Blogpost | 12.01.2017

Sonnige Aussichten: Energiewende und ländliche Entwicklung in Marokko

Blog-Beitrag von Laura Schäfer, 2016
Solarkraftwerk Noor 1, Ouarzazate

Parabolspiegel soweit das Auge reicht - in der marokkanischen Wüste am Rand von Ouarzazate baut Marokko das größte thermische Solarkraftwerk der Welt. Mit einer Fläche von 3000 Hektar (etwa 4300 Fußballfeldern)  und einer installierten Leistung von 580 MW  kann das Kraftwerk bald über eine Million Menschen mit Strom versorgen. Ein Teil der Anlage ist bereits fertig gestellt. Noor 1 - Noor heißt Licht auf Arabisch - kommt mit seinen 537 000 Parabolspiegeln bereits auf eine installierte Leistung von 160 MW.  Das Revolutionäre: Das Kraftwerk produziert auch dann Strom, wenn die Sonne schon längst untergegangen ist.  Denn durch die Spiegel wird ein flüssiges Salz erhitzt, das die Wärme bis zu acht Stunden speichern kann. So kann auch in den Abendstunden zuverlässig Strom geliefert werden, genau dann wenn der Bedarf am höchsten ist. "Das ist die wahre Energiewende - Stromproduktion wenn wir sie brauchen" sagt Markus Faschina, der das Projekt seitens der deutschen Entwicklungsbank (KfW) betreut. Deutschland spielt eine wichtige Rolle in der Realisierung dieses bisher weltweit einzigartigen Projektes -  von den 2,2 Milliarden Euro, die das Projekt kostet,  wurden  40 % über zinsvergünstigte Kredite der KfW gedeckt. Zusätzliche 60 Millionen in Form von Krediten sicherte Entwicklungsminister Müller während der letzten Klimakonferenz (COP 22) in Marrakesch zu. "Marokko vollzieht eine ehrgeizige Energiewende und ist damit Vorbild für Afrika" hob Müller gegenüber der marokkanischen Energieagentur Masen hervor.

Foto: Laura Schäfer, Germanwatch

( Foto: Laura Schäfer / Germanwatch. Solaranlage auf dem Dach der Gemeindepumpstation, Tamesluht.)

Bis 2030 soll der Anteil der installierten Stromerzeugungskapazität auf Basis regenerativer Energien bei über 50 Prozent liegen. Neben den zahlreichen zentralen Großprojekten zielt die marokkanische Energiewende aber ebenfalls darauf ab, ländliche Entwicklung über dezentrale Kleinanlagen zu fördern. Das sieht man gut in Tamesluht. In dem Ort unweit von Marrakesch treiben Solarpanels eine Pumpe an, die 1600 Familien mit Wasser versorgt. Traditionell wird das Wasser mit Diesel- oder Gasgeneratoren aus den Brunnen gepumpt. Durch die Solaranlage auf dem Dach der Gemeindepumpstation konnten die Kosten für einen Kubikmeter Wasser auf 20 Eurocent verringert werden, halb so viel wie mit den bisher verwendeten Dieselgeneratoren. Verwaltet wird das Projekt von einer lokalen NGO. Sie will die die Anschaffungskosten der Anlage, umgerechnet 8000 Euro, bereits in zwei Jahren amortisiert haben und für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien verwenden. Die Verbindung zwischen Klimaschutz und Entwicklung wird auch in Tadmamt deutlich. In dem Atlasdorf 40 km südlich von Marrakech zeigt eine "Grüne Moschee", wie Investitionen in erneuerbare Energien sowohl Klimaschutz als auch lokale Wertschöpfung und nachhaltige Entwicklung ankurbeln können. Doppelte Wände und kleine Fenster schützen die Bewohner im Sommer vor Hitze. LED Belichtung hält den Energieverbrauch gering. Eine Solaranlage auf dem Dach deckt den Energiebedarf der Moschee und produziert sogar Überschüsse. So wird Tadmamt's Moschee zur ersten positiven Energiemoschee Marokkos. Im Rahmen des "Grüne Moscheen Projektes" werden in ganz Marokko momentan hunderte Moscheen energetisch modernisiert, Tadmamt ist jedoch der erste Neubau. Die lokale Bevölkerung wurde aktiv in den Bau eingebunden, sodass 48 Arbeitsplätze für die Ortsbewohner  geschaffen werden konnten. Um nachhaltig Jobmöglichkeiten zu schaffen wurden die Arbeiter auch dabei unterstützt, selbstständige Unternehmer zu werden. 16 Arbeitskräfte sind bisher akkreditiert. "Vor allem Jugendlichen aus dem Dorf wurde so eine Perspektive eröffnet, die Arbeitslosigkeit in der Region ist hoch" berichtet Jan-Christoph Kuntze, Projektleiter der GIZ. Durch die Zusammenarbeit mit Imamen und Kampagnen zur Nutzung von erneuerbaren Energien hilft die Moschee gleichzeitig die Bevölkerung für eine nachhaltige Energiezukunft zu sensibilisieren.

Tadmamt und Tamesluht - zwei Erfolgsgeschichten des Klimaschutzes auf lokaler Ebene. Boris Schinke, Referent bei Germanwatch, hilft zivilgesellschaftlichen Akteuren dabei, diese Erfolgsgeschichten auszutauschen und eine Erfahrungsgemeinschaft zur Energiewende aufzubauen. "Germanwatch unterstützt zivilgesellschaftliche Akteure dabei, sich zu vernetzen und über ihre positiven Erfahrungen mit erneuerbaren

 

( Foto: Laura Schäfer / Germanwatch. Blick auf Tadmant)

Energien zu berichten. Das hilft, Missverständnisse in der marokkanischen Bevölkerung ab- und Vertrauen in die Wirtschaftlichkeit erneuerbarer Energien aufzubauen", so Schinke. Dies sei eine wesentliche Voraussetzungen, um die bisher stark zentral und top-down gesteuerte Energiepolitik des Königreichs durch bottom-up Ansätze zu flankieren und die Bevölkerung sowohl politisch als auch ökonomisch an der marokkanischen Energiewende zu beteiligen. Deutschland spielt bei der Erfolgsgeschichte Marokkos eine ganz entscheidende Rolle. Neben der finanziellen Unterstützung sind die Erfahrungen Deutschlands bei der Planung und Umsetzung seiner erneuerbaren Energienziele eine wichtige Inspirationsquelle für Marokko. Dies bekräftigt auch Soumiya Bouchichi. Marokko hätte viel von Deutschland gelernt, sagt die Wissenschaftlerin, die in Berlin eine Promotion zu Windenergie begonnen hat. Vor allem bei der Einbindung der Zivilgesellschaft und der Aufklärung der Bevölkerung sei Deutschland Vorbild gewesen. Mit Materialien, die sie aus Deutschland mitgebracht und übersetzt hat, organisiert Bouchichi bereits seit ein paar Jahren Workshops für Frauen und Jugendliche in Casablanca, um sie für die Mitgestaltung der marokkanischen Energiewende zu begeistern.

Sonnige Aussichten für Marokko also? Ja, meint Schinke "Marokko hat ein Momentum angestoßen und sich zu einem weltweiten Vorreiter für erneuerbare Energien entwickelt." Trotzdem gebe es noch Nachholbedarf, hebt der Referent hervor. Damit das Königreich seine riesigen Potenziale im Bereich erneuerbarer Energien auch in Zukunft nutzt, müssen vor allem die nationalen Ausbaupläne für Kohle, Gas und Kernenergie in der Schublade bleiben. Gearbeitet werden müsse zudem am Ausbau des Stromnetzes sowie der Öffnung des  Niedrigstromsektors. Dazu aber bedarf es politischer Regelungen, etwa in der Art des deutschen Einspeisegesetzes, das die Netzeinspeisung von kleinen Solaranlagen, wie beispielsweise der in Tamesluht, regelt. Doch auch wenn Marokko noch von der deutschen Energiewende lernen kann, zum Vorbild ist das Land längst selbst geworden -  ein Vorbild für die Energiewende in Afrika.


- Mit finanzieller Unterstützung von Brot für die Welt. Für den Inhalt trägt Germanwatch die Verantwortung. -

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Bereichsleiterin Internationale Klimapolitik