Blogpost | 23.05.2018

Interview mit Klara Lindner von Mobisol

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Klara Lindner ist Teil des Gründerteams von Mobisol. Das junge Berliner Start-Up möchte einkommensschwachen Menschen ohne Zugang zu Strom eine Alternative zu fossilen Energieträgern bieten. Im Interview mit Germanwatch verrät Klara Lindner, wie das Unternehmen funktioniert und warum Solarenergie so gut für ländliche Elektrifizierung in Afrika geeignet ist


Germanwatch: Mobisol wurde 2011 in Berlin u.a. von dir gegründet. Was hat euch damals dazu bewegt, Mobisol zu starten und was wolltet ihr erreichen?

Klara Lindner: Zunächst einmal hatten wir alle unseren Ingenieur-Abschluss in der Tasche und wollten damit was Sinnvolles anstellen. Über verschiedene Projekte waren wir im Globalen Süden unterwegs gewesen und uns war aufgefallen, wie schlecht die Menschen ihren durchaus bestehenden Bedarf nach Licht und Strom decken können. Gleichzeitig sahen wir, wie die Preise von Photovoltaik-Anlagen immer günstiger wurden, genauso von Mikro-Controllern, wie der Mobilfunk-Netzausbau selbst in entlegensten Gebieten der Erde rapide voranschritt, und der ganze Hype um connected products und das Internet der Dinge losging. Auf diesen Einsichten gründeten Dirk Junghans und Thomas Gottschalk (unser Gründer, nicht er Fernsehfritze) ein Start-up und scharrten eine Handvoll Gleichgesinnte um sich, mit dem Ziel, das globale Problem der netzfernen Stromversorgung innovativ anzugehen, quasi „plug in the world.“

GW: Seit der Gründung von Mobisol wurden über 100.000 Haushalte mit 500.000 Kunden hauptsächlich in Ostafrika durch eure Produkte mit Strom versorgt. Wie sehen euer Geschäftsmodell und eure Produkte aus?

KL: Kern unseres Angebots ist eine Photovoltaik-Anlage zur Umwandlung von Sonnenlicht in Strom inklusive Speicher und aller nötigen Komponenten in drei verschiedenen Größen bis zu derzeit 200 Watt. Schlicht die Hardware anzubieten, würde aber zu kurz greifen: Unser Versprechen ist, dass die Anlage zuverlässig läuft, finanzierbar für Haushalte und Kleinunternehmer ist, und dort zur Verfügung steht, wo die Menschen auch leben, nicht nur in der Großstadt. Und das erreichen wir nur, wenn wir erstens für Installation und Wartung Sorge tragen, zweitens die Investitionskosten in bezahlbare Raten runterbrechen, und drittens ein eigenes Vertriebsnetzwerk aufbauen, das tief in die ländlichen Gegenden reicht. Da unsere Kunden aber sehr auf die Kosten schauen müssen, mussten wir Wege finden, das alles viel günstiger zu realisieren, als das bisher der Fall war.

Wir bauten also zunächst die Möglichkeit der Fernwartung per Mobilfunk in jedes System ein und entwickelten unsere eigene Software, um damit eine kosteneffizientere, vorbeugende Instandhaltung zu koordinieren. Und dann entwickelten wir ein Plug-and-Play-System, was die Komplexität aus der Installation von PV-Anlagen nimmt, und riefen die Mobisol-Akademie ins Leben – hier durchlaufen Handwerker aus den Dörfern, die bisher Mopeds und Radios repariert haben oder als Maurer tätig sind, ein 2-wöchiges Training und regelmäßige Zertifizierungen und sorgen dann für eine fachgerechte Montage.

Banken gibt es in Sub-Sahara-Afrika nur in den Städten, und nicht auf dem Land. Wir leihen uns als Unternehmen also selbst Geld, um die Systeme vorzufinanzieren, und haben unsere eigenen Prozesse entwickelt, um die Kreditwürdigkeit unserer potentiellen Kunden abzuschätzen. Falls doch jemand in Zahlungsverzug gerät, schaltet sich die Anlage so lange ab, bis die nächste Rate per Mobile Money an uns gesendet wurde.

Wir haben Töchterunternehmen in den Ländern etabliert, in denen wir aktiv sind, und unsere eigenen festen wie mobilen Shops an größeren Marktplätzen auf dem Land gegründet. Unsere selbständig agierenden Verkäufer halten den Kundenkontakt und kommunizieren mit uns über unsere interne Smartphone-Applikation.

Übrigens hat eigentlich niemand Interesse an einer PV-Anlage hat, sondern daran, ein Radio, einen Fernseher, ein Bügeleisen etc. zu betreiben. Und wenn frau bisher noch keinen Stromzugang hat, dann gibt es auch keine Elektrogeräte im Haushalt. Die Geräte müssen wir  also mit anbieten, was wir mit einem stetig wachsenden Produkt-Portfolio auch tun.

GW: Warum setzt ihr gezielt auf Solarenergie?

KL: Zunächst musste es irgendeine dezentral einsetzbare Energiequelle sein, Atom und Kohle fielen damit raus. Im Vergleich zu Dieselgeneratoren sind PV-Anlagen nicht nur besser für die Umwelt, sondern haben auch wesentlich vorhersehbarere Kosten, da sie nicht mit dem Ölpreis schwanken. Und im Vergleich zu anderen Erneuerbaren Energien ist PV ziemlich wartungsarm, da es keine beweglichen Teile gibt, die Größe ist modular veränderbar und die Quelle, auf die man sich stützt, ist relativ zuverlässig. Wind und Wasser sind gerade in Sub-Sahara-Afrika nicht überall einsetzbar.

GW: Bisher seid ihr hauptsächlich in Ostafrika (Kenia, Tansania und Ruanda) aktiv. Was macht diese Region gerade so interessant für euch? Warum setzt sich euer Ansatz gerade dort durch?

KL: Also das Problem der unzureichenden Stromversorgung findet sich überall in Sub-Sahara-Afrika, nur in Südafrika ist es etwas weniger ausgeprägt. Als wir 2011 angefangen haben, gab es allerdings nur in Tansania, Kenia, Ghana und Indien den mobile banking service M-PESA, auf den sich unser Konzept stützt. Indien fiel aufgrund fehlender Kontakte und der völlig anderen Zeitzone aus der engeren Wahl, unsere Feldforschung ergab für Ghana weniger Potential und somit blieb Ostafrika übrig. Ruanda kam dann 2014 durch seine geographische und kulturelle Nähe hinzu.

GW: Wie sieht die Zukunft von Mobisol aus? Sind auch andere Länder für euch interessant?

KL: Auf jeden Fall, „plug in the world“ ist weiter unser Credo. Wir haben inzwischen ein Partnership & Expansion Team, was verschiedene Partnerkonstellationen in unterschiedlichen Ländern prüft.

GW: Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten Maßnahmen, die ergriffen werden müssen, damit alle Menschen in Afrika in naher Zukunft einen Stromzugang erhalten können?

KL: Eine Sache vorab: Klar halte ich den Zugang zu moderner Stromversorgung auf jeden Fall für ein wichtiges Puzzleteil, wenn es um Entwicklung geht. Allerdings tendieren wir im Globalen Norden, gerade in der Export-Nation Deutschland dazu, alle Probleme mit Technologie lösen zu wollen, und dafür sind die Realitäten einfach zu komplex. Es gibt es lauter Baustellen, die integriert betrachtet werden sollten. Aber wenn du immer noch wissen willst, was speziell für den Bereich der Solarenergie im Globalen Süden förderlich sein könnte: Dann einmal, dass dezentrale Lösungen auch als Stromversorgung anerkannt werden, nicht nur Netzausbau. Die UN hat da mit dem Multi-Tier Framework einen super Ansatz entwickelt (https://www.esmap.org/node/55526). Und dann ruft das Ingenieur-Herz in mir nach mehr energieeffizienten und bezahlbaren Elektrogeräten: Es kann doch nicht sein, dass ein Tansanier 1000 Euro für seinen mit Gleichstrom betriebenen Kühlschrank zahlen soll, während der mit Wechselstrom betriebene in meiner Küche nur 350 Euro gekostet hat. Global LEAP, ansässig in den Vereinigten Staaten, versucht über Wettbewerbe, mehr Hersteller dazu zu bewegen, in diese Richtung zu arbeiten (http://globalleap.org/awards/) – aber vielleicht fällt uns da noch was Besseres ein, um mehr Unternehmen auf diese Chance hinzuweisen?

GW: Ich danke dir für das Gespräch.


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