Expertenrat lässt Klimaschutzprogramm durchfallen
Berlin (22. August 2023). Zur heute vorgestellten Stellungnahme des Expertenrats für Klimafragen zum Klimaschutzprogramm erklärt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch: „Das Urteil des Expertenrats ist eindeutig: Die Klimapolitik der Bundesregierung verstößt gegen Recht und Gesetz. Hier ist Führung von Olaf Scholz gefragt. Der Bundeskanzler muss dafür sorgen, dass der fortgesetzte Rechtsbruch beim Klimaschutz durch die gesamte Regierung endlich endet und alle Ministerinnen und Minister das Nötige tun, um die Klimazielerreichung sicherzustellen. Das gilt besonders im Problemsektor Verkehr, aber auch im Gebäudebereich. Der Versuch, durch eine Änderung des Klimaschutzgesetzes Verantwortlichkeiten zu verschleiern und die Klimaziele in andere Sektoren oder folgende Jahre zu verschieben, wird nicht funktionieren. Gerade Letzteres wäre mit dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar. Die Regierung muss sofort einen Plan vorlegen, wie die riesige Lücke zwischen Klimazielerreichung und den bisherigen Anstrengungen geschlossen werden kann. Eine Nachbesserung des Programmes vor Kabinettsbeschluss ist unumgänglich.“
In ihrer Stellungnahme weisen die Expertinnen und Experten auf ein erhebliches Finanzrisiko hin, falls die Klimaschutzlücke nicht geschlossen wird. Sollte die Bundesregierung in den kommenden Jahren die von der Europäischen Union vorgegeben Klimaschutzziele für die Sektoren, die nicht unter den EU-Emissionshandel fallen, nicht einhalten, muss sie teure Zertifikate bei anderen Ländern kaufen. Andernfalls muss sie sich auf ein Vertragsverletzungsverfahren mit erheblichen Strafzahlungen einstellen. Dies betrifft insbesondere die Emissionen aus den Bereichen Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft. Bals weiter: „Wer beim Klimaschutz die nötigen Maßnahmen verzögert, riskiert ein enormes Finanzsrisiko für den Bundeshaushalt und damit für die Steuerzahlenden. Die geplanten Änderungen beim Klimaschutzgesetz vergrößern dieses Risiko, weil wir länger Klimaschutz ins Blaue machen, was das Bundesverfassungsgericht untersagt hat. Eine Bundesregierung, die verantwortungsvoll mit unserer Zukunft und unseren Steuergeldern umgeht, muss das Klimaschutzgesetz stattdessen so weiterentwickeln, dass es wirksam und rechtssicher alle Sektoren auf Zielerreichungskurs bringt.“
Verkehrs- und Gebäudebereich in den Blick nehmen
Germanwatch fordert von der Bundesregierung, dass sie in den kommenden Wochen zusätzliche wirksame Maßnahmen im Verkehrs- und Gebäudesektor auf den Weg bringt, um schleunigst ein gesetzeskonformes Klimaschutzprogramm zu beschließen. Vorschläge dazu liegen längst auf dem Tisch: Im Verkehrsbereich ist kurzfristig wirksam vor allem der Umbau des Dienstwagenprivilegs hin zu kleineren batterieelektrisch betriebenen PKWs und die Einführung eines Bonus-Malus Systems in der KFZ-Steuer. Mittelfristig kommt es auf den verstärkten Ausbau von Schienen- und ÖPNV-Infrastruktur und ein Ende des Autobahnneubaus an. Im Gebäudesektor braucht es neben dem Hochlauf erneuerbarer Heizungs- und Fernwärmesysteme vor allem eine ambitionierte Sanierungsstrategie, um den Energieverbrauch der Gebäude zu senken. Vorrang sollte der vor der ersten Wärmeschutzregulierung gebaute Bestand haben.
Um Anreize zu schaffen und sozial gerecht vorzugehen, müssen neben staatlichen Förderprogrammen vor allem innovative Instrumente geschaffen werden. So investieren etwa bei Contracting-Modellen Banken und Bausparkassen in die Modernisierungsmaßnahmen und werden durch die eingesparten Energiekosten bezahlt. Den vulnerablen Gruppen wird garantiert, dass ihre Heizkosten nicht über das heutige Maß hinaus steigen. „Diese Bundesregierung ist gewählt worden, um Deutschland auf Kurs für das Erreichen der Klimaziele 2030 zu bringen und gesetzeskonform zu handeln. Während es beim Zubau von Erneuerbaren Energien und Stromnetzen viel neuen Schwung gibt, hat die Regierung zur Halbzeit der Legislaturperiode noch keinen überzeugenden Plan für die anderen Sektoren“, so Bals.