Die soziale Gerechtigkeit heute kommt beim Lokale Agenda 21 Prozeß zu kurz.
Pressemitteilung
der Nord-Süd-Initiative GERMANWATCH
zur öffentlichen Anhörung der Enquete-Kommission
"Schutz des Menschen und der Umwelt"
am 18. November 1996 zum Thema
"Kommunen und nachhaltige Entwicklung - Beiträge zur Umsetzung der Agenda 21"
Bonn, den 18.11.96: Die Nord-Süd-Initiative GERMANWATCH fordert die Bundesregierung auf, Rio konkret werden zu lassen, und durch die Einrichtung und Finanzierung einer bundesweiten Anlaufstelle "Lokale Agenda 21" beispielsweise beim Deutschen Städtetag den Kommunen die nötige Unterstützung zu gewähren. Darüber hinaus sind auch die Länder aufgefordert, dem Beispiel von Nordrhein-Westfalen zu folgen, welches durch die Einrichtung einer Fachstelle "Agenda Transfer" in Bonn die städtischen Verwaltungen in Nordrhein-Westfalen bei ihrer Arbeit unterstützt, und das Beispiel von Bayern aufzugreifen, welches allen bayerischen Städten und Gemeinden den vom Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen mit 1,5 Mio. DM finanzierten "Leitfaden für eine nachhaltige Kommunalentwicklung" kostenlos zur Verfügung gestellt hat.
1992 hat sich die Bundesregierung auf der UN-Konferenz "Umwelt und Entwicklung" in Rio de Janeiro verpflichtet, bis Ende 1996 in allen Städten und Gemeinden im Rahmen einer 'lokalen Agenda 21' die Umsetzung der Rio-Beschlüsse anzustoßen und zu fördern. Die Nord-Süd-Initiative GERMANWATCH E.V. begrüßt die Initiative der Enquete-Kommission "Schutz des Menschen und der Umwelt", am Ende des Stichjahres 1996 dazu eine Bestandsaufnahme durchzuführen.
Dabei wird deutlich, daß der Prozeß der Lokalen Agenda 21 in Deutschland erst spät in Gang gekommen ist, und daß die Kommunalverwaltungen in Deutschland es nicht mehr schaffen werden, bis zum Ende des Jahres in nennenswertem Umfang den in Kapitel 28 der Agenda 21 benannten Auftrag zur Durchführung eines Konsultationsprozesses mit ihren Bürgern und Bürgerinnen durchzuführen.
GERMANWATCH ist weniger darüber besorgt, daß die deutschen Städte und Gemeinden relativ spät mit dieser Arbeit begonnen haben, denn dieser zeitliche Rückstand könnte bei entsprechendem politischen Willen sicher aufgeholt werden, als darüber, daß selbst in den durchaus um die Agenda 21 bemühten Kommunen nach anfänglicher Euphorie nun die Akteure von der Realität eingeholt werden. Es wird immer deutlicher, daß ohne Rückhalt von oben, d.h. vom Bund und den Ländern, die ersten Pflänzchen der Lokalen Agenda zu vertrocknen drohen. Ohne Rechtsgrundlage und ohne gesicherte finanzielle und personelle Mittel kann selbst die gutwilligste Kommunalverwaltung auf die Dauer den Erfordernissen der Lokalen Agenda 21 nicht gerecht werden. Dabei muß in Zeiten knapper finanzieller Mittel nicht immer eine Aufstockung der Gesamtmittel erfolgen, sondern auch über eine Umverteilung der vorhandenen Mittel in den Kommunen muß ernsthaft nachgedacht werden.
Die deutschen Kommunen können teilweise mit Stolz auf ihre Erfolge mit der integrierten Stadtentwicklung und der kommunalen Umweltpolitik blicken und diese als Bausteine in die Lokale Agenda 21 einbringen, aber sie dürfen nicht übersehen, daß für die Erfüllung der von der Bundesregierung 1992 in Rio de Janeiro eingegangenen Verpflichtungen auch die ökonomische und soziale Situation in der Kommune stimmen muß. Nicht aus den Augen verloren werden dürfen auch die Probleme der Menschen in anderen Kontinenten.
Soziale Probleme wie Jugendarbeitslosigkeit, fehlende Kinderbetreuungsplätze, Verarmung und Ausländerfeindlichkeit müssen daher genauso im Konsens mit der Bevölkerung überwunden werden wie weltweiter Hunger und Armut sowie unsere ungerechte Wirtschaftsweise gegenüber den Menschen im Süden und im Osten. GERMANWATCH bedauert es, daß gerade diese Seite der Agenda 21 bei der Auswahl der Sachverständigen für die Anhörung der Enquete-Kommission am 18. November 1996 nur wenig berücksichtigt wurde.