe Verschuldung lässt keinen fiskalischen Spielraum, um notwendige Investitionen in den Klimaschutz zu tätigen. Außerdem behindern hohe Zinsen den Ausbau von Erneuerbaren. Auch deshalb bleiben fossile Infrastrukturen leider weiterhin attraktiv, da sie oft mit niedrigeren Anfangsinvestitionen verbunden sind.

Eine wichtige Voraussetzung für die notwendigen Investitionen ist, dass die Schuldenlast für viele Entwicklungsländer reduziert wird. Kurzfristig benötigen Länder des Globalen Südens weitreichende Schuldenerlasse – besonders vulnerable Ländergruppen – und eine deutlich erhöhte Bereitstellung von stark vergünstigten Krediten und Zuschüssen. Diese zusätzlichen Finanzmittel können zum Beispiel durch gezielte Steuern auf Sektoren wie den Luft- und Seeverkehr, die Besteuerung von Superreichen oder durch die Umwidmung von Subventionen für fossile Brennstoffe erbracht werden.

Der Pakt für die Zukunft bietet eine gute Gelegenheit, Fortschritte im Umgang mit der Schuldenkrise, Steuern und die damit zusammenhängende umfassende Reform des globalen Finanzsystems voranzutreiben. Deutschland sollte sich in New York dafür einsetzen, dass der Pakt die Schuldenproblematik thematisiert, konkrete Forderungen nach Steuern auf Luft-und Seeverkehr und eine Besteuerung der Superreichen (engl.: Ultra-High-Net-Worth-Individuals, UHNWIs) vorantreibt und die UN eine zentrale Rolle in der globalen Steuerkooperation übernimmt. Außerdem sollte Deutschland für umfassende finanzielle Unterstützung werben – zum Beispiel im Rahmen eines ambitionierten neuen Klimafinanzierungsziels, welches auf der COP29 in Baku beschlossen werden soll. Unser Partner Omar Elmawi gibt an:

„Bis 2040 könnte der afrikanische Kontinent mehr als das 1.000-fache seines derzeitigen Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen erzeugen. Die Verwirklichung dieses immensen Potenzials erfordert umfassende Schuldenerlasse, eine Reform der internationalen Finanzarchitektur und die Mobilisierung von Finanzmitteln in einer Geschwindigkeit und einem Umfang, wie es sie bisher noch nicht gegeben hat. Deutschland hat als Verhandlungsführer des UN-Zukunftsgipfels die Gelegenheit, für Fortschritte in diesen Angelegenheiten zu sorgen.“

Omar Elmawi, Africa Climate Movement Building Space

Autor:innen

Kerstin Opfer (Germanwatch), Madeleine Wörner (Misereor)

Zitiervorschlag

Opfer, K., Wörner, M., 2024, Doppelgipfel für globale Ziele. Auf zwei Konferenzen in New York sollte Deutschland dem auf der COP28 beschlossenen Energiemaßnahmenpaket neuen Aufwind geben

Ansprechpersonen

Echter Name

Referentin Energiepolitik & Zivilgesellschaft - Afrika

Echter Name

Bereichsleiter Internationale Klimapolitik