Pressemitteilung | 14.09.2009

Elektromobilität als Baustein eines Erneuerbaren Energiesystems: Doppelte Chance fürs Klima

Pressemitteilung

Bonn, Potsdam, 14.09.2009 Batteriefahrzeuge mit Reichweiten von 100 bis 150 km könnten bis Mitte des Jahrhunderts den Großteil der Fahrleistung der PKW in Deutschland abdecken. Dies ließe sich mit CO2-Emissionen von 30 bis 40 Gramm pro Kilometer, also mit einem Bruchteil des aktuellen Durchschnittsausstoßes an Treibhausgasen, umsetzen. Voraussetzung hierfür wäre ein Umbau des Energiesystems hin zu Erneuerbaren Energien. Und auch zu diesem Umbau können Batteriefahrzeuge beitragen - als Speicher, um Schwankungen von Wind- und Sonnenkraft auszugleichen. Das zeigen gemeinsame Ergebnisse von Germanwatch und dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), die anlässlich der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) vorab vorgestellt und in wenigen Monaten abschließend veröffentlicht werden.

Benzinpreise schwanken immer stärker - mit Tendenz nach oben. Bei einem Anspringen der Weltwirtschaft nach der Wirtschaftskrise ist mit steigender Nachfrage nach Öl und entsprechend steigenden Treibstoffpreisen zu rechnen. Bislang nicht gesehene Preissprünge sind dabei nicht auszuschließen. Auch wegen des Klimawandels wollen zentrale Akteure - etwa die USA, China, die EU - Alternativen zum Erdöl zügig vorantreiben. Diese Entwicklungen haben dazu beigetragen, dass das Geschäftsmodell der großen Autokonzerne auf dem Prüfstand steht.

Die Autobauer haben in den letzten Monaten begonnen, auf die Krise zu reagieren. VW plant gemeinsam mit Lichtblick Automotoren als dezentrale Kraftwerke in Gebäuden zu platzieren. Daimler diskutiert eine Neudefinition der Premiumklasse, bei der Effizienz neu gewichtet wird. Zudem wird gemeinsam mit anderen Autokonzernen die Einführung der Brennstoffzelle vorangetrieben. BMW steigt aus der Formel 1 aus, da die Zukunft des Autos nicht im Geschwindigkeitsrausch liegt. "Neben der Effizienz der Flotte wird das Ob und Wie eines ernsthaften Einstiegs in die Elektromobilität zu einem zentralen Prüfstein der Zukunftsfähigkeit eines neuen Geschäftsmodells", kommentiert Christoph Bals von Germanwatch, der das vom Bundesforschungsministerium finanzierte Forschungskonsortium "Mainstreaming von Klimarisiken und -chancen im Finanzsektor" koordiniert. In diesem Rahmen haben die Nichtregierungsorganisation Germanwatch und das PIK modellgestützte Befragungen von Experten der deutschen Autobauer zur Entwicklung der CO2-Emissionen des Personenverkehrs in Deutschland vorgenommen. Die Umfragen zeigen, dass der Einstieg in die Elektromobilität unter bestimmten Bedingungen einen zweifachen Beitrag zur Senkung der CO2-Emissionen leisten kann.

Den Experten zufolge wird ein durchschnittlicher verbrennungsmotorischer PKW in Deutschland im Jahr 2030 zwischen 100 und 130 g CO2/km emittieren. Dabei handelt es sich um die gesamten CO2-Emissionen in der Kette von der Gewinnung und Verarbeitung des Treibstoffes bis zur Verbrennung. Für reine Batteriefahrzeuge gehen die erwarteten Emissionen 2030 mit Werten zwischen 60 und 160 g CO2/km bei heutigem Strommix stark auseinander. Entscheidend für die Einschätzung der Experten, ob Batterieautos überhaupt besser abschneiden als Benzinautos ist die Frage, bei welcher Reichweite und Leistung sie marktgängig werden. Die Mehrzahl der befragten Experten stellt sich zukünftige reine Batteriefahrzeuge als Stadt- oder Pendlerfahrzeuge mit Reichweiten von 100 bis 150 km und Emissionen zwischen 60 und 90 g CO2/km bei heutigem Strommix vor. Zwei Experten nehmen hingegen an, dass eine Reichweite von 300 bis 400 km erforderlich ist bzw. die Leistung der Fahrzeuge sehr hoch sein muss, um sie marktgängig zu machen.

Einen deutlichen Sprung macht die Klimaverträglichkeit der Elektrofahrzeuge, wenn die Umstellung der Stromversorgung auf Erneuerbare Energieträger schnell vorankommt. Während das zugrunde gelegte Business-as-usual Szenario den heutigen Strommix mit Emissionen von gut 600 g CO2/kWh verwendet, wird in einem alternativen Szenario stark auf Erneuerbare Energien gesetzt. Bei der Stromerzeugung ist dann im Jahr 2030 nur noch mit Emissionen von durchschnittlich 300 g CO2/kWh zu rechnen. Die Emissionen der strombetriebenen Autos liegen dann nur noch bei 30 bis 80 g CO2/km, und unter der Annahme von reinen Batteriefahrzeugen als Stadtautos sogar nur bei 30 bis 45 g CO2/km. "Mit Reichweiten von 100 bis 150 km pro Batterieladung wären solche Fahrzeuge für die täglichen Fahrstrecken von über 80 Prozent der Autofahrer in Deutschland geeignet", sagt Jette Krause vom PIK, Autorin der Studie.

Der entscheidende Hebel für die ökologische Vorteilhaftigkeit der Elektromobiltät ist somit der Umbau des Energiesystems hin zu erneuerbar erzeugtem Strom. Im Rahmen eines intelligenten Energiekonzeptes, eines sogenannten SuperSmart Grid, könnten die Batterien von Elektrofahrzeugen zukünftig kurzfristige Schwankungen in der Produktion Erneuerbarer Energien ausgleichen.

Während ein solcher Umbau in starkem Maße über die Klimabilanz der Elektrofahrzeuge entscheidet, kann umgekehrt die Elektromobilität ein wichtiger Baustein auf dem Weg eines solchen Energiemodells werden. Die große Hürde für Erneuerbare Energien sind die Schwankungen ihres Ertrages. Wenn der Wind weht und die Sonne scheint, kann viel Erneuerbare Energie gewonnen werden, bei Flaute und bedecktem Himmel hingegen nur wenig. Über intelligente Lade- und Entladekonzepte könnten die Batterien von Elektrofahrzeugen hier künftig Abhilfe schaffen. Die Fahrzeuge können während der Standzeiten ans Stromnetz angeschlossen und die Batterien je nach Verfügbarkeit von Strom ge- oder teilweise entladen werden. Intelligente Mess- und Steuerungselektronik sorgt dafür, dass die Batterien zu vorbestimmten Zeitpunkten den gewünschten Ladezustand erreichen. Die Dienstleistung als Zwischenspeicher (sog. Vehicle-to-grid-Dienstleistungen) würde den Eigentümern der Elektromobile vergütet und könnten so auch zur Refinanzierung der in der Anschaffung noch recht teuren Batterien beitragen.

"Der massive Ausbau von erneuerbar erzeugtem Strom hat das Potenzial, nicht nur den Stromsektor weitgehend emissionsfrei zu machen. Er kann auch wichtige Impulse für die Klimaverträglichkeit anderer Sektoren, insbesondere von Mobilität und Raumwärme, setzen. Umgekehrt könnte Elektromobilität einen wesentlichen Beitrag zu einem Stromsystem liefern, das weitgehend auf Erneuerbaren Energien basiert", so Armin Haas vom PIK.
 

Interviewwünsche und Rückfragen können Sie an die Experten richten:

  • Christoph Bals, Germanwatch, bals@germanwatch.org, Telefon: 0174-3275669
  • Jette Krause, PIK, jkrause@pik-potsdam.de, Telefon: 0176-23860375
  • Armin Haas, PIK, armin.haas@pik-potsdam.de, Telefon: 0174-3239973


Germanwatch können sie auch auf der IAA direkt ansprechen:
Halle 8, Stand FO1 im Rahmen des Klimaprojektes der Verbraucherzentralen und beteiligter Verbände. Infos unter: www.verbraucherfuersklima.de
15./16. September Dr. Manfred Treber, Verkehrsexperte 0179-4969372
17./18. September Stefan Rostock, Referent Klima und Entwicklung 0178-5637075