Richtungsweisender Konsens zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen
OECD lanciert heute Leitfaden zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht (Due Diligence). NGOs legen zusammenfassende Bewertung vor. Deutschland hatte bis zum Schluss gebremst
In den letzten Jahren hat sich die Sorgfaltspflicht der Unternehmen (due diligence) als das maßgebliche Konzept von unternehmerischer Verantwortung entwickelt, insbesondere wenn es um die Verantwortung für die Menschenrechte geht. Als menschenrechtliche Sorgfaltspflicht hielt sie 2011 Einzug in die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, im selben Jahr ebenfalls in die überarbeiteten OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Und auch der Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, den die Bundesregierung 2016 verabschiedet hat, bezieht sich im Kern auf die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht der Unternehmen. Eine Herausforderung besteht allerdings darin, dass es noch viele Unklarheiten gibt, was diese Sorgfaltspflicht wirklich bedeutet.
Deshalb ist der neue Leitfaden der OECD, die General Due Diligence Guidance, so wichtig. Dieses Kompromissdokument klärt kritische Fragen rund um die Sorgfaltspflichten der Unternehmen und räumt mit einigen Missverständnissen auf. Da der OECD-Ministerrat die General Due Diligence Guidance am 31. Mai 2018 verabschiedet hat, besitzt dieser Leitfaden die stärkste Zustimmung, die auf OECD-Ebene möglich ist und damit eine hohe internationale Autorität. Der Ministerrat verpflichtet die OECD-Mitgliedsstaaten, den Leitfaden zu verbreiten, zu unterstützen und seine Anwendung zu überwachen. Für die kommenden Jahre wird die Guidance vermutlich das wichtigste Referenzdokument zur Konkretisierung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten sein.
In einem über zweijährigen Prozess hatte eine Arbeitsgruppe der OECD den Leitfaden erarbeitet und dabei eine Beratergruppe aus Wirtschaft, Gewerkschaften und NGOs, darunter Amnesty International und das von Germanwatch mitgegründete internationale Netzwerk OECD Watch, einbezogen. Zudem gab es Ende 2016 bis Anfang 2017 eine öffentliche Konsultation, an der sich auch das CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung beteiligte. Von mehreren Seiten wurde während es Erarbeitungsprozesses beklagt, dass die Bundesregierung massiv gebremst hat. Und innerhalb der Beratergruppe waren die deutschen Wirtschaftsverbände besonders kritisch. Sie konnten jedoch viele ihrer noch im Dezember 2017 fast 200 Kommentierungspunkte nicht durchsetzen. Wahrscheinlich war dies ein Grund, weshalb die Bundesregierung im März 2018 als einziges OECD-Land dem vorliegenden Konsensdokument nicht zustimmen wollte und noch eine Woche Aufschub erbat. Jedoch kam es zu keinen weiteren Änderungen und der Ministerrat hat schließlich das Ergebnis der Arbeitsgruppe verabschiedet. Während ihres Globalen Forums für verantwortliche Unternehmensführung lanciert die OECD diesen Leitfaden am heutigen 20. Juni 2018. Auch für die Bundesregierung stellt dieser Leitfaden nunmehr den internationalen Konsens dar und sollte engagiert verbreitet und angewandt werden.
Der Leitfaden konkretisiert das Verständnis von Sorgfaltspflichten im Rahmen der OECD-Leitsätze und stellt klar, dass es einen entscheidenden Unterschied zu bereits bekannten unternehmerischen Sorgfaltspflichten gibt, die ein Unternehmen zum Beispiel im Vorfeld eines Geschäftsvertrags oder einer neuen Investition hat. Denn die Sorgfaltspflicht der OECD-Leitsätze ebenso wie der UN-Leitprinzipien bezieht sich auf die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf die Menschen und nicht auf das Unternehmen. Zudem geht es im Wesentlichen um vorbeugende Maßnahmen, damit potenziell negative Auswirkungen gar nicht erst eintreten. Diese Erkenntnisse sind nicht wirklich neu, aber eine Reihe von Aspekten im Rahmen der (menschenrechtlichen) Sorgfaltspflicht wird immer wieder falsch verstanden, weshalb der Leitfaden hierzu Klärung liefert. Dabei geht es um Themen wie wirksame Stakeholderbeteiligung, Kommunikation und Wiedergutmachung. Der Leitfaden stellt auch klar, dass die Sorgfaltspflicht nicht nur für große Unternehmen gilt, sondern es vor allem auf den Umfang des Risikos ankommt. Zu einigen Aspekten wie zum Beispiel dem Disengagement, also dem Aussteigen aus einer Geschäftsbeziehung u.a. aus menschenrechtlichen Erwägungen, liefert der Leitfaden konkretere Anleitung als bisherige UN- oder OECD-Dokumente.
OECD Watch hat gemeinsam mit Amnesty International in dem Leitfaden 14 wichtige Prinzipien und Konzepte identifiziert, die zivilgesellschaftliche Organisationen nutzen sollten. Diese sind im heute veröffentlichten Papier „The OECD Due Diligence Guidance for Responsible Business Conduct: A briefing for civil society organisations on the strongest elements for use in advocacy“ aufbereitet. In einem Blogbeitrag gibt es eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte des Leitfadens. Amnesty International und OECD Watch betonen jedoch, dass auch die Lektüre des gesamten Leitfadens sehr zu empfehlen ist, da das Originaldokument vielfach starke Formulierungen aufweist, auf die sich NGOs bei Bedarf beziehen sollten.