Ein historischer Durchbruch mit erbärmlichen Zielen
Die Staatengemeinschaft will auch ohne USA das Kyoto-Protokoll in Kraft setzen
Nach zehn Jahren Verhandlungen ist beim Klimagipfel in Bonn der Durchbruch für die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls gelungen. Alle Staaten außer den USA, überraschenderweise auch Japan, Kanada und Australien, haben sich in allen zentralen Fragen geeinigt und angekündigt, auf dieser Basis das Kyoto-Protokoll zu ratifizieren. Christoph Bals kommentiert das Erreichte:
Ein rechtlich verbindliches Klimaschutzregime steht durch die Ergebnisse von Bonn vor der Tür. Vermutlich schon nächstes Jahr, spätestens aber 2003, dürften genug Staaten das Kyoto Protokoll ratifiziert haben - es müssen mindestens 55 sein, die zugleich mindestens 55 % der Industrieländeremissionen repräsentieren - so dass das Abkommen in Kraft treten kann.
In der Architektur des Abkommens konnte sich in vielen Punkten die EU durchsetzen. Wenn die Ziele verfehlt werden, treten Anreiz- und Sanktionssysteme in Kraft. Der Klimaschaden muss durch Klimaschutzaktivitäten wieder gut gemacht werden, mit einem Strafaufschlag von 30 Prozent. Der Staat muss einen Aktionsplan vorlegen, der überprüft wird und aufzeigen muss, wie in der nächsten Verpflichtungsperiode das Ziel erreicht werden soll. Außerdem - für viele Länder möglicherweise die stärkste Sanktion - wird der säumige Staat, solange die Ziele nicht erfüllt sind, vom Emissionshandel ausgeschlossen.
Beim projektbasierten Emissionshandel wurde "Klimaschutz durch Atomkraftwerke” ausgeschlossen. Auch Senkenprojekte können in Entwicklungsländern allenfalls für ein Prozent der jeweiligen jährlichen Emissionen gegen die Reduktionsziele der Industrieländer angerechnet werden. Für eine Reihe von kleineren und relativ unumstrittenen Projekten in Entwicklungsländern wurde ein beschleunigtes Verfahren des Clean Development Mechanismus (CDM) vereinbart. Zu den positivsten Überraschungen gehört ein kleiner Passus im "Bonner Agreement”: Darin wird festgeschrieben, dass die Verteilung von Emissionsrechten sich in Zukunft gleichen Pro-Kopf-Rechten annähern soll. Dieser Passus, der wohl nur wegen der Nicht-Beteiligung der USA möglich war, wird in den nächsten Jahren sicherlich ein zentraler Streitpunkt. Die Entwicklungsländer werden alle Begrenzungsziele ablehnen, wenn dieser Grundsatz nicht erhalten bleibt.
Bei den Emissionsreduktionszielen gab Europa nach und Australien, Russland, Kanada, Japan sowie Neuseeland wurde durch die großzügige Anrechnung von Senken entgegengekommen. Die Zielerreichung ist dadurch in diesen Staaten wieder in den Bereich des gut Möglichen gerutscht. Aus Sicht von GERMANWATCH sind die Klimaschutzziele des Bonner Agreements nur ein Einstieg in den Einstieg. Insgesamt dürfte für die beteiligten Industrieländer etwa eine Stagnation der Emissionen auf dem Stand von 1990 zu erwarten sein. Die Architektur des Kyoto-Protokolls, die in Bonn beschlossen wurde, ist in großen Teilen brauchbar und stellt einen Durchbruch dar. Die jetzt beschlossenen Ziele sind andererseits eine Verhöhnung der wachsenden Zahl von Klimaopfern - vor allem in den Ländern des Südens. GERMANWATCH wird zusammen mit anderen NGO den Druck auf die Ziele erhöhen. Immerhin gibt es jetzt ein Instrumentarium, mit dem auch ehrgeizige Klimaschutz-Ziele erreicht werden könnten, wenn der politische Wille dazu zu mobilisieren ist. Die Bremsen sind da, jetzt müssen sie auch genutzt werden. Ein wichtiges Element des Kompromisses von Bonn bilden auch verschiedene Unterstützungsmaßnahmen für Entwicklungsländer. Es wurde der Einstieg in die finanzielle Förderung von Anpassungsprozessen an den globalen Klimawandel gefunden. Dies reflektiert die Tatsache, dass die ärmeren Entwicklungsländer, die kaum zum globalen Klimawandel beigetragen haben, mit den schwersten Konsequenzen zu rechnen haben. Erstes Geld soll ab 2005 jährlich fließen.
Kommt die USA noch dazu?
Das größte Ärgernis des Abschlusses ist, dass die USA als größter Emittent einstweilen noch nicht dabei sind. Doch viele Beobachtern schätzen es so ein, dass ein funktionierender internationaler Emissionshandel über kurz oder lang zu einem Umdenken der US-Administration führen würde. Dies ist einer der Gründe, warum es so kontraproduktiv ist, dass der deutsche Wirtschaftsminister die entsprechende EU-Richtlinie erst einmal blockiert hat. Der EU-weite Emissionshandel würde nicht nur den Einstieg in verbindliche, absolute Reduktionsziele für die verschiedenen, relevanten Branchen bedeuten. Viele Internationale Unternehmen würden den Druck auf die US-Regierung erhöhen, ihre Anti-Klimaschutz-Politik zu modifizieren, evtl. sogar dem Kyoto-Protokoll beizutreten. Verschiedene Stellen des Kompromiss-Papiers sind schon jetzt so gestaltet, dass den USA ein Beitritt erleichtert wird. Ein US-Beitritt in einigen Jahren würde den jetzigen Kompromiss deutlich aufwerten.