Papst-Enzyklika: Die sozialen und ökologischen Probleme durch Kooperation der Kulturen lösen
Bonn (29. Nov. 2016). Kann die Enzyklika eines Papstes einen zentralen Impuls setzen, um in einer pluralistischen Gesellschaft statt über Symptome über die Ursachen einer Welt außer Rand und Band zu diskutieren? Und kann dieser Impuls im Dialog mit den Religionen auch weit über religiöse Kreise hinaus wirken? Über diese Fragen diskutierten am Dienstagabend auf Einladung der Stadt Bonn und der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft im Alten Rathaus. Und viele von ihnen waren am Ende zu der Überzeugung gelangt: Ja, die Enzyklika „Laudato si'“ von Papst Franziskus hat tatsächlich das Zeug, als „Magna Charta der sozialen Ökologie“ eine wichtige Inspirationsquelle für eine solche Debatte zu werden, wie der Politische Geschäftsführer von Germanwatch, Christoph Bals, es ausdrückte. Ehrengast Klaus Töpfer, Bundesminister a.D. und ehemaliger Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), betonte in seiner Eingangsrede, die Enzyklika sei ein "bemerkenswerter und so nicht erwarteter" Aufruf des Papstes, die Herrschaft der Technik und eines konsumgetriebenen Wachstumsmodells abzuschütteln. Der Papst fordere zu einer Überprüfung der Lebensstile auf und nicht zuletzt dazu, sich nicht nur auf scheinbare Lösungen der Technik zu verlassen - insbesondere dann, wenn diese eigene Freiräume einschränke und nicht erweitere.
Mit dem Themenabend unter dem Titel „Die transformative Kraft von Laudato Si‘ in der pluralistischen Gesellschaft“ ließen die Stadt Bonn und Germanwatch zugleich ihre ergebnisreiche Jahrespartnerschaft ausklingen sowie das 25-Jahre-Jubiläumsjahr der Organisation Revue passieren. Oberbürgermeister Ashok Sridharan dankte Germanwatch und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Mitgliedern für ihren engagierten Einsatz für Klimaschutz und globale Gerechtigkeit. Die Zusammenarbeit zwischen der Stadt und Germanwatch werde auch über das Ende der Jahrespartnerschaft hinaus fortgesetzt, denn auch 2017 werde ein Jahr der Chancen und Herausforderungen, ergänzte Sridharan mit Blick auf die G20-Präsidentschaft Deutschlands und den Weltklimagipfel im November in Bonn. „Machen wir 2017 zu einem Meilenstein und Deutschland und Bonn zu dem Ort, an dem die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und damit die Nachhaltigkeit Fahrt aufnimmt.“ Auch der Vorsitzende von Germanwatch, Klaus Milke, zog ein sehr positives Resümee der Jahrespartnerschaft. Die Stadt habe erneut gezeigt, dass sie fest an der Seite der in Bonn beheimateten Zivilgesellschaft stehe.
Papst analysiert eine Krise in zwei Ausprägungen: sozial und ökologisch
In der Diskussion über die Enzyklika am Abend und zuvor bei einem Fachforum wurde hervorgehoben, dass diese alle Kulturen und Religionen aufruft, ihr Bestes für die Kooperation bei der Lösung der drängenden sozialen und ökologischen Fragen einzubringen. Sie ruft nicht nur Christen, sondern Menschen aller Religionen ebenso wie Agnostiker und Atheisten zum Dialog auf. Sie stellt sich nicht etwa in Konkurrenz zur Wissenschaft, sondern begründet alle wesentlichen Aussagen doppelt - einerseits mit rationalen, oft wissenschaftlichen Argumenten, andererseits mit theologischen Argumenten.
Der Papst analysiert mit Kopf und Herz eine Krise in zwei Ausprägungen: einer sozialen und einer ökologischen. Und er fordert den Abschied von einem technokratischen Paradigma, das zum einen immer mehr Menschen ausschließe und grundlegender Menschenrechte beraube und zum anderen die Grenzen des Planeten systematisch missachte. Papst Franziskus fordere, das Klima als „gemeinschaftliches Gut von allen für alle“ zu verstehen und schlage damit ein „normatives Leitprinzip der Klimapolitik vor“, so Christoph Bals in der Diskussion. Als zwingende Konsequenz daraus fordere der Papst den Ausstieg aus fossilen Energien, allen voran aus der Kohle, und Hilfe für ärmere Länder, um diesen Ausstieg und die Folgen des Klimawandels bewältigen zu können. Viele Akteure aus Kirchen und Gesellschaft sahen konkrete Ansatzpunkte durch die "Steilvorlage" der Enzyklika. Doch es gebe auch noch offene Fragen: Wird das Umdenken auch an der Basis der katholischen Kirche zu beobachten sein? Und wird es gelingen, weltweit breite gesellschaftliche Diskurse und konkrete Projektvorschläge anzustoßen, in die sich andere Religionen, Gewerkschaften, Sozialbewegungen oder Intellektuelle mit ebenso anregenden Lösungsvorschlägen einbringen?