Kann China wirklich global die Führung übernehmen im Kampf gegen den Klimawandel?
Im Jahr 2011 erlebte Peking ein radikales Erwachen: Erstickender Smog hing tagelang über Nordchina und die Bürgerinnen und Bürger ließen ihrem Frust in den sozialen Netzwerken freien Lauf. Dieser öffentliche Ausbruch befeuerte einen Kampf gegen die Luftverschmutzung, der zu Inspektionen von Emissionen und staatlicher Luftqualitätsüberwachung führte sowie zu einem Rückgang des Kohleverbrauchs über drei Jahre hinweg.
Aktuell, gerade als die Trump-Regierung aus dem Pariser Klimaabkommen austritt, läuft eine weitere große Entwicklung in China. Diese jedoch scheint von den politischen Entscheidungsträgern selbst auszugehen. Diskussionen in Peking lassen vermuten, China werde sich als globaler Klima-Vorreiter positionieren.
"China bleibt den internationalen politischen Vereinbarungen zum Klimawandel weiterhin verpflichtet, wird diese fördern und sich aktiv am multilateralen Klima-Prozess beteiligen", sagte Hua Chunying, Sprecher des Außenministeriums, am Tag vor Trumps Ankündigung.
Chinas vergangene Klimainitiativen wurden in enger Zusammenarbeit mit den USA realisiert. Im Jahr 2015 waren die Diplomaten des Landes für die Ausarbeitung des Pariser Abkommens entscheidend. Im darauffolgenden Jahr nutzte China seine G20-Präsidentschaft, um das beispiellos schnelle Inkrafttreten des Vertrages zu gewährleisten.
Doch nur drei Monate nach Trump‘s Amtsantritt wollen Chinas Politiker eine noch bestimmendere Rolle am Tisch einnehmen - den Platz, der durch Trumps Entscheidung jetzt frei wird. Wenn Xi Jinpings hochkarätige Davos-Rede eine Verteidigung der hart umkämpften Klimaschutzkooperation war, dann kann die jüngste Rede Chinas bei den Vereinten Nationen, die eindeutig von ganz oben abgesegnet war, als Leitplan für die Beanspruchung einer umfassenden Führungsrolle im Klimabereich gesehen werden.
Gehalten von Liu Jieyi, dem chinesischen Botschafter bei den UN in New York, unterstrich die Rede die Unterstützung des Landes bei der vollständigen und wirksamen Umsetzung des Pariser Abkommens. Liu versicherte, dass Chinas Emissionen ihren Höchststand "bis" 2030 und nicht mehr wie zuvor festgelegt "um" 2030 erreichen würden, ein wichtiger Schritt nach vorn von Chinas nationalem Klimabeitrag (Nationally Determined Contribution, NDC). In einer Geste multilateraler Diplomatie bot Liu an, "Chinas Vorschläge" bei den diesjährigen UN-Klimaschutzverhandlungen vorzustellen, um Differenzen in nationalen Positionen zu einigen der umstrittensten Fragen zu überbrücken.
Darüber hinaus hat Chinas nationale Klimapolitik ihr eigenes Führungspotenzial gezeigt. Die CO2-Emissionen des Landes stagnieren seit drei Jahren in Folge und im Jahr 2016 sank die Zahl der Genehmigungen neuer Kohlekraftwerke um 85 Prozent. China investiert in absolutem Rekord-Tempo in erneuerbare Energien und führt derzeit die weltweite Liste der höchsten installierten Kapazität für sowohl Wind- als auch Solarenergie an.
Aber Pekings aufstrebende Anwärter auf die Klima-Führungsrolle müssen eine veraltete Rhetorik mit zunehmend ehrgeizigen Handlungen in Einklang bringen. In einem Land, in dem lange die Strategie dominierte "wir verbergen unsere Fähigkeiten und warten den richtigen Augenblick ab", ist der Entwurf eines Fahrplans zur globalen Klima-Führerschaft ein ehrgeiziges Unterfangen. Und während Chinas Klima-Vorreiter zu Hause weiterhin Fortschritte erzielen, müssen sie gleichzeitig dem Land helfen, sein Führungspotenzial im Ausland zu entfalten.
Chinas Bemühungen wurde mit Skepsis begegnet. Die BürgerInnen des Landes ersticken noch immer im Smog und China ist bei weitem der größte CO2-Emittent des Planeten. Obgleich das Kohlefieber im Inland gesunken zu sein scheint, finanzieren chinesische Unternehmen weiterhin Kohlekraftwerke in Übersee. Aber die klimapolitische Führungsrolle Chinas zu unterstützen bedeutet, diese Probleme zu adressieren und die chinesischen Führungsambitionen als Anreiz für Veränderung zu nutzen.
Während die amerikanische Initiative im Klimabereich taumelt, wird das Quecksilber immer weiter klettern. Zwischenzeitlich ist in Peking klar geworden, dass eine chinesische Führungsrolle beim Klima unstrittig ist: nicht "ob" ist die Frage, sondern „wie“ Die Gespräche zwischen chinesischen politischen Entscheidungsträgern konzentrieren sich zunehmend auf Strategien zur Realisierung des diplomatischen Potenzials der Nation.
Chinas "Airpocalypse" 2011 war ein Wendepunkt für die Nation. Flüge wurden aufgrund des Smogs gestrichen, Kinder kamen ins Krankenhaus und es wurde deutlich, dass die wachsende Mittelschicht des Landes Lösungen forderte. Im Jahr 2017 hat die globale Gemeinschaft ebenfalls einen Krisenpunkt erreicht, als mit den USA eine Führungskraft der Klimadiplomatie vom Verhandlungstisch flieht. Aber der aktuelle Diskurs in Peking zeigt, dass die politischen Entscheidungsträger Chinas nach Möglichkeiten suchen, um mit gutem Beispiel voranzugehen. Während China überlegt, wie es seinen Führungsanspruch in der Klimapolitik umsetzen kann, liegt es am Rest der Welt, dieses Potenzial zu fördern.
Li Shuo, Greenpeace Ostasien
Dieser Artikel erschien in englischer Sprache am 2. Juni 2017 auf Greenpeace Energy Desk.
- Mit finanzieller Unterstützung der Stiftung Mercator. Für den Inhalt tragen der Autor und Germanwatch die Verantwortung. -
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Autor:innenLi Shuo |