Wie kann die Ukraine ihren Strukturwandel sozial und ökologisch verträglich gestalten?
Kohlekumpels in einem noch arbeitenden Bergwerk im Kohlestädtchen Dobropolje (Donbass) im Sommer 2016 während einer Germanwatch-Delegationsreise. Hier hat vor zwei Jahren die neue Schließungswelle von ukrainischen Kohleschächten begonnen. (Foto: Germanwatch e.V.)
Germanwatch diskutierte am 08.11. in der Europäischen Akademie Berlin mit deutschen und ukrainischen ExpertInnen, wie Kohleausstieg und Strukturwandel in der Ukraine gelingen können. Die Diskutanten sahen gute Chancen für die Transformation einer der größten Kohleindustrien Europas. Germanwatch will mit dem neuen Projekt "Eine Multiakteurspartnerschaft für den Strukturwandel im Donbass" einen Beitrag zum sozial und ökologisch verträglichen Strukturwandel leisten.
50 ukrainische und deutsche Teilnehmende diskutierten die Frage "Wie weiter mit der Kohle? Energiepolitik und Strukturwandel in der Ukraine". Auf dem Podium sprachen Oldag Caspar (Teamleiter Deutsche und Europäische Klimapolitik bei Germanwatch), Timon Wehnert (Wuppertal Institut) und Oleg Savitsky, etablierter Klima- und Energieexperte aus der Ukraine.
Oldag Caspar betonte, dass die UN-Staaten bei den Klimakonferenzen in Bonn und Paris klare Zeichen für grenzübergreifende und akteursübergreifende Zusammenarbeit gesetzt hätten. Diese sei besonders wichtig für eine sozial und ökologisch verträgliche Gestaltung des Kohleausstiegs. Das neue Germanwatch-Projekt "Eine Multiakteurspartnerschaft für den Strukturwandel im Donbass" setze hier an. Germanwatch bringt deutsche und ukrainische Akteure zusammen, die in einem Netzwerk eine Vision und Modellprojekte für den Strukturwandel der Donbass-Region entwickeln. Caspar unterstrich auch, dass die ukrainische Regierung bei den Verhandlungen der COP 23 in Bonn durch einen verbesserten nationalen Umsetzungsplan (NDC) einen guten Beitrag zum Klimaschutz leisten und sich auch international als Vorreiter positionieren könne.
Oleg Savitsky sah positive Faktoren für den Strukturwandel in seinem Land. Die Ukraine mache Fortschritte im Bereich der Gesetzgebung zur Förderung Erneuerbarer Energien, z. B. zur Zertifizierung und Förderung von energieeffizientem Häuserbau. Eine große Herausforderung bleibe jedoch die Entflechtung des ukrainischen Energiemarktes. Dieser sei stark durch Monopole und Quersubventionen geprägt.
Timon Wehnert beleuchtete die deutschen Erfahrungen mit dem Strukturwandel und dessen politischer Gestaltung. Der Strukturwandel verlaufe in Etappen und sei auch noch nicht abgeschlossen. Noch heute seien in Deutschland etwa 22.000 Menschen in der Kohleindustrie beschäftigt. Für diese Menschen brauche es eine Aus- und Umstiegsperspektive. In den 1950er Jahren seien jedoch noch etwa 750.000 Arbeitende im Sektor beschäftigt gewesen. Deutschland habe somit einige Etappen des Strukturwandels erfolgreich bewältigt, der vollständige Braunkohleausstieg stehe aber noch bevor.
Die Ukraine ihrerseits habe durchaus Chancen, ihren Strukturwandel erfolgreich zu gestalten, fand Oldag Caspar - auch in der sozial und wirtschaftlich gebeutelten Donbass-Region. Es gebe z. B. eine Produktionsstätte für Windgeneratoren, profilierte Wissenschaftler und gut ausgebildete Menschen. Damit kämen mehrere Voraussetzungen für einen ökologisch und sozial verträglichen Strukturwandel zusammen.
Das Projekt "Eine Multiakteurspartnerschaft für den Strukturwandel im Donbass" wird gefördert von Engagement Global aus Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Die Veranstaltung der Europäischen Akademie fand stand im Rahmen des Projekts AGREE.
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