Was im Konjunkturpaket fehlt
Der Koalitionsausschuss hat sich am 3. Juni 2020 auf Eckpunkte eines Konjunkturpakets verständigt, das die wirtschaftlichen Schäden der Corona-Pandemie mindern soll.
Es verdient Applaus, dass über 50 Milliarden Euro in den Klimaschutz gehen. Aber natürlich ist auch Kritik angebracht: So ist es problematisch, dass die Absenkung der Mehrwertsteuer auch Benzin, Diesel und Heizöl billiger macht.
Wir diskutieren viel über das, was im Paket steht. Wir reden noch zu wenig darüber, was fehlt.
Damit die Energiewende grünes Wachstum und neue Jobs bringt, müssen wir das fluktuierende Angebot erneuerbar erzeugten Stroms besser mit der Stromnachfrage koordinieren. Wir müssen also am Stromsystem ansetzen.
In diesem Beitrag unterstreichen wir daher drei Vorschläge, die im Konjunkturpaket fehlen. Ihre Umsetzung würde auf vielfache Weise die Wirtschaftskrise bekämpfen und zugleich den notwendigen Ausbau von Erneuerbaren Energien ermöglichen.
Corona- und Klimakrise zusammen angehen!
In jeder Krise liegt auch eine Chance. Ein auf Erneuerbaren Energien basiertes Stromsystem garantiert einen Technologievorsprung in Zukunftsmärkten, Innovationen und Investitionen, sowie Wachstum, Arbeitsplätze, neue Geschäftsmodelle, Energiesicherheit und Gesundheitsschutz. Und nicht zuletzt dient es dazu, zusammen mit der Corona-Krise auch gleich die Klimakrise zu bekämpfen.
Mit Investitionen in Klimaschutz kann die Bundesregierung die deutsche und europäische Wirtschaft auf wachsenden Zukunftsmärkten mit Exportpotential positionieren und etablieren.
In Bezug auf das Stromsystem (Netze und Märkte) haben in den letzten drei Monaten viele Expert*innen gute Vorschläge unterbreitet, wo die Bundesregierung investieren sollte, um Wirtschafts- und Klimakrise zusammen anzugehen1.
In dieser Debatte möchten wir drei wesentliche Vorschläge unterstreichen, die die Energiewende voranbringen:
- Investitionen in Netzinnovationen ausschreiben.
- Eine bessere Anpassung der Stromnachfrage an das fluktuierende Angebot erneuerbar erzeugten Stroms durch Digitalisierung unterstützen.
- Die Systemintegration der Erneuerbaren Energien gesetzlich anreizen.
1. Direkte Ausschreibung staatlicher Investitionen in intelligente Netzinnovationen
Innovationen sind mit Risiken verbunden. Im regulierten Netzgeschäft ist dieses Risiko derzeit nicht abgesichert. Der Anreiz zur Investition in Innovationen ist daher zu gering.
Die Bundesregierung sollte Investitionen in intelligente und systemdienliche Netzinnovationen direkt ausschreiben. Auf die Ausschreibungen könnten sich dann verschiedene Akteure – wie z.B. die Netzbetreiber – bewerben. Zu den Netzinnovationen gehören zum Beispiel Netzbooster, Heißleiterseile, digitale Ortsnetztransformatoren, Querregler und das Freileitungsmonitoring.
Diese zu bauen, würde insbesondere fünf Vorteile mit sich bringen:
- Erstens würde ihr Bau sofortige wirtschaftliche Aktivität bedeuten.
- Zweitens hätte er direkte positive Auswirkungen für die Krisenfestigkeit der Stromnetze, die für die Wirtschaftstätigkeit essentiell sind.
- Drittens kommen durch diese Innovationen mehr Erneuerbare Energien ins Netz, was wirtschaftliche Aktivität in dieser Branche nach sich zieht.
- Viertens führt die daraus resultierende heimische Produktion von erneuerbar erzeugtem Strom zu niedrigeren Stromgestehungskosten, was insbesondere für stromintensive Industrieprozesse ein Wettbewerbsvorteil werden kann.
- Hinzu kommt fünftens, dass diese Maßnahmen Kosten für Redispatch und die Abregelung von Erneuerbare-Energien-Anlagen senken würden. Dies könnte langfristig geringere Netzentgelte zur Folge haben, was wiederum die Strompreise senken und so wirtschaftliche Aktivität anreizen würde.
Sollte die Bundesregierung diese Netzinnovationen nicht ausschreiben, so wäre es eine weniger effiziente, aber immer noch sinnvolle Lösung, die Aufgabe direkt an die Übertragungsnetzbetreiber zu übertragen. Steuern müssen sie die Anlagen ohnehin. Sie könnten die Innovationen dann über die Netzentgelte refinanzieren.
Neben der geringeren Effizienz läge ein weiterer Nachteil dieser Lösung allerdings in den höheren Netzentgelten für Verbraucher*innen, was die gewünschte wirtschaftliche Aktivität hemmen könnte. Wichtig wäre bei diesem Mechanismus, auf eine deutlich höhere Transparenz bezüglich der Erlösobergrenzen sowie der Genehmigungen zu achten.
2. Intelligenteres Zusammenspiel zwischen Stromnachfrage und sauberem Stromangebot fördern
Eine bessere Anpassung der Stromnachfrage an das fluktuierende Angebot erneuerbar erzeugten Stroms führt zu mehr erneuerbar erzeugtem Strom im Netz. Hierzu bedarf es intelligenter Stromzähler (Smart Meter), auch in Haushalten.
Nach aktueller Gesetzeslage müssen Verbraucher*innen mit einem Jahresverbrauch über 6.000 kWh diese Stromzähler selbst zahlen. Langfristig werden auch in Haushalten mit geringeren Verbräuchen Smart Meter vonnöten sein. Smart Meter rechnen sich jedoch nur für Verbraucher*innen, die auch eine Solaranlage, ein Elektroauto oder einen anderen Speicher besitzen. Sie verdienen durch ihre Flexibilität.
Die verstärkte Einführung von variablen Tarifen und steuerbaren Geräten sind sehr wichtige Schritte, die vorangetrieben werden müssen. Aber das reicht nicht. Die Bundesregierung sollte für Geringverbraucher den Smart Meter-Einbau aus dem Bundeshaushalt (teil-)finanzieren.
Das würde neben den unter 1.) genannten wirtschaftlichen Vorteilen auch die Kosten des Smart Meter-Einbaus für Haushalte senken. So würden unterm Strich auch Haushalte durch Einsparungen und Effizienz Kosten sparen, die sich keine der o.g. Flexibilitätsoptionen leisten können.
Dies wäre nicht nur sozial gerecht und könnte Konsum in anderen Wirtschaftszweigen ermöglichen, sondern würde zudem auch die Akzeptabilität der digitalen Energiewende erhöhen. Zudem würden die Kosten für Smart Meter durch ihren breiteren Einsatz immer weiter sinken.
3. Systemintegration der Erneuerbaren Energien anreizen
Die Bundesregierung sollte die Systemintegration der Erneuerbaren Energien auch gesetzlich anreizen. Denn der ökonomisch sinnvolle Ausbau der Erneuerbaren Energien kann nur gelingen, wenn das Gesamtsystem zu jeder Zeit zuverlässig und kostengünstig funktioniert.
Hierzu wäre eine Kombikraftwerksvergütung zielführend, wie sie die Energy Watch Group vorschlägt2.
Dieser Vorschlag sieht einen festen Vergütungssatz für Lösungen vor, die zu jeder Zeit erneuerbar erzeugten Strom in ausreichender Menge garantieren. Hierbei würde es einen technologieoffenen Wettbewerb um die effizientesten Gesamtlösungen geben, also beispielsweise mit Speichern, digitalen Steuerungstechnologien oder der Sektorenintegration.
Neben den unter 1.) genannten wirtschaftlichen Vorteilen könnte sich die deutsche Wirtschaft so in wesentlichen und von hoher Innovation geprägten weltweiten Zukunftsmärkten einen Technologievorsprung erarbeiten.
Wichtig ist hierbei, dass perspektivisch auch virtuelle Kraftwerke gefördert werden. Die volkswirtschaftlich effizientesten Kombinationen aus Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien, Netzen, Speichern, flexiblem Verbrauch, Sektorenintegration und digitaler Steuerung sollten schnell in den Markt kommen.
In jeder Krise liegt auch eine Chance. Die Bundesregierung kann jetzt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die Wirtschaftskrise bekämpfen und den notwendigen Ausbau von Erneuerbaren Energien ermöglichen. Die Instrumente liegen auf dem Tisch: Netzinnovationen, Digitalisierung und Anreize für die Systemintegration. Die Bundesregierung sollte sie ergreifen.
Dieser Artikel wurde zuerst auf "energiezukunft - Das Portal für Erneuerbare Energien und die bürgernahe Energiewende" publiziert.
2 Energy Watch Group. Eckpunkte für eine Gesetzesinitiative zur Systemintegration Erneuerbarer Energien. (07.04.2020).