Blogpost | 16.08.2024

Was passiert aktuell im Weltklimarat?

Die 61. Plenarsitzung des IPCC in Sofia ließ eine wichtige Entscheidung offen
Blick auf ein blaues Schild mit verschiedenen Logos

Die 61. Plenarsitzung des IPCC fand in diesem Jahr im bulgarischen Sofia statt. 

Der IPCC, auch Weltklimarat genannt, hat den Auftrag, die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema Klimawandel zusammenzufassen. Die bulgarische Hauptstadt Sofia richtete Ende Juli/Anfang August die 61. Plenarsitzung des IPCC aus. Delegierte aus der ganzen Welt kamen hier für eine Woche zusammen, um über eine Bandbreite verschiedenster Themen abzustimmen. Auch Germanwatch war bei der Plenarsitzung vor Ort.

Was bisher geschah

Die Arbeitsweise des IPCC ist zyklisch. Das bedeutet, die Arbeitsschritte des internationalen Gremiums wiederholen sich – und zwar alle fünf bis sieben Jahre. Innerhalb dieses Zeitraums werden Berichte besprochen, geschrieben, verabschiedet und veröffentlicht. 2023 endete der sechste Arbeitszyklus (Sixth Assessment Report, AR6) mit der Veröffentlichung des sogenannten Syntheseberichts. Dieser setzt sich aus den Berichten der drei Arbeitsgruppen (Naturwissenschaftliche Grundlagen; Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit; Minderung des Klimawandels) zusammen. Im vergangenen Jahr wurde dann der nächste Zyklus eingeläutet – das heißt, wir stehen aktuell noch ganz am Anfang eines neuen Prozesses. 

Dafür ist 2023 ein neuer IPCC-Vorstand gewählt worden, der die Verantwortung für den siebten Zyklus übernimmt. Beim Treffen in Sofia (IPCC 61) kamen die Delegierten erst das zweite Mal in dieser Form zusammen (wenn man die Wahl des Vorstands auf der 59. Sitzung nicht mitzählt). Entsprechend ging es nicht nur darum, möglichst gut durch die vorgegebene Agenda zu kommen, sondern auch zu schauen, wie sich der Vorstand in seiner noch recht neuen Rolle eingefunden hat.
 

Bewährte Struktur: Die drei Arbeitsgruppen bilden den Kern des Weltklimarats. Sie erarbeiten die wissenschaftlichen Berichte. 

 

Wie erwartet, standen auf der Agenda viele organisatorische und administrative Fragen, es wurden aber auch erste inhaltliche Diskussionen geführt. Dabei ging es vor allem darum, in dem konsensbasierten Gremium abzustimmen über: 

  • den Zeitplan für die Erstellung der einzelnen Berichte,
  • die Gliederung für den Sonderbericht zu Städten im Klimawandel und
  • die Gliederung für den Methodenbericht zu kurzlebigen Klimatreibern.

Für die Vertreter:innen der Zivilgesellschaft war außerdem relevant, inwieweit sie sich in die Konferenz einbringen konnten. 

Zeitplan für die Erstellung der einzelnen Berichte

Im Laufe des siebten Zyklus sollen mehrere Berichte erscheinen. Geplant sind neben den Berichten der drei Arbeitsgruppen auch ein Sonderbericht zu Städten und Klimawandel und zwei Methodenberichte. Die Erstellung aller Berichte durchläuft einen mehrstufigen, klar festgelegten Prozess, der sowohl politische Entscheidungsträger:innen als auch Wissenschaftler:innen einbezieht. Die Debatte darüber, wann genau die einzelnen Berichte verabschiedet werden sollen, stand auf der Agenda der Verhandlungen in Sofia. Dazu hatte im Vorhinein der IPCC-Vorstand einen Zeitplan vorbereitet, der als Grundlage zur Diskussion vorgelegt wurde. 

Dieser Tagungsordnungspunkt war kein unbekannter: Bereits auf der letzten Sitzung Anfang dieses Jahres in Istanbul stand er auf der Agenda – dort konnte sich noch nicht geeinigt werden. Schnell wurde auch in Sofia deutlich, dass der vorgeschlagene Zeitplan nicht ohne weiteres verabschiedet werden wird. Einigen Delegierten war der vorgelegte Zeitplan zu straff, anderen zu ausgedehnt. 

Zentraler Punkt für eine frühere Fertigstellung ist die Frage, ob zumindest einige Berichte rechtzeitig zur nächsten globalen Bestandsaufnahme (GST – Global Stocktake) fertig sein werden. Die globale Bestandsaufnahme ist ein Mechanismus des Paris-Abkommens, welcher alle fünf Jahre einen Überblick darüber gibt, inwieweit die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens bereist erreicht wurden. Dazu werden verschiedenste Quellen genutzt, und ein IPCC-Beitrag wäre ein wichtiger Bestandteil. Der fünfjährige GST-Zyklus und der Zyklus des IPCC sind (bis jetzt) noch nicht aufeinander abgestimmt, weswegen schon der letzte IPCC-Bericht nicht vollumfassend in den GST mit eingeflossen ist.
 

Langer Weg: Bevor ein IPCC-Bericht veröffentlicht werden kann, ist viel Arbeit notwendig. 
SMP = Summary for Policymakers

 

Befürworter:innen eines längeren Berichtszyklus wiesen darauf hin, dass Ländern des Globalen Südens mehr Zeit bräuchte, um relevante wissenschaftliche Ergebnisse zu publizieren, die dann in den IPCC-Berichten aufgenommen werden können. Damit verbunden wurde vermehrt darauf aufmerksam gemacht, dass in den vergangenen IPCC-Berichten ein Großteil der zitierten Literatur in Zeitschriften des Globalen Nordens veröffentlicht wurde. Ebenso waren signifikant weniger Autor:innen aus dem Globalen Süden bei der Erstellung der Berichte beteiligt. 

Der Informationsdienst Carbon Brief hat eine umfassende Analyse aller sechs IPCC-Berichtszyklen durchgeführt und festgestellt, dass es einen kontinuierlichen Anstieg bei der Beteiligung von Autor:innen aus dem Globalen Süden gab. Kamen im ersten Bericht nur 11 % der Autor:innen aus dem Globalen Süden, konnte der Anteil im letzten Bericht auf 38 % gesteigert werden. Ähnlich sehen die Zahlen für die Teilnahme weiblicher Autor:innen aus – hier wurde die Anzahl von 8 % im ersten Bericht auf 33% im letzten Bericht gesteigert. Das passt dazu, dass mit steigendem Bewusstsein für die ungleiche Beteiligung im Laufe der Jahre einige Maßnahmen ergriffen wurden, die dem entgegenwirken sollen. So wurde beispielsweise ein Gender Action Team gegründet und ein Stipendienprogramm ins Leben gerufen. 

Obwohl sich also ein positiver Trend abzeichnet, ist das globale wissenschaftliche System nach wie vor durch den Globalen Norden dominiert, was beispielsweise die Anzahl der veröffentlichten Artikel oder der Fokus auf englischsprachige Artikel verdeutlichen. Diese Ungleichheit spiegelt sich auch im IPCC-Prozess wider. 

Insgesamt hat der neue IPCC-Vorstand daher von Anfang an betont, dass er einen Fokus auf Inklusivität, Repräsentanz und Diversität legen will. Dazu gehört, dass auch andere Wissensformen mit in die Berichte einbezogen werden. Beispielsweise sogenannte graue Literatur – also Literatur, die nicht in wissenschaftlichen Journals erscheint –, nicht-englischsprachige Literatur und indigenes Wissen. Inwieweit die ergriffenen Maßnahmen ausreichen, wird sich allerdings erst am Ende des aktuellen Arbeitszyklus zeigen. 

Sonderbericht zu Städten und Klimawandel

Städte sind für etwa 70 % des globalen anthropogenen CO2-Ausstoßes verantwortlich. Gleichzeitig müssen sich Städte auf die Herausforderungen des Klimawandels einstellen und sich an seine Folgen anpassen. Grund genug, dass der IPCC einen Sonderbericht zu diesem Thema verfassen möchte. Die Grundsatzentscheidungen dazu wurden bereits im sechsten IPCC-Zyklus gefasst. 

Klare Botschaft: Im Nachthimmel über Sofia wurde während der Plenarsitzung noch einmal deutlich darauf hingewiesen, welche Bedeutung den Verhandlungen zukommt.
Foto: Germanwatch / Thea Uhlich

Im Vorfeld des Treffens in Sofia hat ein wissenschaftlicher Ausschuss ein sogenanntes Outline vorbereitet, in dem Kapitelüberschriften und erste Gliederungspunkt aufgeführt sind. Die Delegierten hatten vor Ort dann die Möglichkeit, über das Outline zu diskutieren und es abzusegnen. Während einige Länder das vorgeschlagene Dokument so angenommen hätten, hatten andere noch Ergänzungs- und Änderungsbedarf, der eingearbeitet und abgestimmt wurde. Anders als beim allgemeinen Zeitplan stimmten die Delegierten zu, den Sonderbericht wie vorgeschlagen bis Anfang 2027 fertigzustellen.

Sonderberichte sind eine Möglichkeit, besonders drängenden oder wichtigen Themen einen eigenen Fokus zu geben. So sind im letzten Berichtszyklus drei Sonderberichte entstanden: 1,5°C globale Erwärmung , Klimawandel und Landsysteme, Ozean und Kryosphäre sowie ein Methodenbericht.

Methodenbericht zu kurzlebigen Klimatreibern

Auch für den anstehenden Methodenbericht zu kurzlebigen Klimatreibern wurde ein Outline vorgestellt und diskutiert. Methodenberichte sind dazu da, Richtlinien zur Erfassung von Treibhausgasemissionen in den verschiedenen Sektoren zu entwickeln. Diese werden dann beispielsweise dazu genutzt, um die nationalen Treibhausgasinventare zu berechnen. Während es für die hauptsächlich für den Klimawandel verantwortlichen Treibhausgase wie CO2 oder Methan bereits abgestimmte Methoden gibt, fehlen diese für Gase wie Schwefeldioxid oder Ammoniak noch. Der Bericht soll im Juli 2027 fertiggestellt werden. 

Zusätzlich soll es noch einen weiteren Methodenbericht in diesem Berichtszyklus geben, der sich mit der Inventarisierung von CO2-Entnahme, -nutzung und –speicherung auseinandersetzen wird. Das dazugehörige Outline wird voraussichtlich auf der nächsten Plenarsitzung diskutiert.

Beteiligung der Zivilgesellschaft

Germanwatch und andere zivilgesellschaftliche Organisation haben, wie auch auf den UN-Klimakonferenzen, einen sogenannten Observerstatus. Das heißt, sie haben im Vergleich zu den Länderdelegationen eine eher passive Rolle. Wieviel sie zum IPCC-Prozess beitragen können, hängt stark vom Vorstand ab. Der aktuelle Vorsitzende des IPCC 

Auch Germanwatch nahm als Beobachterorganisation an den Verhandlungen in Sofia teil.
Foto: Germanwatch / Thea Uhlich

Jim Skea hatte nach seiner Wahl betont, dass er eine breite Beteiligung, auch von Observerorgansiationen ermöglichen möchte. Das äußerte sich in dieser Sitzung darin, dass Observer am Ende der Agendapunkte eigene Statements zu den diskutierten Themen abgeben konnten. Außerdem waren alle Diskussionen und Konferenzteile zugänglich, was zuvor nicht immer der Fall gewesen ist. Zum ersten Mal überhaupt organisierte der IPCC außerdem vor Beginn der Konferenz eine Einführungsveranstaltung, in der die IPCC-Arbeitsweise vermittelt wurde. Außerdem gab es dort einen offenen Austausch darüber, wie die Partizipation der Zivilgesellschaft im IPCC-Prozess weiter gestärkt werden kann.

Wie geht es weiter?

Die nächste Plenarsitzung des IPCC findet nächstes Jahr Ende Februar statt. Wo, ist noch unklar. In der Zwischenzeit finden eine Reihe verschiedener Austauschformate, Workshops und Expert:innentreffen statt. Beispielsweise soll es ein Expert:innenmeeting zum Thema Gender, Inklusivität und Diversität geben. Auch ein erstes Treffen zum oben angesprochenen zweiten Methodenreport wird stattfinden, dessen Ergebnisse auf der nächsten Plenarsitzung besprochen werden.

Autor:innen

Thea Uhlich

Zitiervorschlag

Uhlich, T., 2024, Was passiert aktuell im Weltklimarat? Die 61. Plenarsitzung des IPCC in Sofia lies eine wichtige Entscheidung offen

Ansprechpersonen

Echter Name

Referentin für Klimaschutz und Energie