UN-Zukunftspakt soll zentrale Weichen für Klima und Bildung stellen
Berlin/New York (20. Sept. 2024). Die Verhandlungen zu einem Zukunftspakt der Vereinten Nationen sind in New York auf der Zielgeraden – und gerade in der heutigen Zeit ruhen große Hoffnungen auf ihm. „Die Weltgemeinschaft steht vor einer Vielzahl von Krisen, fast alle eng verwoben mit der sich rapide zuspitzenden Klimakrise. Wir brauchen mutige, strukturverändernde Lösungen, um die globalen Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam zu bewältigen. Der Zukunftsgipfel bietet die Chance, das Vertrauen in den Multilateralismus und die internationale Kooperation zu stärken“, betont David Ryfisch, Leiter des Bereichs Zukunftsfähige Finanzflüsse bei Germanwatch.
Ryfisch weiter: „Die seit Jahren steigende Konzentration von Reichtum bei wenigen Menschen ist Ergebnis falscher Weichenstellungen im System. Die wachsende Ungleichheit in den Ländern greift die Demokratiefähigkeit an und macht Staaten und ihre Gesellschaften zunehmend unfähig, sich an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen. Der nun beginnende Zukunftsgipfel muss die Grundlage dafür legen, dass Länder gemeinsam umsteuern.“
Abkehr von allen fossilen Brennstoffen
Wenn demokratische gesellschaftliche Strukturen unter Druck geraten, spielt die fossile Industrie oft eine treibende Rolle. Teile dieser Industrie unterstützen auch Rechtspopulisten und Demokratieverächter, um ihre fossilen Geschäftsmodelle zu verlängern. „Dank des massiven Zubaus an Erneuerbaren Energien, Speichertechnologien und Elektromobilität könnte der Wendepunkt in der globalen Nachfrage nach fossilen Energieträgern nun erreicht sein oder zumindest kurz bevorstehen. Im Zukunftspakt müssen die Länder bekräftigen, dass diese Entwicklung unumkehrbar ist und sie sich für eine weitere Beschleunigung einsetzen“, fordert Petter Lydén, Leiter des Bereichs Internationale Klimapolitik bei Germanwatch.
Deutschland ist als Co-Vorsitzender der Verhandlungen gemeinsam mit Namibia in einer zentralen Rolle. Lydén weiter: „Als Verhandlungsführer des Zukunftspakts musst Deutschland sicherstellen, dass der Pakt die Beschlüsse der jüngsten Weltklimakonferenz bekräftigt. Dabei geht es vor allem um die beschleunigte und zugleich sozial gerechte Abkehr von allen fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen sowie um die Verdreifachung der Erneuerbaren-Kapazitäten sowie die Verdopplung der Energieeffizienz bis 2030.“
Internationale Finanzierung gerechter gestalten
Internationale Kooperation bei Abgaben und Steuern wird ein Schlüssel sein, um die wachsende Ungleichheit einzudämmen und zugleich neue Mittel zur Bewältigung der Klimakrise zu generieren. Im Entwurf des Zukunftspakts ist dieser Aspekt eher vage gehalten. „Abgaben sind ein Schlüsselinstrument um Fehlanreize einzudämmen. Der Entwurf des Zukunftspakts ignoriert Abgaben auf umweltschädliche Aktivitäten wie die Schifffahrt jedoch gänzlich. Ein Lichtblick ist dagegen die angestrebte Kooperation in der geplanten globalen Milliardärs-Besteuerung. Insgesamt droht allerdings viel Potenzial für ein inklusiveres und effektiveres Steuersystem ungenutzt zu bleiben“, sagt Nouhaila Zaki, Fachreferentin für internationale Besteuerung zur Klimafinanzierung bei Germanwatch.
Der Zukunftsgipfel ist zudem eine wichtige Gelegenheit, um die Reform des Internationalen Währungsfonds voranzutreiben. Entwicklungsländer müssen besser vor systemischen Schocks wie der Klimakrise geschützt werden. So wird die Weiterleitung von Sonderziehungsrechten - Zugriffsrechte auf einen Korb starker Währungen – dringend benötigt, um die Finanzkraft der ärmsten und verletzlichsten Länder im Globalen Süden zu stärken. „Der Gipfel muss klare Schritte zur Reform des IWF unternehmen. Dieser Aspekt fällt bisher im Entwurf zu schwach aus. Als Co-Vorsitzender muss Deutschland hier eine aktivere Rolle spielen, um die Widerstandsfähigkeit von Entwicklungsländern zu stärken. Deutschlands abwehrende Haltung gegen die Weiterleitung von Sonderziehungsrechten darf diesen Weg nicht für andere blockieren“, betont David Ryfisch.
Chancen für transformative Bildung und Jugendbeteiligung nutzen
Ein wichtiger Meilenstein zum Zukunftspakt sollte im Jahr 2022 der Transforming Education Summit sein, der neue Maßstäbe in der internationalen Bildungsarbeit und Bildungspolitik setzte. Der Zukunftspakt müsste dem dort verabschiedeten Greening Education Partnership Program und dem wegweisenden UNESCO-Programm BNE 2030 als zentrales internationales Element für Bildung für nachhaltige Entwicklung einen kräftigen Schub geben. Beide Programme werden im Entwurf des Zukunftspaktes nun aber nicht erwähnt. Germanwatch kritisiert, dass der Pakt dort eine große Chance für transformative Bildung, Teilhabe, Verantwortungsübernahme und Engagement in den Gesellschaften zu verpassen droht.
„Junge Menschen fordern mehr Beteiligung an politischen Prozessen ein. Sie möchten in ihrer Bildungslaufbahn Handwerkszeug für Zukunftshandeln bekommen – also lernen, wie sie nicht-nachhaltige Strukturen verändern und sich wirkungsvoll in politische Prozesse einbringen können“, sagt Simon Zerzawy. Er ist als deutscher Jugendbeobachter beim Zukunftsgipfel dabei und absolviert derzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr im Bildungsbereich bei Germanwatch. Bereits seit zehn Jahren ermutigt und befähigt Germanwatch mit dem Bildungs- und Engagementkonzept des Handabdrucks Menschen zu wirkungsvollem politischen Handeln.
„Aktuell ist der Entwurf des Pakts für die Zukunft kein Quantensprung. Er bestätigt vielmehr bestehende unzureichende Bildungsrealitäten, die für junge Menschen oftmals sehr frustrierend sind. Dabei ist gerade für uns eine aktionsorientierte politische Bildung wichtig“, unterstreicht Zerzawy. Germanwatch-Bildungsreferentin Daniela Baum ergänzt: „Zukunftsfähige Gesellschaften sind ohne eine ambitionierte und adäquat finanzierte Bildungspolitik nicht zu erreichen. Die deutsche Verhandlungsführung hat hier die Chance, Jugendbeteiligung und transformative Bildung auf internationaler Ebene stärker institutionell zu verankern. Sie sollte sich einen solchen Erfolg nicht entgehen lassen.“