Klimawandel als Fluchtgrund ernst nehmen
Ob Dürre, Flut oder Wirbelsturm: Wer wegen der Folgen von Klimawandel und Naturkatastrophen seine Heimat verliert, steht ohne rechtlichen Schutz da. Der Gipfel des Globalen Forums für Migration und Entwicklung in Berlin muss konkrete Vorschläge erarbeiten, die in einen weltweiten Pakt münden sollen.
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, sein marokkanischer Kollege Nasser Bourita und Entwicklungsminister Gerd Müller begrüßten Mitte der Woche Delegierte aus der ganzen Welt zum zehnten Gipfel des Globalen Forums für Migration und Entwicklung, den sie gemeinsam in Berlin ausrichten. Das GFMD, so die englische Abkürzung, ist ein informeller Prozess, bei dem keine verbindlichen Beschlüsse gefasst werden können. Aber es ist einer der wenigen Orte, an dem offizielle Vertreter der Regierungen zusammenkommen, um über Fragen rund um Migration zu beraten.
Auf der Tagesordnung des am heutigen Freitag endenden Treffens steht auch die Situation der Menschen, deren Heimat durch die Folgen von Klimawandel und Naturkatastrophen wie Dürren, Überschwemmungen oder Stürmen bedroht wird. Naturkatastrophen haben allein 2015 mehr als 19 Millionen Menschen vertrieben.
Die GFMD-Diskussionen sollen in die Arbeit zum weltweiten Pakt über Migration der Vereinten Nationen einfließen, der im Herbst 2018 verabschiedet werden soll. Mit dem Pakt wollen sich die UN-Mitgliedsstaaten auf einen gemeinsamen Rahmen für die internationale Kooperation im Bereich von Migration und menschlicher Mobilität einigen. Ein gemeinsames Verständnis, Prinzipien und Vereinbarungen sollen die Koordinierung internationaler Migration verbessern.
Was den Klimawandel als Treiber von Migration und Flucht betrifft, kann das GFMD nun Vorschläge für den Pakt entwickeln, wie mit den Herausforderungen umgegangen werden sollte, die mit fortschreitendem Klimawandel zunehmen werden.
Offiziell gibt es keine Klimaflüchtlinge
Der Klimawandel muss als Migrations- und Fluchtursache ernst genommen werden, denn zurzeit besteht für die Betroffenen eine Schutzlücke. Wenn Menschen durch klimabedingte Umweltveränderungen vertrieben werden und ihre Heimatländer verlassen müssen, fehlt ein rechtlicher Status, der ihren Schutz sichert. Die Genfer Flüchtlingskonvention schützt Menschen, die aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung verfolgt werden – (klimabedingte) Umweltveränderungen sind kein anerkannter Fluchtgrund.
In den vergangenen Jahren hat diese Herausforderung aber zunehmend Beachtung und Erwähnung auf verschiedenen UN-Konferenzen, zum Beispiel zur Reduzierung von Katastrophenrisiken, zur humanitären Hilfe und zu den Klimaverhandlungen, gefunden. Wichtig für die künftige Arbeit ist eine gute Abstimmung zwischen diesen Prozessen.
Der Schutz für Betroffene kann auf verschiedenen Wegen verbessert werden. Zum Beispiel durch die Ausweitung bilateraler Lösungen, etwa die zumindest zeitweise Aufnahme von Menschen aus anderen Ländern nach Naturkatastrophen, die als Vorbild für andere Staaten dienen können. Oder auch durch eine Ausweitung der Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und zur Verbesserung des Klimarisiko-Managements in betroffenen Regionen und eine größere (finanzielle) Unterstützung dafür.
Denn zumeist sind ärmere Länder im globalen Süden, die sehr wenig zum menschengemachten Klimawandel beigetragen haben, hier besonders bedroht. Die Staaten des globalen Nordens, die historisch gesehen die größten Emittenten von Treibhausgasen sind, tragen deshalb eine besondere Verantwortung, Unterstützung bereitzustellen.
Erste Schritte zum Schließen der Schutzlücke
Ansätze dieser Art werden zum Beispiel im Rahmen der Platform on Disaster Displacement (PDD) bearbeitet. Die PDD ist aus der norwegisch-schweizerischen "Nansen Initiative" hervorgegangen, die sich als erster zwischenstaatlicher Prozess mit Schutzmöglichkeiten für Menschen auseinandergesetzt hat, die aufgrund von Naturkatastrophen im Kontext des Klimawandels vertrieben werden und dabei ihre Heimatländer verlassen müssen.
Die Ergebnisse wurden 2015 in Form einer "Schutzagenda" veröffentlicht. Die Schutzagenda enthält sowohl Empfehlungen, wie Staaten Vertreibungen durch Naturkatastrophen besser vorbeugen können, als auch Vorschläge zum Umgang mit Menschen, die Zuflucht suchen. Dabei bezieht sie die unterschiedlichen Herausforderungen in verschiedenen Weltregionen ein.
Über 100 Staaten unterstützen die Schutzagenda. Auch wenn sie freiwilliger Natur ist, hat die Initiative grundlegende erste Schritte zum Schließen der Schutzlücke eingeleitet. Die PDD hat sich nun der Umsetzung dieser Schutzagenda verschrieben.
Als eine Folge des Pariser Klimagipfels und in Abstimmung mit der PDD hat auch eine neue Arbeitsgruppe zu Vertreibung, die Task Force on Displacement, ihre Arbeit aufgenommen und das Thema damit stärker in der internationalen Klimaarchitektur verankert. Die internationalen Experten sollen bis zum kommenden Jahr konkrete Empfehlungen erarbeiten, wie klimabedingter Vertreibung vorgebeugt werden kann und wie mit ihr umzugehen ist.
Keine Lösung ohne echten Klimaschutz
Damit sind wichtige Grundsteine gelegt, um die Schutzlücke zu schließen. Doch entscheidend wird sein, wie Empfehlungen in konkrete Regelungen übergehen und wie diese international verbindlicher gemacht werden können. Alle Staaten müssen ihren bestehenden menschenrechtlichen Verpflichtungen nachkommen, um Betroffene zu schützen. Mehr Unterstützung für Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und für ein besseres Klimarisiko-Management sind dafür ebenso wichtig wie die Betroffenen in die Diskussion und Entwicklung von Lösungsmöglichkeiten einzubinden.
Die Grundlage für die Vermeidung klimabedingter Migration ist und bleibt anspruchsvoller Klimaschutz. Hier klafft noch eine große Lücke zwischen dem gegenwärtigen Emissionsniveau und dem notwendigen Level, um einen gefährlichen Klimawandel zu verhindern.
- Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.klimaretter.info -