Die Rolle von Erneuerbaren Energien bei der Elektrifizierung Afrikas
Blickt man auf ein von der NASA erstelltes Satellitenbild der Erde bei Nacht, wird eines sehr deutlich: Während in großen Teilen der nördlichen Hemisphäre auch nachts Ballungsräume beleuchtet sind, ist Afrika nur punktuell mit Strom versorgt. Besonders groß ist der Mangel in Afrika südlich der Sahara. Die gesamte Stromerzeugungskapazität in Subsahara-Afrika ist mit aktuell ca. 122 Gigawatt (GW) (OECD/IEA, 2017) wesentlich niedriger als die von Deutschland (209 GW) - und das, obwohl in Subsahara-Afrika über eine Milliarde Menschen leben. Ungefähr 600 Millionen Afrikaner*innen haben sogar überhaupt keinen Stromzugang und weitere ca. 780 Millionen müssen zum Kochen und Heizen auf traditionelle Biomasse, also Brennholz und Holzkohle, zurückgreifen. Mehr als 80 Prozent der Menschen in Afrika, die gar keinen Zugang zu moderner Energie haben, leben in ländlichen Regionen. Elektrizität ist aber eine Grundvoraussetzung für Entwicklung und Armutsbekämpfung. Werden die Anstrengungen zur Elektrifizierung besonders in Afrika nicht erheblich beschleunigt, könnte die Zahl der Menschen ohne Stromzugang in Afrika bis zum Jahr 2030 sogar steigen.
Dieser Blogbeitrag möchte beleuchten, welche Rolle Erneuerbare Energien spielen können, um den Zugang zu Strom für alle Menschen in Afrika zu ermöglichen und welche globalen Leitlinien und Ziele dabei Orientierung bieten können.
Globale und regionale Ziele
Für den Stromzugang in Afrika sind insbesondere drei internationale Übereinkommen wichtig, die globale Ziele und Leitplanken für eine nachhaltige Entwicklung vorgeben. Sie werden ergänzt durch eine regionale Übereinkunft, die aus Afrika selbst stammt:
- Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und die dazugehörigen 17 globalen Nachhaltigkeitsziele („Sustainable Development Goals“, SDGs) der Vereinten Nationen geben den Rahmen für eine nachhaltige Entwicklung für alle Länder vor. War ein Ziel für Energie in den „Millennium Development Goals“ (MDGs), dem Vorgänger der SDGs, noch nicht vorhanden, ist mit dem SDG 7 nun explizit der „Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie“1 formuliert. Dieses Ziel hat Überschneidungen und Synergien zu vielen der anderen Ziele. So kann der Zugang zu Strom mittels sauberen Energiequellen das Einkommen von Haushalten und die (landwirtschaftliche) Produktivität insgesamt erhöhen (SDG 1, 2, 8), die medizinische Versorgung verbessern sowie die Luftverschmutzung dramatisch verringern (SDG 3) und die Bildung verbessern, zum Beispiel dadurch, dass Schüler*innen auch in den Abendstunden lesen und lernen können (SDG 4). Darüber hinaus kann SDG 7 auch stark zur Gleichberechtigung der Geschlechter (SDG 5) beitragen, da in großen Teilen Afrikas Frauen traditionell für die Zubereitung von Mahlzeiten verantwortlich sind, was ohne moderne Energiequellen viel Zeit für das Sammeln von Brennholz verbraucht. Wird SDG 7 nicht im vollen Maße erfüllt, drohen auch viele andere SDGs zu scheitern.
- Das Paris-Abkommen gibt u.a. das Ziel vor, die Erwärmung der Erde auf deutlich unter 2°C zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, eine Begrenzung des Temperaturanstiegs auf 1,5°C zu erreichen. Da der Energiesektor der größte Verursacher von Treibhausgasen ist, folgt daraus die Notwendigkeit eines Ausstiegy aus den fossilen und eine Hinwendung zu erneuerbaren Energien. Dieser Herausforderungen stellen sich auch die Staaten Afrikas gestellt, die in ihren im Paris-Abkommen vorgesehenen nationalen Klimaschutz-Beiträgen (Nationally Determined Contributions, NDCs) häufig auch Ziele zum Ausbau der Erneuerbaren Energien formuliert haben.
- Die von den Vereinten Nationen im Jahr 2011 gegründete „Sustainable Energy for All“ (SE4All) Initiative hat sich ebenfalls bis 2030 gegeben, um ihre drei Ziele zu erreichen: Erstens Zugang zu moderner Energieversorgung für alle Menschen zu erreichen, zweitens Energieeffizienzraten zu verdoppeln und drittens den Anteil von Erneuerbaren Energien am globalen Energiemix zu verdoppeln. Die Initiative legt besonders viel Wert auf die Messung von Fortschritten zur Zielerreichung mit einem „Global Tracking Framework“. Einige afrikanische Länder haben im Rahmen der SE4All-Initiative auch nationale Aktionspläne ausgearbeitet.
- Die Agenda 2063 der Afrikanischen Union ist ein strategischer Rahmen, der die sozio-ökonomische Transformation des Kontinents über die nächsten 50 Jahre beschreibt. Das Dokument mit der Überschrift „The Africa we want“ skizziert eine gemeinsame Vision zur Entwicklung Afrikas. Innerhalb der Agenda 2063 werden 17 Maßnahmen („actions“) festgelegt, denen sich die Afrikanische Union und ihre Mitgliedsländer verstärkt widmen möchten. Im Bereich Infrastruktur und Energie wird ebenfalls der Stromzugang für alle Afrikanner*innen mittels moderner, effizienter, verlässlicher, kosten-effektiven, erneuerbaren und umweltfreundlichen Energiequellen2 hervorgehoben.
Diese globalen Vereinbarungen stecken also einen gemeinsamen Referenzrahmen ab, an dem sich nicht nur die Staaten, sondern auch die Industrie und die Zivilgesellschaft in den nächsten Dekaden orientieren sollten. Nimmt man diese Übereinkünfte und Vereinbarungen und die dazugehörigen Ziele ernst, ist klar, dass der Stromzugang für alle Menschen Afrikas nur mittels Erneuerbaren Energien erreicht werden kann.
Neben diesen globalen Vereinbarungen gibt es eine Vielzahl von Umsetzungsinitiativen. Die "Africa Renewable Energy Initiative" (AREI) sticht hier besonders hervor. Die Initiative wurde im Jahr 2015 beim G7-Gipfel in Schloss Elmau von der Afrikanischen Union vorgestellt und von den G7-Staaten unterstützt und beim Klimagipfel in Paris (COP 21) offiziell gestartet. Die Initiative soll bis 2020 zusätzlich 10 GW Erneuerbare Energien in Afrika unterstützen und bis 2030 sogar 300 GW. Verschiedene Geber haben finanzielle Unterstützung für die AREI zugesagt, darunter auch Deutschland mit 3 Milliarden Euro. Die AREI hebt sich von anderen Initiativen ab, da sie eine systemische Perspektive einnimmt: es geht nicht um eine Aneinanderreihung einzelner Projekte, sondern eine Transformation der Energiesysteme. Darüber hinaus wurde die Initiative von Afrikaner*Innen entwickelt und wird von afrikanischen Institutionen, wie der Kommission der Afrikanischen Union, verantwortet und unterstützt. Außerdem denkt die AREI konsequent die Themen Entwicklung, Klimaschutz und Energie zusammen, um mittelfristig allen Afrikaner*Innen den Zugang zu sauberer und moderner Energie ermöglichen sollen. Somit trägt die Initiative direkt zur Erfüllung der SDGs 7 und 13 (Bekämpfung des Klimawandels) bei.
Elektrifizierung ist vielschichtig
Bisher wurde der Zugang zu Strom vor allem als ein binäres Phänomen betrachtet, d.h. es ging um "ja" oder "nein", genauer gesagt "hat Zugang" oder "hat keinen Zugang". Doch dieses Sichtweise ist verkürzt. So ist es gut vorstellbar – und leider auch in vielen afrikanischen Ländern der Fall – das zwar ein Zugang zum Elektrizitätsnetz besteht, aber der Stromtarif zu teuer ist. Auch ist die Stromversorgung oft sehr unzuverlässig, d.h. es kommt häufig zu Stromausfällen, da nicht genügend Kapazitäten vorhanden sind. Außerdem bezieht sich die „traditionelle“ Messung des Stromzugangs vor allem auf Anschlüsse an das Hauptstromnetz. Dies lässt aber die vielfältigen, dezentralen sogenannten „Off-Grid“-Lösungen außer Acht.
Es braucht also einen vielschichtigeren Ansatz, um Elektrifizierung richtig erfassen und verbessern zu können. Ein Ansatz hat sich hier in letzter Zeit als praktikabel herauskristallisiert: Das für SE4All entwickelte „Multi-Tier-Framework“ (MTF) ermittelt den Stromzugang für Haushalte über verschiedenen Ebenen (sog. „Tiers“) und mittels sieben verschiedener Attribute (Kapazität, Dauer, Verlässlichkeit, Qualität, Erschwinglichkeit, Legalität und Gesundheit). Für jede der insgesamt fünf Tiers müssen bestimmte messbare Werte erreicht werden – umso höher die Tier, umso besser ist der Stromzugang und umso anspruchsvoller werden die Anforderungen zur Erreichung der Tiers. So muss z.B. für das Erreichen von Tier 3 mindestens 1 Kilowattstunde (kWh) für acht Stunden am Tag vorhanden sein - in Tier 5 aber schon mindestens 8.2 kWh nahezu ganztägig und ohne größere Unterbrechungen in der Woche. Mit diesem Ansatz entsteht ein viel genaueres Bild der tatsächlichen Lage. Die Daten, die meist durch recht umfangreiche Befragungen ermittelt werden, können dann zur genaueren Bestimmung de erforderlichen Maßnahmen genutzt werden. Aber welche der fünf Tiers sollte als Ziel formuliert werden? Hierauf kann man keine eindeutige Antwort geben, da es stark von den lokalen Gegebenheiten abhängig ist, welche Zielmarke realistisch ist. Es besteht jedoch ein Konsens unter vielen NGOs, dass mindestens Tier 3 erreicht werden sollte (CAFOD et al., 2015). Und natürlich gilt: Je höhere Tiers erreicht werden, desto besser.
Optionen für die Elektrifizierung Afrikas
Es können grob zwei unterschiedliche Wege für den Ausbau des Stromzugangs in Afrika unterschieden werden – bei beiden spielen Erneuerbare Energien schon heute eine wesentliche Rolle. Der eher herkömmliche Weg ist der Ausbau des zentralen Stromnetzes und der Zubau von Großkraftwerken, um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden. Das Potential von modernen Erneuerbaren Energien ist auf dem Kontinent enorm und bisher noch kaum genutzt. Einige Regionen besitzen sehr gute Voraussetzungen für Wind und Solar, andere können auf Wasserkraft oder Geothermie setzen. Möchte man Großkraftwerke, die meist mit dem Hauptstromnetz verbunden werden, zur Elektrifizierung nutzen, muss natürlich auch das Netz in die ländlichen Regionen hinein erweitert werden. Dies gestaltet sich aber schwierig, da es vergleichsweise kostspielig sein kann und die Energieversorgungsunternehmen oft mit wenig Geld oder ohnehin schon defizitär operieren. Wesentliche Faktoren, um zu ermitteln, ob diese Option überhaupt möglich erscheint, sind die Entfernung der Siedlungen zum schon bestehenden Stromnetz, die geographischen Gegebenheiten, die Siedlungsstruktur (eher relativ geballt oder eher weit auseinander liegend) sowie die vorhandenen finanziellen Möglichkeiten der ländlichen Bevölkerung, um den Stromtarif und gerade die Anschlusskosten überhaupt aufbringen zu können. Daher sieht die Bilanz, der mit diesem Ansatz erreichten Elektrifizierungsquote relativ schlecht aus. Laut verschiedener Szenarien (IEA, 2017; WEC) müsste die ländliche Bevölkerung oft noch Jahrzehnte auf einen Anschluss warten, wenn dieser überhaupt jemals realisiert wird.
Neben diesen „klassischen“ Weg treten in letzter Zeit – auch begünstigt durch die stark fallenden Preise im Bereich der Erneuerbaren Energien und immer effizienteren Endgeräten (IRENA, 2017; REN21, 2017) – die sogenannten „Off-Grid“-Optionen. Diese benötigen keinen Anschluss an das zentrale Stromnetz. Sie reichen von Pico-Photovoltaik-Systemen, die oft nur im 1 – 10 Watt Kapazität bieten über sogenannten "Solar Home Systems" bis hin zu „Micro-“ oder „Mini-Grids“.
Die kleinsten Systeme ermöglichen aufgrund ihrer sehr geringen Kapazität nur grundlegende Energieserviceleistungen. Solche Solarlampen („Solar Lanterns“) oder „Solar Kits“ ermöglichen z.B. das Betreiben von ein paar Glühbirnen und/oder das Aufladen eines Handyakkus oder den Betrieb eines Radios. Größere Anwendungen wie das Nutzen von Elektrizität zum Betreiben von Geräten im landwirtschaftlichen, kommerziellen oder industriellen Bereich, sind mit diesen Optionen aber kaum möglich. Sie sollten daher nur als der „erste Schritt“ (entsprechend der Tier 1) hin zu einer ausreichenden Energieversorgung betrachtet werden. Jedoch bedeutet auch schon dieser kleine Fortschritt eine Verbesserung. So wird z.B. das Bedürfnis nach Kommunikation (Aufladen von Handys) oder Informationen (Radio sowie das Lesen auch in Abendstunden) erfüllt. Die nächst größeren solaren Heimsysteme, die oft aus einem oder mehreren fest installierten PV-Modulen auf dem Dach und ggf. einer kleinen Batterie bestehen, bieten schon etwas mehr Leistung und können bereits Tier 1 – 3 ermöglichen. Der Vorteil: sie sind vergleichsweise schnell installiert und – durch innovative Bezahl- und Mietoptionen (sog. "Pay-as-you-go-Modelle") auch für viele Menschen in ländlichen Regionen erschwinglich.
Um noch höhere Tiers zu erreichen, reichen aber auch diese Systeme nicht mehr aus. Hier kommen „Mini-Grids“ zum Zug. Sie sind im Prinzip ein eigenes, kleines Inselstromnetz mit dazugehörigen Speichern und kleinen Kraftwerken (z.B. in Form von größeren Solarmodulen, einem kleinen Wind-. Biomasse- oder Wasserkraftwerk). Mini-Grids können schon Kapazitäten im Bereich von mehreren Megawatt (MW) erreichen und eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung der angeschlossenen Haushalte ermöglichen. Oft sind sie – da die Kapazitäten genau auf den Bedarf abgestimmt werden können – sogar verlässlicher als eine Versorgung über das zentrale Hauptstromnetz. Da es sich aber bei Mini-Grids schon um erheblich größere, kapitalintensive Investitionen handelt, kommen sie noch nicht überall in Frage. Die größte Herausforderungen ist es, eine Balance zu erzielen zwischen den Stromkosten - diese dürfen nicht zu hoch sein, damit sie für die Bevölkerung erschwinglich bleiben - und den Gewinnen der Projektentwicklern - diese müssen hoch genug sein, damit sich der Aufbau und die Instandhaltung für sie und ihre Investoren rechnet. Bisher wurden Mini-Grids meist durch staatliche Gelder von internationalen Gebern realisiert (Smart Villages, 2017). Für eine massenhafte und flächendeckende Anwendung würde es aber helfen, wenn auch der private Sektor hier investieren würde.
Eine gute Balance zwischen den beiden genannten Faktoren, Stromkosten auf der einen und Gewinn auf der anderen Seite, kann gefunden werden, wenn die Auslastung des Mini-grids möglichst hoch ist. Betrachtet man nur die Haushalte, ergeben sich verteilt über den Tag nur einige, wenige Lastspitzen (z.B. zur Mittagszeit und besonders am Abend). Diese müssen mindestens befriedigend werden, um einen verlässlichen Stromzugang zu gewährleisten. Der Nachteil dieser "Peaks" ist, dass das Mini-Grid nur wenige Stunden am Tag wirklich ausgelastet ist, trotzdem aber für die hohen Peaks entsprechend dimensioniert werden muss. Schafft man es, die Nachfrage und damit die Auslastung des Mini-Grids möglichst gleichmäßig über den Tag zu erhöhen, ist die Amortisationszeit für das Mini-Grid wesentlich kürzer. Erreicht werden kann die bessere Auslastung von Mini-Grids z.B. dadurch, dass Kleinstbetriebe Strom abnehmen oder öffentliche Infrastruktur - eine Schule, ein kleines Krankenhaus - durch das Mini-Grid versorgt werden. Hieraus ergibt sich also der optimale Anwendungsbereich für Mini-Grids: Regionen, die zu weit vom Hauptnetz entfernt liegen, aber trotzdem eine relativ hohe Nachfrage besitzen. Zwei weitere Faktoren sind für die Implementierung Mini-Grids wichtig. Zum einen müssen Kapazitäten und Fähigkeiten in ländlichen Gebieten vorhanden sein, um die Netze auch zu warten und instand zu halten. Die dafür nötigen Spezialisten müssen speziell im ländlichen Raum ausgebildet und geschult werden. Darüber hinaus muss die Frage gesetzlich und regulatorisch geklärt sein, was passiert, wenn in einiger Zeit doch das Hauptstromnetz das Gebiet des Mini-Grids erreicht. Letzter Punkt ist wichtig, um Projektentwicklern Sicherheit zu geben.
Verschiedene internationale Organisationen, wie IRENA oder die IEA, sind sich darüber einig, dass Mini-Grids in vielen Fällen die besten Möglichkeiten zur Elektrifizierung der ländlichen Bevölkerung Afrikas darstellen. In allen Szenarien spielen gerade auf Solarenergie beruhende Optionen eine tragende Rolle.
Maßnahmen zur Erhöhung des Stromzugangs mit Erneuerbaren Energien
Der Weg zur Erreichung des Ziels eines modernen und sauberen Stromzugangs für alle Afrikanner*Innen - und damit verbesserte Entwicklungsmöglichkeiten für den gesamten Kontinent - ist noch ein langer. Anstrengungen müssen nahezu auf allen Ebenen intensiviert werden, möchte man SDG 7 bis 2030 erreichen. Zunächst gilt es daher, die Rahmenbedingungen für Erneuerbare Energien insgesamt zu verbessern, um deren enormes Potential auf dem afrikanischen Kontinent voll abzuschöpfen.
Sehr wichtig ist der Abbau von Subventionen für fossile Energien, die den Markt stark zu ungunsten von Erneuerbaren Energien verzerren. Subventionen müssen sozialverträglich, d.h. unter besonderer Beachtung der ärmsten Bevölkerungsgruppen, schrittweise abgebaut werden. Stabile Rahmenbedingungen auf gesetzlicher und regulatorischer Seite, bspw. durch Erneuerbare-Energien-Gesetze und Einspeisetarife, die den Zugang zum Netz sowie mögliche Prämien für die Erzeugung von Erneuerbaren Strom regeln, sind essentiell. In letzter Zeit haben sich auch Erneuerbare-Energien-Auktionen etabliert, bei denen eine bestimmte Kapazität an Erneuerbaren Strom von staatlicher Seite ausgeschrieben wird, die es umzusetzen gilt. Den Zuschlag erhält dann der Anbieter, der zum günstigsten Preis liefern kann. In einigen afrikanischen Ländern, z.B. in Marokko für Windenergie und Sambia für Solarenergie, konnten dadurch Tiefstpreise für Erneuerbare Energien erreicht werden. Gemeinsam mit ambitionierten Ausbauzielen für Erneuerbaren Energien tragen solche Mechanismen zur Investitionssicherheit bei und damit zur Reduzierung der Risiken für mögliche private Investoren.
Ziele, die sich viele afrikanische Länder gesetzt haben, müssen aber auch in der Realität umgesetzt werden. Dies schließt den Aufbau vom nötigen Know-How auf Implementierungsebene und ein Bewusstsein über die vielfältigen Co-Benefits von Erneuerbaren Energien bei politischen Entscheidungsträgern mit ein. Da es sich bei Investitionen im Stromsektor und die dazugehörige Planung oft um sehr langfristige Zeiträume handelt, muss darüber hinaus heute für die Energieversorgung von morgen gedacht und dementsprechend gehandelt werden. Im Bereich der Erneuerbaren Energien hat sich in den letzten Jahren ein drastischer Preisverfall gezeigt und es gibt derzeit keine Anzeichen dafür, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren nicht fortsetzt. Daher gilt es einen fossilen „Lock-In“ zu verhindern und sich von der fossilen Energieerzeugung loszusagen. Die Integration von höheren Anteilen von fluktuierenden Erneuerbaren kann bspw. durch grundlastfähige Erneuerbare Energien (Wasser, Biomasse, Solarthermie) oder durch eine bessere Vernetzung mit anderen Ländern bewerkstelligt werden. Viele afrikanische und auch nicht-afrikanische Länder stehen dabei derzeit vor ähnlichen Herausforderungen im Energiesektor. Erfahrungen und Wissen sollten daher grenzüberschreitend geteilt werden, sowohl was politische Rahmenbedingungen, gesetzliche Regeln, Business-Modelle angeht als auch die Umsetzung von Großkraftwerken vor Ort und damit verbundenen Einbeziehung der lokalen Bevölkerung.
Außerdem sollte sich das Ziel des Energiezugangs für alle auch in den staatlichen Energieplänen Afrikas widerspiegeln, z.B. mit genauen Zielmarken, orientiert an den Tiers des MTF und unter Einbeziehung der verschiedenen Optionen. Ziele sollten aufzeigen wie (On- oder Off-grid) und wann die unterschiedlichen Regionen einen Stromzugang erhalten sollen. Da es sich bei der ländlichen Elektrifizierung um ein Thema handelt, dass viele verschiedene Bereiche betrifft - Energiesektor, Planung, ländliche Entwicklung - kann es zweckmäßig sein, eine eigenständige Behörde ("Rural Electrification Authority") zu etablieren. Diese muss natürlich mit den nötigen finanziellen und personellen Ressourcen ausgestattet sein. Zudem ist es wichtig, die Regularien im Off-grid-Bereich möglichst einfach zu halten, um den administrativen Aufwand so gering wie möglich zu gestalten. Für die Entwicklung des Off-Grid-Bereichs sind bestimmte rechtliche Rahmenbedingungen elementar wichtig, die z.B. einem privaten Projektentwickler überhaupt das Recht zu geben, Mini-Grids aufbauen und Strom an Endkunden verkaufen zu dürfen ("Licensing"), Regeln für die Berechnung eines Off-grid-Stromtarifs vorgeben (dieser sollte "fair" für beide Seiten sein, d.h. erschwinglich für die Bevölkerung, aber trotzdem auch ökonomisch-nachhaltig für den Projektbetreiber sein) und vorgeben, was im Falle des "Eintreffens" des Hauptstromnetz mit dem Mini-Grid passiert (Wird der Projektentwickler entschädigt? Kann er zukünftig den produzierten Strom an einen anderen Stromerzeuger verkaufen? Wenn ja, unter welchen Bedingungen?). Nichts zuletzt sollten Qualitäts- und Wartungstandards geregelt werden.
Es ist wichtig, die Bevölkerung angemessen in die Planung mit einzubeziehen. Schließlich können die Menschen vor Ort am besten einschätzen, wie hoch ihr Bedarf sein könnte und was sie bereit sind, für den Stromzugang zu bezahlen. Bewusstseins- und Kapazitätsbildende Maßnahmen sind hier wichtig, um die Vorteile der Mini-Grids für die lokale Bevölkerung nachvollziehbar zu machen und Menschen auszubilden, die das Mini-Grid warten. Auch andere Akteure, wie Investoren, Projektentwickler, lokale Entscheidungsträger usw., sollten in die Planung miteinbezogen werden. Die Planung für Mini-Grids sollte auch gezielt die Möglichkeiten von vielleicht schon vorhandenen Kleinstbetrieben zur Auslastung von Mini-Grids ausloten (Kann sich z.B. ein Bauer vorstellen, zukünftig eher auf Strom von Mini-Grid anstatt auf seinen Dieselgenerator zu setzen? Wenn ja, wie hoch wäre der Bedarf und was wäre er/sie bereit dafür zu zahlen? Welche anderen Möglichkeiten gibt es in der Siedlung für produktive Anwendungen des Stroms). Dies geschieht natürlich am besten in enger Kooperation mit der lokalen Bevölkerung und durch Unterstützung bei der Ausarbeitung von möglichen Business-Plänen, die das Potential und die Vorteile des Mini-Grid-Stroms aufzeigen.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil zur Förderung von Mini-Grids ist die Mobilisierung von Kapital zur Finanzierung von Projekten. Internationale und bilaterale Töpfe zur Förderung von Erneuerbaren Energien sind noch immer häufig auf Großprojekte ausgerichtet. Diese stellen für kleinere Projektentwickler oft unüberbrückbare administrative Hürden dar oder sind schlicht für kleinere Projekte nicht geeignet. Auch sind Banken noch zögerlich, was Kredite für Mini-Grids angeht, da bisher noch großflächige Erfahrungen in diesem Marktsegment fehlen. Hier muss mit speziell auf Mini-Grids abgestimmte Programme nachgebessert werden, die etwa Teile des Investitionsrisikos durch bilaterale oder internationale Gelder abfedern. Im Bereich der Kleinstsysteme ("Solar lanterns", "Solar Home Systems") kann nachgeholfen werden, wenn z.B. die gesetzliche Umsatzsteuer ("value-added tax") oder Zölle auf diese Geräte verringert oder sogar ganz gestrichen werden, da die Mehrheit der Geräte in Afrika aus dem Ausland importiert wird. Dies macht dann natürlich den Endpreis für die ländliche Bevölkerung Afrikas erschwinglicher. Hier sollten internationale Qualitätsstandards eingehalten und vereinbart werden und gerade auf effiziente Endgeräte (z.B. LED-Lampen der neuesten Generation), die einen sehr geringen Strombedarf haben, gesetzt werden.
Umsetzungsinitiativen, wie die Africa Renewable Energy Initiative, die auch auf ländliche Elektrifizierung zielen, müssen von Gebern wie Deutschland auch über das Jahr 2020 hinaus finanziell unterstützt werden. Geberländer dürfen sich nicht von kurzfristigen Verzögerungen, die durchaus normal in der Aufbau- und Findungsphase einer Initiative sind, abschrecken lassen.
Das sog. "Leapfrogging", also das Überspringen von bestimmten Entwicklungsstufen, ist in Afrika in einigen Bereichen Realität. So wurde zum Beispiel das in der nördlichen Hemisphäre etablierte Modell des Festnetzes für Telefonverbindungen in einigen Ländern fast komplett übersprungen und gleich auf die heute üblichen Mobilfunknetze gesetzt. Dies gilt es nun auch im Bereich der Energieversorgung zu erreichen und das fossile Zeitalter weitestgehend zu überspringen und gleich auf die sauberen, modularen und immer günstiger werdenden Erneuerbaren Energien mit ihren vielen Vorteilen für Klima und Luftreinheit, Energiesicherheit sowie Arbeitsplätzen zu setzen.
Mit finanzieller Unterstützung von Brot für die Welt. Für den Inhalt trägt Germanwatch die Verantwortung.