Blogpost | 09.09.2014

Exportorientierung – Intervention – Exportsubventionen? EU-Kommission führt Subventionen für Butter und Milchpulverlager wieder ein – Folgen Exportsubventionen als nächster Schritt?

Blog-Beitrag von Tobias Reichert, September 2014
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Butterberge und Milchseen – diese Symbole einer verfehlten europäischen Agrarpolitik in den 1980er und 1990er Jahren sollten endgültig der Vergangenheit angehören. Seit der letzten Reformrunde der EU Agrarpolitik wurden staatliche Eingriffe in die Märkte drastisch zurückgefahren. Die auch entwicklungspolitisch besonders schädlichen Exportsubventionen – bis vor wenigen Jahren Auslöser zahlreicher Handelsstreitigkeiten wurden auf null gesetzt.

Das sollte aber nicht das Ende europäischer Agrarexporte bedeuten – im Gegenteil: Die zunehmende Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten sollte den europäischen Fleischkonzernen und Molkereien neue Wachstumsmärkte bieten. Damit diese voll genutzt werden können, wird im Frühjahr nächsten Jahres eine der letzten systematischen Eingriffe in den EU-Agrarmarkt beseitigt. Die Milchquote, die bislang noch eine verbindliche Obergrenze für die Milcherzeugung für die EU insgesamt und damit für jedes Mitgliedsland und letztlich jeden Betrieb festlegt. Schon heute liegt die Quote deutlich über dem Verbrauch in der EU, und ermöglicht damit Exporte. Aber diese sollen noch weiter steigen. Milchbauern und Molkereien investieren in größere Ställe und neue Milchpulverfabriken. Dafür zahlen die EU und ihre Mitglieder auch weiterhin Subventionen.

Bis zum Frühjahr schien diese Strategie wunderbar zu funktionieren. Vor allem die Nachfrage aus China stieg wegen des höheren Einkommens und einer Reihe von Skandalen in der dortigen Milchindustrie rasant. China wurde zum größten Absatzmarkt für europäische Milchprodukte. (siehe http://ec.europa.eu/agriculture/statistics/trade/2013/maps/milk_exp_2013.pdf)

Gleichzeitig stieg auch die Nachfrage in Russland und anderen Schwellenländern spürbar an. Die Weltmarktpreise für Milchprodukte, vor allem Vollmilchpulver, dem mengenmäßig wichtigsten Exportprodukt der EU erreichten ein Rekordniveau.

Seit dem Sommer hat sich die Situation aber deutlich verändert. Die Nachfrage in China wächst weniger schnell und die Produktion dort nimmt wieder zu, so dass die Lagerbestände steigen. Die Weltmarktpreise für Milchprodukte fielen binnen weniger Monate um 40 %.
(siehe http://www.reuters.com/article/2014/08/06/dairy-prices-idUSL4N0QC2JR20140806
)

Für die EU kommt nun noch der wegen der Ukraine-Krise verhängte Importstopp Russlands, dem zweitwichtigsten Exportmarkt für Milchprodukte,  hinzu. 

Für EU-Agrarkommissar Ciolos kommt die aktuelle Entwicklung in Russland womöglich nicht ungelegen. Sie bietet einen guten Anlass, auf den Preisverfall zu reagieren, und die nur noch als „Notfallinstrument“ vorgesehenen Subventionen für Lagerhaltung wieder einzuführen, da sich die russischen Sanktionen nun auf dem EU-Milchmarkt bemerkbar machten.
(siehe http://europa.eu/rapid/press-release_IP-14-954_en.htm)

Er kündigt zudem an, dass weitere Maßnahmen folgen würden, wenn dies notwendig sei. Sein Instrumentenkasten ist dabei allerdings begrenzt. Neben der Lagerhaltung ist als Notfallmaßnahmen nur noch die Wiedereinführung der Exportsubventionen vorgesehen.  Der Deutsche Bauernverband fordert bereits die „Erschließung neuer Märkte“ als wichtigsten Schritt gegen die derzeit fallenden Preise, ohne dabei Exportsubventionen ausdrücklich zu erwähnen.
(siehe http://www.bauernverband.de/russland-embargo-hilfe-aus-bruessel-fuer-den-milchsektor)

Die von ihm geforderten Veterinärabkommen mit potenziellen Handelspartnern werden aber höchstens mittel- bis langfristig einen Effekt haben.

Kurzfristig ist es am wahrscheinlichsten, dass der Rückgang beziehungsweise Ausfall der Nachfrage in China und Russland durch höhere Exporte in schon bestehende Märkte kompensiert wird. Dies sind vor allem afrikanische Länder. Noch im letzten Jahr, gingen zwar knapp 14% der EU Milchexporte nach China, der Anteil des arabischen Raums, vor allem Nordafrikas war aber genauso hoch, und der der AKP-Staaten, vor allem Westafrikas  mit fast 18% noch höher.  

Steigert die EU ihre Exporte in diese Märkte zu fallenden Preisen, werden gerade die Landwirte dort die Verlierer sein, die versuchen, ihre wachsenden regionalen Märkte zu bedienen. Unabhängig davon, ob die Steuerzahler durch Exportsubventionen oder die Milchbauern durch wieder sinkende Erzeugerpreise dafür aufkommen müssen.

EU-Kommission und Mitgliedsstaaten sollten die aktuelle Situation auf dem Milchmarkt deshalb nicht dazu nutzen, alte Instrumente aus der Mottenkiste zu holen, sondern die Strategie einer exportorientierten Fleisch- und Milchproduktion grundlegend zu überdenken.


Dieser Beitrag erschien zuerst auf: http://www.boell.de/de/2014/09/03/ein-griff-die-mottenkiste

Autor:innen

Tobias Reichert

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Referent für Agrarpolitik und Welthandel | Projektleiter Klimafreundliche Landwirtschaft