Klima schützen – Kohle stoppen!
Klima schützen – Kohle stoppen!
Die letzten Monate haben gezeigt, was es bedeutet, wenn tropische Wirbelstürme an Heftigkeit zunehmen und – ebenso wie ein stärkerer Monsun in Südasien – mehr Regenrekorde mit sich bringen. Gleichzeitig war es in der Arktis letztes Jahr mehr als fünf Grad Celsius zu warm. Im globalen Durchschnitt waren 2014, 2015 und 2016 die wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Diese heute spürbaren Auswirkungen des Klimawandels sind nur ein Vorgeschmack auf die zu erwartenden Konsequenzen, wenn die Klimakrise sich weiter zuspitzt. Deshalb ist jetzt die Zeit zu handeln. Darum geht es beim UNKlimagipfel vom 6. bis 17. November in Bonn und bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin. Die Welt schaut beim Klimaschutz dieses Jahr auf Deutschland – so scharf, wie schon lange nicht mehr.
Und was bei der Klimapolitik in Deutschland zu sehen ist, ist blamabel: Bei den Vereinten Nationen, G7- und G20-Gipfeln setzt sich die Bundeskanzlerin oft für ehrgeizige Ziele ein, zuhause aber scheut sie bislang die notwendigen Schritte, um diese tatsächlich umzusetzen. In China sinken die Emissionen. Die Niederlande, Großbritannien, Kanada und andere Länder planen den Kohleausstieg. Deutschland aber, wo die Treibhausgasemissionen seit 2009 nicht gefallen sind, droht seine Klimaziele für 2020 krachend zu verfehlen. Es sei denn, die neue Bundesregierung nimmt den Klimaschutz von Anfang an endlich ernst. Dazu müssten insbesondere kurzfristig die dreckigsten Kohlekraftwerke abgeschaltet werden (siehe Infokasten Kohle).
Die Staatengemeinschaft hat sich 2015 mit dem Pariser Klimaabkommen auf ehrgeizige Ziele verpflichtet. Insbesondere soll der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur gegenüber den Temperaturen vor Beginn der Industrialisierung auf deutlich unter zwei Grad, wenn möglich sogar 1,5 Grad Celsius, begrenzt werden. Doch die bisher vorliegenden nationalen Klimaschutzzusagen würden die globale Erwärmung nur auf etwa drei Grad begrenzen, selbst wenn sie vollständig umgesetzt würden. Deshalb ist jetzt die Zeit zu handeln! Es gilt, den in Paris gesetzten Rahmen mit Leben zu füllen.
Zeit zu handeln heißt für die internationalen Verhandlungen, dass strenge Umsetzungsregeln für das Abkommen formuliert werden müssen, die es wahrscheinlicher machen, dass Ziele eingehalten werden. Das ist die Aufgabe des Klimagipfels in Bonn, der 23. Vertragsstaatenkonferenz COP23 (s. "Was steht bei der COP23 auf der Tagesordnung?"). Es ist der erste Klimagipfel, der unter dem Vorsitz eines kleinen Inselstaates, nämlich der Fidschi- Inseln, ausgerichtet wird. Staaten wie Fidschi, die existentiell vom Klimawandel bedroht sind, fordern mehr finanzielle Unterstützung für die Anpassung an den Klimawandel und für den Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten. Gleichzeitig fordern die verletzlichsten Staaten mehr Klimaschutz, denn sonst drohen Auswirkungen, die selbst mit enormer finanzieller Hilfe nicht bewältigbar wären. 48 besonders betroffene Entwicklungsländer haben sich verpflichtet, ihre Energiesysteme schon zwischen 2030 und 2050 auf 100 Prozent Erneuerbare Energien umzustellen. Die pazifischen Inselstaaten fordern in der 2015 unter der Führung Fidschis verabschiedeten Suva- Deklaration ein internationales Moratorium für neue Kohlebergwerke.
Zeit zu handeln heißt für nationale Regierungen jetzt, Prozesse zu starten, um ihre Klimaziele so zu verschärfen, dass sie zu den globalen Zielen des Pariser Abkommens passen. Vor allem aber müssen sie bestehende Ziele auch wirklich umsetzen. Und genau hier hapert es in Deutschland ganz besonders. Nach einem guten Start mit der Energiewende haben die Bundesregierungen unter Angela Merkels Führung den Mut verloren, Deutschland auf einen Pfad zu bringen, mit dem es seine Klimaziele erreicht. Jetzt kommt es auf die Koalitionsverhandlungen an. Noch kann Deutschland die Großblamage einer massiven Verfehlung seines Klimaziels für 2020 abwenden. Doch dafür bedarf es jetzt Schritten, zu denen man politischen Mut braucht. Die Hälfte der Kohlekraftwerke muss in den nächsten Jahren vom Netz – das ist möglich, bedarf aber des politischen Mutes. Es geht aber auch um den konsequenten Einstieg in die Wärmedämmung unserer Häuser, um eine Verkehrswende, bei der es um mehr als Elektroautos geht, um einen Umbau der Landwirtschaft sowie um die Einleitung der Transformation der Schwerindustrie. Sollte die neue Bundesregierung diese Themen verschlafen, wird es in vier Jahren für das 2030-Ziel ähnlich schlecht bestellt sein wie heute für das 2020-Ziel.
Lutz Weischer & Christoph Bals