WBGU: „Fall Huaraz“ wichtige Pionierklage
Germanwatch begrüßt die Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen an die Bundesregierung, Klagen von Einzelpersonen gegen Großemittenten zu unterstützen.
In seinem neuesten Politikpapier „Zeit-gerechte Klimapolitik: Vier Initiativen für Fairness“ schlägt der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen (WBGU) der Bundesregierung die Förderung von vier Initiativen einer modernen und zeitgerechten Klimapolitik vor. Eine dieser Initiativen besteht in einem effektiven Rechtsschutz für Menschen, die durch den Klimawandel geschädigt werden.
Großemittenten können laut WBGU unter Umständen damit rechnen, für die aufgrund des notwendigen Ausstiegs aus Kohle, Öl und Gas staatlich veranlassten Betriebsstilllegungen vor Genehmigungsablauf entschädigt zu werden. Für Menschen, die durch Folgen des Klimawandels bedroht sind, fehlt jedoch bisher jeglicher Rechtsschutz. Diese Asymmetrie der Durchsetzung von Rechtsansprüchen zwischen geschädigten Personen und verursachenden Unternehmen führt aus Sicht des WBGU zu einer Schieflage, die einer an die heutigen Erfordernisse angepassten Transformation entgegensteht.
Der WGBU stellt den „Fall Huaraz“ von Saul Luciano Lliuya gegen den Energiekonzern RWE als eine der wenigen Klagen von Individuen gegen Unternehmen heraus, die als Präzedenzfall zur Beseitigung dieser Schieflage beitragen und somit die notwendige globale Energiewende befördern können. Der Beirat bezeichnet den Fall als „Pionierklage“, deren weltweite Symbolwirkung nicht zu unterschätzen sei und die für die Öffentlichkeit die globale Dimension und Verflechtung der Verursachung des Klimawandels und seiner Folgen verdeutliche. Außerdem trägt eine solche Pionierklage laut WBGU zur Rechtsfortbildung bei, deckt Schutzlücken auf und beschleunigt so unmittelbar und mittelbar die Anpassung der Rechtsordnungen an die globalen Herausforderungen des Klimawandels. Auch kann sie Impulse setzen, um den Klimaschutz weltweit zu stärken und Treiber für die langfristige Etablierung von Mechanismen für einen gerechten Schadensausgleich für vom Klimawandel Betroffene sein.
Der WBGU empfiehlt der Bundesregierung daher, Klagen von Individuen gegen Großemittenten zu unterstützen und betont, dass von Klimaschäden bedrohte Menschen effektive Klagemöglichkeiten über Staatsgrenzen hinaus benötigen. Die Ursache für die bisher noch geringe Anzahl solcher Klagen liege vor allem auch in den finanziellen Risiken für die Klagenden. Daher sollten neue Pionierklagen aus dem regulären Entwicklungsetat finanziert werden können, so der WBGU. Dies würde es einigen durch den Klimawandel geschädigten Individuen oder Gruppen ermöglichen, ihre Rechtsansprüche durchzusetzen ohne sich den Prozesskostenrisiken aussetzen zu müssen.
Konkret schlägt der WBGU vor, die Bundesregierung solle ein jährliches Budget von 10–25 Mio. € bereitstellen, um einigen durch den Klimawandel geschädigten Individuen oder Gruppen zu ermöglichen, ihre Rechtsansprüche durchzusetzen. Der WBGU empfiehlt, für die Vergabe der Gelder eine unabhängige Kommission einzurichten, die anhand klimawissenschaftlicher, entwicklungspolitischer und juristischer Expertise die Erfolgsaussichten einer solchen Klage abschätzt.
Germanwatch begrüßt den Vorstoß des WBGU als Zwischenlösung, solange es keine politischen Lösungen gibt. "Wir haben immer betont, dass wir diese zivilrechtliche Klage gegen RWE einerseits unterstützen, um den Schutz von Saúl Luciano Lliuya, seiner Familie, seinem Besitz und aller anderen bedrohten Menschen in Huaraz erreichen wollen, aber andererseits auch wegen des Präzedenzcharakters dieser Klage", so Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch. "Wer mit seinem Unternehmen Risiken für Menschen weltweit mitverursacht und trotz des Wissens darum weiterhin verschärft, ist mitverantwortlich für den Schutz dieser Menschen. Es ist daher dringend notwendig, dass diesen Menschen bei der Durchsetzung ihrer Rechte geholfen wird. Der WBGU hat dazu einen sehr hilfreichen Vorschlag unterbreitet." Germanwatch setzt sich seit langem auch dafür ein, dass die Beschwerderechte von Menschen, die sich in ihren Menschenrechten von deutschen Unternehmen gefährdet sehen, gesichert werden.
Die nicht unerheblichen Klage-, Anwalts- und Gutachtenkosten werden im Fall des peruanischen Bergführers von der Germanwatch-nahen Stiftung Zukunftsfähigkeit übernommen, die dafür zu Spenden aufruft.