Bericht zur Veranstaltung „Klimarecht und Klimagerechtigkeit in Zeiten der Klimakrise“ mit Saúl Luciano Lliuya
Auf der UN-Klimakonferenz, der COP25 in Madrid kamen während einer offiziellen Nebenveranstaltung erstmals Graswurzelaktivist*innen aus dem globalen Süden zusammen, um gemeinsam über die wachsende internationale Bewegung für Klimagerechtigkeit (Climate Justice Movement) als Reaktion auf die globale Klimakrise zu diskutieren. Unter ihnen war auch der peruanische Bergführer und Kleinbauer Saúl Luciano Lliuya, der mit seiner mutigen Klage gegen den Energieriesen RWE schon heute Rechtsgeschichte geschrieben hat. Es handelt sich um die weltweit einzige Klage auf unternehmerische Haftung für Klimarisiken, die es in die Beweisaufnahme geschafft hat. Damit hat das Gericht, das Oberlandesgericht in Hamm, bestätigt, dass Großemittenten grundsätzlich dazu verpflichtet sind, Betroffene von Klimaschäden im globalen Süden zu unterstützen.
Angesichts der unzureichenden politischen und unternehmerischen Antworten auf die Klimakrise wenden sich Einzelpersonen und Organisationen weltweit zunehmend an Gerichte. Sie wollen Gerechtigkeit für die Bevölkerungsgruppen vor allem im Globalen Süden herstellen, die besonders von Klimafolgen betroffen sind, obgleich sie wenig bis gar nichts zum Problem beigetragen haben. Klima- und Umweltschäden werfen zahlreiche menschenrechtliche Fragen über den Zugang zu Gerichten, die Gleichberechtigung der Geschlechter und die Rechte auf Land und Eigentum auf. Klimaklagen und andere rechtliche Initiativen von Graswurzelaktivist*innen im globalen Süden werfen ein dringend benötigtes Licht auf die Stimmen der Gemeinschaften, die an der vordersten Linie der Klimakrise stehen, und machen den abstrakten Mode-Begriff "Klimagerechtigkeit" erst greifbar.
Aufgrund der kurzfristigen Verlegung der COP25 von Santiago de Chile nach Madrid konnte Saúl Luciano Lliuya anders als geplant leider nicht persönlich an der Veranstaltung teilnehmen. Dafür wandte er sich über eine Videobotschaft an die anwesenden Klima-Aktivist*innen und übersandte ihnen aus den peruanischen Anden „die Stärke der Berggeister“ für ihren Kampf um Klimagerechtigkeit. Er erklärte, dass er mit seiner Klage nicht nur seine Familie und seine Heimatstadt vor den sich bereits vollziehenden Klimafolgen schützen möchte, sondern auch mitwirkt, einen Präzedenzfall zu schaffen, damit weltweit die Verursacher von Klimaschäden in die Verantwortung genommen werden:
Credit: Positive Altitude Media; sentinelsthefilm.org
Moderiert wurde die Veranstaltung von Astrid Puentes (Interamerican Association for Environmental Defence) und Joana Setzer (Grantham-Institut, London School of Economics).
Außerdem beteiligt an einer eindrucksvollen Diskussion über Resilienz, Repression und Rechenschaftspflichten waren:
- Yeb Sano, Exekutivdirektor von Greenpeace Südostasien, sprach über die Beschwerde bei der nationalen Menschenrechtskommission, die Greenpeace Südostasien 2015 zusammen mit weiteren Organisationen und Betroffenen eingereicht hatte. Die Beschwerde zielt auf die Feststellung der Verantwortung von Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen aufgrund der nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels. Die Beschwerdeführenden werfen insgesamt 47 Großemittenten ("Carbon Majors") vor, den Klimawandel durch ihre Unternehmenstätigkeit und Produkte seit Jahren wissentlich zu befeuern und keine (ausreichenden) Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasen zu treffen. Die vorläufigen Ergebnisse der philippinischen Menschenrechtskommission wurden nur zwei Tage später während eines anderen side events auf der COP25 durch Kommissionsmitglied Roberto Cadiz vorgestellt. Er betonte, dass die beklagten Unternehmen grundsätzlich rechtlich und moralisch für Menschenrechtsverletzungen an Filipinos infolge des Klimawandels haftbar gemacht werden könnten.
- Tony Oposa, amtierender „Normany Chair for Peace“, betonte die Macht von Klimaklagen, die eine konstruktive Diskussion entfachen und sich die Bedeutung des Geschichtenerzählens zunutze machen; es ginge darum, das Gesetz zu nutzen, um nicht nur den Planeten Erde zu schützen, sondern auch die gegenwärtigen und zukünftigen Generationen, die ihn weiterhin bewohnen werden.
- Solomon Yeo (Direktor Pacific Islands Students Fighting Climate Change), vertrat die dynamische Rolle der Jugendbewegung gegen die Klimakrise. Er sprach eindringlich über den Kampf an vorderster Front und seine Petition an den Internationalen Gerichtshof, den unbestreitbaren Zusammenhang zwischen Menschenrechten und Klimawandel anzuerkennen.
- Agung Wibowo (HuMA Indonesia) lieferte ein überzeugendes Plädoyer für die Einbeziehung von lokalem und traditionellem Wissen in Entscheidungen über umweltstrafrechtliche Streitigkeiten. Sie verwies auf Beispiele für das Versagen des Strafrechtssystems in Indonesien, die Stimmen der lokalen Gemeinschaften anzuerkennen, und auf die dringende Notwendigkeit, gerichtliche Entscheidungen auch umzusetzen.
- Makoma Lekalakalas (Earthlife Africa und Goldman-Umweltpreisträgerin des Jahres 2018) Engagement an der Basis führte zu einem bahnbrechenden juristischen Sieg, der Südafrika vor einer beispiellosen Expansion der Atomindustrie bewahrte. Sie hob hervor, dass dies Geschichten von Mut, Stärke und dem Streben der Gemeinschaften nach Überleben in der Klimakrise seien. Die Menschen stünden im Mittelpunkt der Bewegung für Klimagerechtigkeit, und es sei wichtig, dass Gemeinschaften auch außerhalb des Gerichtssaals Zugang zu rechtlichen Möglichkeiten hätten.
Autor:innenRoxana Baldrich und Sonam Gordhan |