Blogpost | 20.06.2020

Klima-Tandem EU-China: Eine Notwendigkeit in beiderseitigem Interesse

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Der Konflikt zwischen den USA und China um die Führungsrolle in der kommenden Weltordnung spitzt sich zu. Anstatt sich in die bipolare Logik eines neuen Kalten Krieges hineinziehen zu lassen, sollte die EU ein eigenständiges Verhältnis zu China entwickeln. Die Zusammenarbeit im Klimaschutz kann dabei eine zentrale strategische Rolle spielen. Daher gehört sie ganz oben auf die Agenda der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte dieses Jahres.

Am 22. Juni treffen sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang per Videokonferenz zum jährlichen EU-China-Gipfel. Der ursprünglich für September geplante Sondergipfel mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und allen 27 EU-Regierungschefs hingegen wurde aufgrund der Corona-Pandemie verschoben, soll aber noch dieses Jahr nachgeholt werden.

Die EU hat in einem Strategiepapier vergangenes Jahr formuliert, dass China Kooperationspartner, wirtschaftlicher Konkurrent und systemischer Rivale zugleich sei. China und die EU haben in Teilen gegensätzliche Werte und Interessen - zum Beispiel im Bereich der Menschenrechte oder bei Auslandsinvestitionen. Gerade für den Schutz der Menschenrechte sollte die EU auch unmissverständlich eintreten. China und die EU haben aber auch gemeinsame Interessen - zum Beispiel bei der Bewältigung globaler Herausforderungen wie der des Klimawandels.

Es ist offensichtlich, dass die globale Klimakrise nicht ohne China - den weltgrößten Emittenten von Treibhausgasen - eingedämmt werden kann. Eine Verständigung auf mehr Ambition beim Klimaschutz ist im strategischen Interesse beider Seiten. Die Entscheidungsträger in beiden Regionen wissen, dass der Klimawandel die Sicherheit und Gesundheit der eigenen Bevölkerung bedroht, sei es durch Hitzesommer in Europa oder der Gletscherschmelze im Himalaya. China kann durch eine klimapolitische Verständigung mit der EU viel der erwünschten internationalen Anerkennung bekommen. Die EU kann sich als geopolitischer Akteur beweisen, der auch mit schwierigen Partnern Einigungen erzielt und der Vision des European Green Deal international Strahlkraft verleiht. Vor allem aber dürften beide Seiten ein Interesse daran haben, dass Klima-Zusammenarbeit zu einem "Kooperationsanker" in einer zunehmend konfliktbeladenen Beziehung wird.

Kooperationsanker bedeutet, dass beide Seiten die Kooperation in diesem Bereich auch fortsetzen, wenn es in anderen Politikfeldern zu wachsenden Konflikten kommt. Ähnlich verhielt es sich in der Zeit des Ost-West-Konflikts mit den Gaslieferungen aus der UdSSR nach Westeuropa. Sie waren in beiderseitigem Interesse und wurden daher auch bei sich zuspitzenden Krisen nicht in Frage gestellt.  

Für die Klima-Zusammenarbeit mit China braucht die EU klar definierte Ziele. Eine Deklaration, die lediglich in eleganten Worten das Pariser Klimaabkommen bekräftigt, reicht nicht. Vier Themen gehören auf die Agenda:

Erstens sollte die Wirtschaftserholung nach der Corona-Krise so organisiert werden, dass diese bei der Eindämmung der Klimakrise hilft. Neben der Verständigung auf dieses Prinzip müssen beide Seiten konkret werden bei den Instrumenten, die künftige Investitionen in klimakompatible Bahnen lenken können. Beispielsweise könnten beiden Seiten vereinbaren, die Empfehlungen der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD) zur Offenlegung von Klimarisiken durch Unternehmen und Investoren verbindlich zu machen. In beiden Regionen wurden außerdem in den vergangenen Jahren Kriterienkataloge für nachhaltige Investitionen erarbeitet, in der EU die sogenannte Sustainable-Finance-Taxonomie. Es könnte vereinbart werden, diese Definitionen abzustimmen und öffentliche Investitionen daran auszurichten. Dadurch würde ein Standard gesetzt, an dem sich Investoren weltweit orientieren müssten, auch in den USA - selbst dann, wenn Trump nicht abgewählt werden sollte.

Zweitens wurde bei der Pariser Klimakonferenz vereinbart, dass bis Ende 2020 alle Vertragsparteien verbesserte nationale Klimaschutzbeiträge einreichen werden, um die globalen Klimaziele einzuhalten. Diese Verpflichtung gilt, auch wenn die nächste Weltklimakonferenz auf 2021 verschoben wurde. Sowohl China als auch die EU sehen sich als Verteidiger des Multilateralismus und des Paris-Abkommens. Daher sollten sie bis Jahresende ihre Klimaziele erhöhen. Wenn sie sich dazu abstimmen, würde das den Spielraum für ambitioniertere Ziele und die weltweite Signalwirkung vergrößern.

Drittens können beide Seiten auch in Drittstaaten die Klimatransformation voranbringen, zum Beispiel durch Unterstützung für Regionen, in denen sowohl die EU als auch China zu den großen Investoren zählen, wie etwa im Westbalkan oder in Afrika. Die eigenen Prinzipien ("European Green Deal" in EU, "Ecological Civilization" in China) sollten auch für Investitionen in Drittstaaten gelten - auf entsprechende Kriterien könnten sich beide Seiten verständigen.

Viertens geht es um die Verknüpfung der Klima- mit der Biodiversitätskrise. China ist Gastgeber der kommenden UN-Biodiversitätskonferenz und somit weltweit im Blickpunkt. Wenn sich China und die EU als die weltweit größten Märkte für Palmöl, Soja und Rindfleisch darauf verständigten, künftig nur noch solche Produkte nachzufragen, die die Entwaldung nicht beschleunigen, dann wäre das nicht nur gut für das Klima, sondern würde auch einige der Biodiversitäts-Hotspots schützen.

Die EU-China-Videokonferenz am 22. Juni kann nur der Anfang sein. Sie sollte signalisieren: Die Kooperation geht weiter, Klimaschutz wird dabei eine zentrale Rolle spielen und es werden nun die großen klimapolitischen Schritte für das zweite Halbjahr vorbereitet. Damit der Durchbruch zu ambitionierter Kooperation in spannungsreicher Zeit gelingt sind die Staats- und Regierungschefs gefragt. Es liegt im beiderseitigen Interesse, gemeinsame Klimapolitik zur Priorität zu erklären.  


Dieser Beitrag erschien zuerst am 19.6.2020 im Tagesspiegel Background Energie & Klima.

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