Blogpost | 14.11.2018

Ist der Klimawandel eine Ursache des Kriegs in Syrien?

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Die ersten Demonstrationen gegen die Assad-Regierung in Syrien fingen im Frühling 2011 an. Friedliche Demonstranten verlangten Freiheit, Reform und Besserung der Lebensbedingungen in einem Ausdruck von Frust und Revolte gegen eine repressive Regierung. Die Regierung reagierte mit Unterdrückung und militärischer Gewalt. Bewaffnete Konflikte brachen aus, Großmächte und Nachbarländer mit politischen und wirtschaftlichen Interessen in Syrien ergriffen Partei.

Die Revolution der Straße hat sich zu einem seit Jahren andauernden Bürgerkrieg und einem Stellvertreterkrieg entwickelt. Dies wird durch die militärische Präsenz von Russland und dem Iran und deren direkter Unterstützung des syrischen Regimes bestätigt. Auch die Türkei unterstützt manche Gegner der Regierung. Im Osten des Landes sind die USA vertreten und unterstützen die kurdischen Truppen. Alle verfolgen eigene Interessen.

Nach mehr als sieben Jahren Krieg und Zerstörung in Syrien, mit Millionen Flüchtlingen und weiteren Millionen Binnenflüchtlingen, stellt sich weiterhin die Frage nach der Ursache des Krieges. Viele Recherchen und Analysen wie auch Mediensendungen beschäftigen sich mit dieser Frage. Eine der möglichen Ursachen, welche noch am Rande des Diskurses über diese komplexe Situation bleibt, ist der Klimawandel.

Kann der Klimawandel eine der Ursachen des Kriegs in Syrien sein? Dazu gibt es sehr unterschiedliche Meinungen. Manche zitieren den Klimawandel und seine Auswirkungen als einen der Hauptgründe des Krieges, andere sehen darin einen indirekten Grund, welcher in einer komplexen Lage mitgewirkt hat, und weitere finden die Argumentation über Klimawandel im Kontext des Krieges in Syrien absolut irrelevant.

Klimawandel und seine Auswirkungen als einer der Hauptgründe des Krieges?

Von 2006 bis 2011 erlebten bis zu 60 Prozent des syrischen Landes die schlimmste langfristige Dürre und die schwersten Ernteausfälle seit Beginn der landwirtschaftlichen Zivilisationen im Fruchtbaren Halbmond vor vielen Jahrtausenden, erläutern Francesco Femia und Caitlin Werrell.

Laut einer Studie aus dem Global Assessment Report on Disaster Risk Reduction der Vereinten Nationen erlitten fast 75 Prozent der am stärksten von der Landwirtschaft abhängigen Syrer (vor allem im Nordosten des Landes) einen totalen Ernteausfall. Hirten im Nordosten Syriens verloren ebenfalls rund 85 Prozent ihres Viehbestands, was Auswirkungen auf 1,3 Millionen Menschen hatte. Dies führte zu einer massiven Abwanderung von Bauern, Hirten und von der Landwirtschaft abhängigen Familien vom syrischen Land in die Städte.

Dies benannte auch der britische Thronfolger Prinz Charles, dessen Interesse an Umweltthemen seit langem bekannt ist. Vor seiner Rede auf der Klima-Konferenz 2015 in Paris hat sich Prinz Charles in einem Interview mit Sky News zur Lage in Syrien geäußert. Er beschrieb ein vor 20 Jahren festgestelltes Problem, was nicht angegangen wurde, und dazu geführt hat, dass wir die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels erleben. „In der Tat gibt es sehr gute Beweise dafür, dass einer der Hauptgründe für diesen Schrecken in Syrien, merkwürdigerweise, eine Dürre war, die etwa fünf oder sechs Jahre dauerte, was bedeutete, dass am Ende eine große Anzahl von Menschen das Land verlassen mussten.“


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Der Comic zum syrischen Klimakonflikt, herausgegeben von Years of Living Dangerously und dem Symbolia Magazine, plädiert für den Klimawandel als ultimativen Stressor für Syrien.

 

Klimawandel spielte keine Rolle im Krieg in Syrien?

Die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Konflikt sind Gegenstand der Debatte in der akademischen Gemeinschaft und werden von einigen kritisiert, hauptsächlich wegen fehlender fundierter Beweise. Dazu gehören die Wissenschaftler Selby, Dahi, Frohlich und Hulme, die  im Journal Political Geography schreiben: „Gibt es klare und zuverlässige Beweise dafür, dass die Dürre im Zusammenhang mit dem Klimawandel in Syrien ein Faktor war, der zum Ausbruch des Bürgerkriegs des Landes beigetragen hat? Wenn ja, war sie ein so wichtiger Faktor, wie es in der bestehenden Wissenschafts- und Fachliteratur behauptet wird? Auf jedem Schritt der beanspruchten Kausalkette sind unsere Antworten nein.“

Einige Beobachter machen einen einzigen Kriegsgrund aus. So zum Beispiel Robert F. Kennedy Jr., Autor, Aktivist und Professor für Umweltrecht an der Pace University School of Law in New York.  In seiner Analyse der politischen Geschichte und Entwicklung Syriens, publiziert auf der Umweltnachrichtenseite EcoWatch, argumentiert Kennedy, dass der Krieg in Syrien ein Kampf um Erdgaspipelines ist. Er erklärt die Einmischung der anderen Länder in Syrien damit, dass konkurrierende Mächte um Einfluss über die Beförderung von Erdgas von Qatar (mit Unterstützung der USA) bzw. von Iran (mit Unterstützung Russlands) nach Europa ringen. 

Klimawandel als indirekter Grund für den Bürgerkrieg in einer komplexen Konfliktsituation?

Auf die Frage, ob der Klimawandel eine indirekte Rolle im arabischen Frühling und dem syrischen Aufstand gespielt habe, argumentiert Francesa de Châtel, eine auf Wasserressourcen in der arabischen Welt und im Mittelmeerraum spezialisierte Journalistin und Autorin, „dass es nicht die Dürre per se, sondern vielmehr das Versagen der Regierung, auf die folgende humanitäre Krise entsprechend zu reagieren, war, das einen der Auslöser des Aufstands gebildet hatte und einer Unzufriedenheit, die schon lange in den ländlichen Gebieten brodelte, Nahrung gab.“

„Der Ausbruch von Unruhen und Gewalt hat natürlich immer eine ganze Reihe von Ursachen, darunter vor allem politische und gesellschaftliche Voraussetzungen,“ erklärt Professor Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung in einem Interview der Frankfurter Rundschau. Das sei auch der Fall in Syrien. „Rund anderthalb Millionen Menschen flohen aus Not aus den ländlichen Gebieten Syriens und suchten Zuflucht in der Peripherie großer Städte wie Homs und Aleppo. Dort gab es Arbeitslosigkeit, Überfüllung, unzureichende Infrastruktur und Kriminalität und daher eine massive Unzufriedenheit. Dort lag dann auch die Keimzelle der syrischen Revolte – die aber, das muss noch mal betont werden, natürlich eine ganze Reihe von Gründen hatte.“

Auch die National Academy of Sciences of the United States of America kommt in einer Studie zum Klimawandel im fruchtbaren Halbmond und Auswirkungen der jüngsten syrischen Dürre zu dem Ergebnis: „Unsere Analyse des Konflikts in Syrien zeigt die Auswirkungen eines extremen Klimaereignisses im Zusammenhang mit dem Scheitern der Regierung, verschärft durch den einzigartigen Umstand des großen Zustroms irakischer Flüchtlinge.“

 

Zeitlicher Ablauf der Ereignisse vor dem Aufstand 2011 in Syrien, publiziert auf Mashable.

 

 

Fazit

Die Situation in Syrien ist sehr komplex und man kann kaum einen einzelnen Grund ausmachen und diesem alleine eine wichtigere Rolle an der Revolution und dem Krieg in Syrien geben. 

Meiner Meinung nach spielten die Auswirkungen des Klimawandels nur eingeschränkt eine Rolle im Ausbruch des Krieges in Syrien. Syrien hat durch die Folgen des Klimawandels eine schwere Zeit erlebt, was durch die schlechte und ineffektive Regierungspolitik verkompliziert wurde, und somit die Lebensbedingungen von vielen Menschen im Land drastisch verändert hat. Eine ähnliche durch Klimawandel bedingte Situation hätte sich in einem demokratischen Land mit gezielter Klimapolitik und vorbeugenden Maßnahmen wahrscheinlich völlig anders entwickelt.

Das Deutsche Klima Konsortium stellt fest, dass Syrien damit ein gutes Beispiel dafür ist, dass eine effektive Anpassung an die Folgen des Klimawandels nur möglich ist, wenn gleichzeitig die sozialen, politischen und ökonomischen Bedingungen einbezogen werden.

Zur Situation in Syrien kam eine langanhaltende schlechte politische und wirtschaftliche Lage dazu. Diese Anhäufung von Gründen hat eine Revolution des syrischen Volkes begünstigt, und im Verlauf eine Steigerung, die den heutigen Krieg als Ergebnis hatte.

 

Autor: Yousef Mashow

 

 

Quellenangaben

Klimawandel und seine Auswirkungen als einer der Hauptgründe des Krieges

Klimawandel spielte keine Rolle im Krieg in Syrien

Klimawandel als indirekter Grund in einer komplexen Konfliktsituation

Fazit

Autor:innen

Yousef Mashow

Ansprechpersonen

Echter Name

Referentin für Klima und Entwicklung – Indien