Pressemitteilung | 18.05.2017

G20 muss Antibiotikamissbrauch in Tierfabriken eindämmen

Vor G20-Gesundheitsministertreffen: Germanwatch warnt vor Ausbreitung resistenter Keime und fordert Verbot von Reserveantibiotika in der Tierhaltung
Pressemitteilung

Berlin (18. Mai 2017). Weltweit wird eine doppelt so große Menge an Antibiotika in der Tierhaltung eingesetzt wie zur Behandlung von Krankheiten bei Menschen. Studien prognostizieren einen weltweiten Anstieg des Verbrauchs von Veterinärantibiotika um 67 Prozent bis zum Jahr 2030. Vor dem morgen beginnenden G20-Gesundheitsministertreffen sieht die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch die Regierungen der G20-Staaten in der Pflicht, energisch gegen die Ursachen für den wachsenden Antibiotikaeinsatz in Tierhaltungen vorzugehen. Denn jede Antibiotikagabe im Stall vergrößert das Risiko, dass sich antibiotikaresistente Keime bilden. Diese stellen auch für Menschen ein wachsendes Gesundheitsrisiko dar.

"Das Hauptproblem ist die weltweite Entwicklung weg von bäuerlichen Haltungsformen und hin zu industriellen Massentierhaltungen", sagt Germanwatch-Agrarexpertin Reinhild Benning. "Viele Tiere auf engem Raum und ohne Auslauf werden in der Regel häufiger krank und haben daher einen deutlich höheren Antibiotikabedarf als in tiergerechteren Haltungsformen wie etwa Weidehaltung. Zudem sind in einigen G20-Staaten noch immer Antibiotika zur Mastbeschleunigung erlaubt."

Fleisch, das mit Antibiotikaresistenzen belastet ist, stellt einen Übertragungsweg für Resistenzen auf den Menschen dar. Bei staatlichen Kontrollen in Supermärkten wurden auf 66 Prozent des deutschen Masthuhnfleisches Antibiotikaresistenzen gefunden. Rund ein Drittel des deutschen Hühnchenfleisches wird exportiert, teils in Länder, in denen die G20 ein besseres Krisenmanagement gegen Infektionen unterstützen wollen. Reinhild Benning: "Wer ernsthaft die Ausbreitung von Infektionskrankheiten bekämpfen und Gesundheitssysteme verbessern will, darf nicht tatenlos zusehen, wenn bei der Billigfleischproduktion Antibiotika systematisch verschleudert und resistente Keime mit den Fleischexporten global gestreut werden. Bisher fehlt die sorgfältige Abwägung der G20-Gesundheitsminister, was ihnen wichtiger ist: Der bestmögliche Erhalt und ein besserer Zugang zu wirksamen Antibiotika oder der Zugang zu billigem Fleisch zum Vorteil der G20-Fleischindustrie."

Die G20-Staaten müssten mit gutem Beispiel voran gehen. Die für die Menschen besonders wichtigen Reserveantibiotika - also Wirkstoffe, die erst eingesetzt werden, wenn gängige Antibiotika nicht mehr wirken - dürften in der Tierhaltung nicht mehr eingesetzt werden. In den bisherigen Beschlüssen der G20, die einige Fortschritte zu Antibiotika enthalten, fehlen Regeln zu Reserveantibiotika in Mastanlagen, die den Missbrauch der lebenswichtigen Arzneien beenden. Hier müssen die Gesundheitsminister nachlegen. "Im nächsten Schritt muss die Weltgemeinschaft der Ausweitung der industriellen Tierhaltung und dem damit einhergehenden regelmäßig hohen Antibiotikaeinsatz einen Riegel vorschieben", so Benning. Germanwatch empfiehlt, die bäuerliche Landwirtschaft mit regional angepassten Tierrassen und heimischen Futtermitteln weltweit als Leitbild für Entwicklung und internationale Zusammenarbeit zu etablieren.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt, dass ohne rasches politisches Handeln im Jahr 2050 weitaus mehr Menschen an resistenten Keimen als an Krebs sterben werden. In Deutschland sterben bereits derzeit zirka 15.000 Menschen pro Jahr, weil Antibiotika nicht mehr wirken. Regeln, um den Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung deutlich zu senken, könnten vergleichsweise rasch umgesetzt werden, während andere Maßnahmen erheblich mehr gesamtgesellschaftlichen Aufwand benötigten. "Billigfleisch aus industriellen Tierhaltungen ist nur scheinbar billig", betont Benning. "In Wirklichkeit bezahlen wir das billige Fleisch mit Risiken und erhöhten Kosten für unsere Gesundheit. Wenn Antibiotika wirkungslos werden, sterben weltweit wieder mehr Menschen an Krankheiten, die besiegbar schienen: Tuberkulose, Lungenentzündung oder Malaria."